Dokumentarfilm über den Autokönig Borgward in der ARD
Am Montag, 17.6., 21.45 Uhr zeigt die ARD den 45-minütigen Dokumentarfilm „Lebensträume: Carl F. W. Borgward – Aufstieg und Fall eines Autokönigs“ (Digi-Beta F) von C. Cay Wesnigk und Jörg Komorowski. Die Drehbucherstellung und die Projektvorbereitung wurden gefördert von der MSH Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Medien in Schleswig-Holstein und dem Filmbüro Bremen aus Mitteln der Bremischen Landesmedienanstalt.
Inhalt:
Carl F. W. Borgward (1890 – 1963) hat einen Traum und er baut ihn nach – in Blech und Chrom: die legendäre „Isabella“ – ein Auto, das Kult-Geschichte schreibt. Der junge Mann steigt vom mittellosen Schlosser zum Bremer Automobilproduzenten mit über 20.000 Angestellten auf. Mit seinem Traumwagen gibt er dem „Wir-sind-wieder-wer-Gefühl“ der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg ein Ziel. Der Ehrenkonsul und Träger des Bundesverdienstkreuzes ist ein Glückskind des deutschen Wirtschaftswunders. Borgward, der am liebsten alles selbst machen möchte, alles allein entscheidet, alles besser weiß, genießt seine hart erarbeitete Ausnahmestellung in vollen Zügen. Dass er dabei wenig Rücksichten auf die Befindlichkeiten des Bremer Senats nimmt, rächt sich Anfang der 60er Jahre, als das Geld knapp wird. Plötzlich ist Borgward auf Überbrückungskredite von Seiten der Hansestadt angewiesen. Der geniale Automobilkonstrukteur verliert die Zeit seines Lebens zäh verteidigte Unabhängigkeit. Während er versucht, sein Lebenswerk zu retten, entscheiden die Politiker, keine weiteren Kredite mehr zu geben. Sie entmachten den Alleininhaber, bringen seine Firmen unter ihre Kontrolle, um dann alles zu verkaufen. Borgward sieht sich zur entschädigungslosen Übereignung seines Automobilkonzerns an das Land Bremen gezwungen. Er muss selbst den Schlüssel seines Dienstwagens abgeben. Über 20.000 Arbeiter und Angestellte werden entlassen. Wenig später erfolgt die Liquidation. Dabei wird schließlich klar, dass alle privaten Gläubiger ihr Geld zu 100 Prozent zurückerhalten. Tief verbittert stirbt der Mann, dessen Namen Autogeschichte ist.
Making of: Carl F. W. Borgward
von C. Cay Wesnigk
Angefangen hatte alles mit einem „Spiegel“-Heft, Jahrgang 1960. Auf einem Altpapierhaufen hatte es mein Ko-Autor Jörg Komorowski in den frühen 90ern gefunden und war am Titelbild hängen geblieben: Carl F. W. Borgward, mit spitzbübischem Lächeln und der obligatorischen Zigarre im Mundwinkel, im Hintergrund eine Auswahl seiner umfangreichen Modellpalette. Ein Selfmademan und Unternehmerpatriarch der alten Schule – hemdsärmelig und kraftvoll, optimistisch und voller Selbstsicherheit.
Ganz im Gegensatz dazu stand das Bild, das in der zugehörigen Titelgeschichte von dem Alleininhaber der drei Bremer Automobilwerke Borgward-Lloyd-Goliath gezeichnet wurde: Ein „Auto-Cäsar“ sei er, ein „Bastler“ (so auch die Überschrift des Artikels), der sich in „kindlicher Freude“ für seine Modelle begeistern könne. Die Story wurde zum journalistischen Abgesang auf eine Leitfigur der frühen Nachkriegszeit und den Chef eines Unternehmens, das noch vor Jahresfrist Umsatzrekorde feiern konnte, nun, im Herbst 1960, jedoch in akuten Absatz- und Liquiditätsschwierigkeiten steckte.
Was war da passiert im letzten Jahr der Borgward-Werke, das zu diesem höchst überflüssigen Konkurs geführt hatte? Und wie hatte der Firmenchef seine Entmachtung und Demontage sowie den nachfolgenden Niedergang des Werks erlebt? Unser Interesse war geweckt.
Doch weder in der einschlägigen Literatur noch in den bereits existierenden Filmdokumentationen waren auf diese Fragen befriedigende Antworten zu finden. Carl Borgward, so die stereotype Begründung für die erste große Pleite im Wirtschaftswunder, sei zwar ein genialer Techniker, aber miserabler Kaufmann gewesen. Basta. Das persönliche Drama des Autopioniers wurde nirgendwo thematisiert. Für uns Herausforderung genug, diesen Fragen nachzugehen und einen Film in Angriff zu nehmen, in dessen Mittelpunkt die bisher unerzählte Geschichte vom Ende der Borgward-Werke stehen sollte. Bis zur Fertigstellung von „Aufstieg und Fall eines Autokönigs“ sollten dann mehr als fünf Jahre vergehen. Nachdem wir bereits zirka ein Dutzend Absagen von Produzenten und Redakteuren für unser Borgward-Projekt abgeheftet hatten, entstand zusammen mit der Produktionsfirma „Arena Aktuell“ die Idee für eine Doku-Reihe über die letzten großen Einzelunternehmer in der deutschen Wirtschaft, für die Ko-Autor Jörg Komorowski dann das Exposé schrieb. So wurde das Borgward-Projekt zur Keimzelle für die „Lebensträume“.
Doch wer wird reden? Wer sind unsere Zeitzeugen? Allein die Tatsache, dass vierzig Jahre seit dem Borgward-Konkurs vergangen sind, lässt schon erahnen, wie schwierig sich die Suche nach kompetenten Interviewpartnern gestaltete. Umso stolzer sind wir, dass es uns in mehr als einem Fall gelungen ist, Zeitzeugen zu gewinnen, die sich überhaupt erstmals zur Thematik äußerten. Dies gilt sowohl für Kurt Borgward, Jahrgang 1914, ältester und einziger noch lebender Sohn des Autopioniers, als auch für Leo Brawand, journalistisches Urgestein des „Spiegel“ und Mitautor der Borgward-Titelgeschichte. Dies gilt auch für Fritz B. Busch und Dr. Paul Simsa, zwei Altmeister des deutschen Motorjournalismus, und für Hans Koschnick, 1960 Bürgerschaftsmitglied, „Kronprinz“ und später dann Nachfolger des damaligen Bremer Bürgermeisters Wilhelm Kaisen.
Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass unser Interview mit dem früheren Bremer Wirtschaftssenator Karl Eggers eine – für die Borgward-Geschichtsschreibung – kleine Sensation darstellt. Da sich Eggers, 1960 vom Senat mit der Abwicklung der Übernahme der Borgward-Werke betraut, schon vor einigen Jahren wegen gesundheitlicher Probleme aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, galt er bei unseren Nachforschungen in Bremen als „schon lange tot“. Doch dann die Überraschung: Eggers lebt! Und nachdem er zunächst abgewunken hatte, erklärte er sich dann dankenswerterweise doch zu einem Interview bereit.
Wir glauben, dass wir niemandem zu nahe treten, wenn wir von einem weiteren unserer Interviewpartner, dem Motorjournalisten Christian Steiger, behaupten, dass es sich bei ihm um den Borgward-Experten schlechthin handelt. Steiger, aus der Generation der „Nachgeborenen“ (derjenigen Borgward-Fans, die jünger sind als ihre Oldtimer), beschäftigt sich seit über 15 Jahren intensiv mit der Thematik und ist Autor eines viel beachteten Buches über die „Isabella“, Borgwards wohl bekanntester Pkw.
Was noch wert wäre, an dieser Stelle erwähnt zu werden? Dass fast alle Nachinszenierungen an den (sich im authentischen Zustand befindlichen) Originalschauplätzen realisiert wurden. Das gilt sowohl für die Szenen vor der Borgward-Villa, vor und im Wochenendhaus der Familie Borgward, seiner privaten Werkstatt, dem Bremer Rathaus und dem „Haus des Reichs“. Und dass es sich auch bei vielen Requisiten in den Nachinszenierungen um die Originalgegenstände handelt: z.B. Carl Borgwards Zigarrentasche, seinen Tischkalender, das Kaffeegeschirr, ja selbst der Aschenbecher ist echt.