Auch Fernsehen ohne Grenzen braucht Grenzen bei der Werbung

Revision der EG-Fernsehrichtlinie: DLM fordert einheitlichen Rechtsrahmen für alle audiovisuellen elektronischen Dienste.

Mit zahlreichen Vorschlägen für eine Optimierung der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ (EG-Fernsehrichtlinie) hat sich in dem laufenden Überprüfungsverfahren jetzt die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) zu Wort gemeldet. Gernot Schumann, der DLM-Europabeauftragte und Direktor der Unabhängigen Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR) in Kiel, resümierte den Kern der DLM-Stellungnahme so: „Die Vorschläge zielen auf einen Regulierungsrahmen für das klassische Fernsehen und vergleichbare andere audiovisuelle Dienste, der sich an der Funktion des Fernsehens als Medium und Faktor der Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft orientiert und vor dem Hintergrund der Technologie- und Marktentwicklung die Interessen von Zuschauern und Diensteanbietern besser ausbalanciert.“ Zur aktuellen Diskussion um eine weitere Deregulierung der Werbeberegelungen erklärte Schumann: „Fernsehen ohne Grenzen braucht auch in Zukunft Grenzen bei der Werbung.“

Die DLM macht in ihrer umfassenden Stellungnahme insbesondere folgende Vorschläge:

Die EG-Fernsehrichtlinie sollte zu einer Inhalterichtlinie erweitert werden. Erforderlich sei dafür ein funktionaler Rundfunkbegriff, der nicht auf den Übertragungsweg oder die Kategorien Verteil- oder Abrufdienst abstelle, sondern alle audiovisuellen Dienste in den Onlinemedien umfasse, also auch das Internet. Die Regelungsdichte richtet sich jedoch abgestuft nach der Meinungsrelevanz eines Dienstes (Stichworte: Aktualität, Suggestivkraft, Breitenwirkung). Haben Livestreaming- und Webcastangebote diese Relevanz, unterfallen auch sie der Inhalterichtlinie. In den Überprüfungsprozess sind daher auch andere europäische Rechtsvorschriften einzubeziehen, insbesondere die E-Commerce-Richtlinie.

Die Werberegeln sollten vereinfacht, deren Schutzwirkung aber nicht aufgeben werden. Das gelte insbesondere mit Blick auf die Werbemengen. Statt Werbung ohne Grenzen sollten für Werbemengen und für Werbeunterbrechungen einfachere und pauschalierende Regeln gelten. Die Grundsätze der Trennung von Werbung und Programm sowie der Kennzeichnung der Werbung sollten auch auf neue Werbeformen erstreckt werden, insbesondere auf die Splitscreenwerbung und die virtuelle Werbung. Die in der Praxis schwierige Abgrenzung des zulässigen Produktplacements von der unzulässigen Schleichwerbung lasse sich zuverlässig durch einfachere rechtliche Kriterien erreichen.

Der Jugendschutz brauche ein grundsätzliches Verbot pornografischer Sendungen. Der im deutschen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gewiesene Weg für die Einbeziehung von Selbstkontrolleinrichtungen der Diensteanbieter in ein hoheitliches, aber staatsfernes Regulierungssystem beim Schutz der Jugend und der Menschenwürde sollte sich in der überarbeiteten Fernsehrichtlinie wiederfinden. Um den Jugendschutz weiter zu stärken, sollten die inhaltlichen und formalen Voraussetzungen vereinfacht werden, unter denen ein EU-Mitgliedsstaat in seinem Hoheitsgebiet den freien Empfang und die Weiterverbreitung einer Sendung aus einem anderen Mitgliedsstaat unterbinden kann, wenn durch sie Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung ernsthaft beeinträchtigt oder zu Hass aufgestachelt werden könnten.

Der Kontaktausschuss der EU-Kommission sei für eine Mitwirkung der nationalen Regulierungsbehörden für Rundfunk und neue Medien zu öffnen. Hierzu Schumann: „Ein Ausschuss, der die Umsetzung der Richtlinie erleichtern und Probleme bei ihrer Anwendung lösen soll, kann auf die Mitwirkung der ‚Streetworker der Regulierung‘ schlechterdings nicht verzichten.“

In ihrer Stellungnahme positioniert sich die DLM auch zur Übertragung von Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung („Listenregelung“) und zur Programm- und Produzentenquotenregelung. Unter Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip äußert die DLM Zweifel an der Zuständigkeit der Europäischen Union für die europaweite Einführung eines Rechts auf Kurzberichterstattung über Ereignisse, für die Exklusivrechte bestehen. Damit wendet sich die DLM nicht gegen nationale Kurzberichterstattungsrechte, wie sie beispielsweise das deutsche Medienrecht in § 5 des Rundfunkstaatsvertrag kennt. Europarechtlich selbstverständlich ist, dass jeder europäische Diensteanbieter oder Dienstleister ein nationales Kurzberichterstattungsrecht in Anspruch nehmen kann.

Die DLM-Stellungnahme ist ab sofort unter www.alm.de und www.ulr.de abrufbar.

Die EG-Fernsehrichtlinie aus dem Jahr 1989, zuletzt geändert im Jahr 1997, legt für grenzüberschreitendes Fernsehen in der EU einheitliche Mindeststandards fest. Zur Zeit prüft die EU-Kommission, ob und inwieweit eine Überarbeitung der Bestimmungen erforderlich ist. In diesem Zusammenhang hat sie einen Anwendungsbericht zur Fernsehrichtlinie vorgelegt und die Generaldirektion Bildung und Kultur sechs Diskussionspapiere. Konkrete Vorschläge der Kommission für den weiteren Fortgang des Verfahrens sind Ende diesen Jahres zu erwarten. Mit einem Vorschlag für eine neue Richtlinie wird Ende 2004 gerechnet.

(nach einer Pressemitteilung der ULR)

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