„Rosamond“ – Impressionen von den Dreharbeiten in Lübeck

Wer bisher glaubte, Lübeck sei ein verschlafenes Nest irgendwo in Schleswig-Holstein, wo bekanntlich Schaf und Grashalm einander gute Nacht sagen, sei eines Besseren belehrt – es ist schlimmer. Für Aufregung sorgen hier allenfalls zwei bis drei Literaturnobelpreisträger pro Jahrhundert, ein mittelmäßiges Fußballteam, das alle Jubeljahre gegen den FC St. Pauli gewinnt, und ein Einbahnstraßensystem, das es an Tücke mit sämtlichen Ränken aufnimmt, die im Laufe einer Theatersaison an mitteleuropäischen Bühnen geschmiedet werden. Ansonsten ist alles so beschaulich, adrett und herzallerliebst, wie es sich nur wünschen kann, wer einen gemütlichen Sonntagnachmittagsbummel durch die Altstadt oder entlang der Hafenpromenade plant. Oder aber, wer eigens aus Potsdam-Babelsberg anreist, um Dreharbeiten zu einem Kurzfilm durchzuführen, der in einem solch verträumten Ambiente spielt, „Rosamond“ heißt (gefördert von der Kulturellen Filmförderung S.-H. und der MSH) und die Geschichte zweier Jugendlicher und eines Dackels erzählt. Muss man nämlich in einer – im Jargon: „abgefrühstückten“ – Stadt wie Berlin befürchten, alle naselang von hupenden Autofahrern, aufgebrachten Anwohnern und übereifrigen Polizisten überfahren, erschlagen oder verhaftet zu werden, quält in Lübeck höchstens die Sorge, welches der vielen schönen Motive man nimmt und wo man all die wild auf der Straße gecasteten Komparsen auch tatsächlich einsetzen kann.

Dreharbeiten zu „Rosamond“ in Lübeck

Für Regisseurin Jana Marsik, die in diesem Jahr für ihre Kameraarbeit bei „Long Shot“ und „Schlork Babies“ mit dem Deutschen Kamerapreis (Förderpreis) ausgezeichnet wurde, hätte „Rosamond“ folglich ein unbekümmertes Regiedebüt sein können, wäre zwischendurch nicht Sat1 in die Idylle geplatzt. Gedreht wurde der Film mit der europaweit einzig verfügbaren HD-Cam-Kamera mit Downconverter (Sony-HD-Cam 750), und genau diese forderte der Sender mirnichtsdirnichts an. Einige ausgefallene Haare, eiskalte Flaschen Lipton-Eistee und hektische Telefonate zwischen Köln, Lübeck und Berlin später konnten die Dreharbeiten dann aber doch weitergehen. Sat1 hatte nämlich für den geplanten Kameratest keine Schauspieler gefunden. Da war das Blök Film-Team besser dran: Mit den Hauptdarstellern Konstantin Prochorowski und Lina Rabea Mohr sowie den Nebendarstellern Max Herbrechter, Saskia von Winterfeld, Ekaterina Choulman, Mircea Krishan, Katharina Blaschke, Lucien Leuchtenberg und Bärbel Röhl konnten nämlich einige hervorragende Schauspieler für „Rosamond“ gewonnen werden. Der heimliche Star am Set aber war nichtsdestotrotz die Dackeldame „Julia vom Roggenhof“ (Kurzform: Julchen), die – aristokratisch mit dem Schwanz wedelnd und plebejisch an der Leine zerrend – noch nach zehn Stunden Drehzeit zu jedem Kunststück bereit war, das ihr abverlangt wurde, sofern man sie nur ausreichend mit Leckereien aus der Hundefeinkostabteilung bei Edeka versorgte. Dafür dass niemand darben musste, sorgte ansonsten der von der Schleswig-Holstein Film Commission empfohlene (und wirklich empfehlenswerte!) Catering-Service von Jürgen Brasat. Bei den vielen Umzügen von Hölzchen nach Stöckchen, von Motiv zu Motiv war gutes und liebevoll zubereites Essen aber auch dringlich geboten.

Dass sich die Mühe gelohnt hat, die sich Kameramann Christoph Lerch und das Beleuchter-Team um Oberbeleuchter Volkmar Gerth gemacht haben (denn das neuartige HD-Cam-Material erfordert die gleiche minutiöse Lichtführung wie das klassische Filmmaterial), davon, verehrter Leser, können Sie sich vielleicht demnächst selbst überzeugen – dann nämlich, wenn im Kino nebenan die wunderschönen Aufnahmen vom Skandinavienkai Travemünde, von der St. Jacobi-Kirche, vom Brahms-Institut und von der Obertrave in Lübeck zu sehen sind, in die die Liebesgeschichte zwischen Viktor und Rosa gebettet ist. (Julia Schweiker)