Stahlblau gespiegelte Erinnerungen
Solaris (Steven Soderbergh, USA 2002)
„Wir wollen keine neuen Welten, wir wollen Spiegel“, verkündet – als geradezu programmatischen Subtext – das Logbuch der Raumstation Prometheus, die über dem geheimnisvollen Planeten Solaris kreist. Nicht weniger seltsam sind die Dinge, die an Bord geschehen. Als der Psychologe Chris Kelvin (George Clooney) auf der Station eintrifft, hat sich der Kommandant, sein Freund Gibarian, das Leben genommen. Die übrigen zwei Besatzungsmitglieder berichten von Halluzinationen, die sie quälend heimsuchen. Kelvin tappt im Dunkeln, doch schon in der ersten Nacht ahnt er, was Gibarian in den Tod getrieben hat und den Rest der Besatzung so verstört. Erinnerungen werden leibhaftig, mehr als nur ein Traum, eine Gegenwelt aus der Vergangenheit. Kelvin erscheint seine Frau Rheya (Natascha McElhone), die vor Jahren Selbstmord beging, und Kelvin sieht sich erneut der bereits verdrängten Frage nach seiner Schuld daran ausgesetzt.
Steven Soderbergh taucht das Remake von Tarkowskijs Verfilmung des Lem-Romans in steriles stahlblaues Licht, eine Symphonie in Blau, auskomponiert bis ins letzte Bilddetail, selbst Rheyas Augen glänzen in diesem Ton. Der Ort der Handlung wirkt unwirklich entrückt und bald ist nicht mehr klar, was überhaupt wirklich ist, was Vision, bloß Kopfgeburt, wiedergängerisches Spiegelbild einer unverarbeiteten Vergangenheit. Filmmusik fehlt fast vollständig, bedrängend sind vielmehr die Atemgeräusche unter den Astronautenhelmen zu hören.
Der Kosmos im Kopf – George Clooney, Viola Davis
Nicht nur in solchen Bild- und Ton-Zitaten lässt Kubricks „2001“ grüßen. Auch in Soderberghs „Solaris“ lauern die eigentlichen Gefahren und Schimären nicht im Kosmos vor dem Raumschiff-Bullauge, sondern im Kosmos des Kopfes, nicht im Außen, sondern im Inneren. Aus dem gibt es noch weniger ein Entrinnen als aus den sich in klaustrophobischen Weitwinkeleinstellungen verjüngenden Gängen der Raumstation. Geschickt bemüht Soderbergh die Spannungsdramaturgie von Sci-Fi-Klassikern wie „Alien“, wenn die Angst vor dem, was gleich passiert, um so spürbarer wird, wenn (äußerlich) nichts passiert. Stattdessen segeln wir durch die Seelenschründe der Protagonisten. Den Konflikt, der die Story antreibt, allein auf Rheya und Kelvin zu konzentrieren, schafft allerdings auch manche Längen und lässt die Nebenfiguren zur reinen Staffage verblassen. Schade, denn ihre inneren Kämpfe nicht nur beiläufig anzudeuten, hätte Soderberghs minutiös gezeichneter Psychoparabel die ihr eigene Spröde sicher erspart. (jm)