Schule des schwierigen Lebens
Pure (Gillies McKinnon, GB 2002)
Was ist ein Junkie? Eine herunterkommende Existenz, fahle Lippen, gerötete, sich zum Dauerschlaf verschließende Augen? Doch ein Junkie ist kein Zombie, sondern – leider – Normalität.
Die zerbrechliche Existenz eines Kindes im Londoner East End setzt Gillies McKinnon in „Pure“ der Drogenhölle aus. Pauls (Harry Eden) Mutter Mel (Molly Parker) ist dem Heroin verfallen und Paul kümmert sich liebevoll um sie. Da die einzige erwachsene „Stütze“ in Mels Leben ihr Dealer Lenny (David Wenham) ist, muss sie den 10jährigen Paul wie einen Erwachsenen behandeln. Er soll ihr beim „kalten Entzug“ in der verschossenen Wohnung helfen, indem er sie dort einsperrt. Zu viel für ein Kind, das dadurch von Heute auf Morgen erwachsen werden muss. Die einzige, die ihm dabei scheinbar helfen könnte, ist Louise (Keira Knightley), Serviererin im „Fast Food“ um die Ecke. Doch in einer Welt, wo alles im Wanken ist, ist auch sie der Versuchung der Droge nicht entkommen – und nimmt den kleinen Paul auf einen Trip mit ins Reich der Schatten … Erst jetzt, als sie ihren Sohn im Drogenrausch sieht, wacht Mel auf, fasst den Mut, Verantwortung für sich und ihre Familie zu übernehmen, was ihr Kraft für den Entzug gibt.
Sich Kraft geben in der Verzweiflung – Molly Parker, Harry Eden
McKinnon, vor allem aber seinem beeindruckend spielenden Hauptdarsteller Harry Eden gelingt ein stringent erzählter und berührender Film über die Schule, die das Leben gerade dann ist, wenn es schwierig wird. Auch wenn der Ausgang des Drogendramas letztlich offen bleibt, so besteht doch die kleine Hoffnung, dass die kindliche Perspektive auf eine „bessere Welt“ mitten im Chaos über die bedrückende Realität triumphiert. Dies ist auch eine Vision, dass Liebe in ihrer Bedingungslosigkeit selbst über Aussichtsloses siegen kann. Kinder an die Macht? Nicht ganz – aber vielleicht öfter ihr gar nicht so naives Bild von der Welt in Augenschein nehmen! (Gudrun Lübker-Suhre)