„Überzeugungstäter zusammenspannen …“
ULR-Medienwerft schaute auf die Zukunftsperspektiven der Medienwirtschaft in S.-H.
Medienschaffende sind schon eine besondere Spezies. Manchmal verhalten sie sich ganz anders als eine Statistik erwarten würde. Und entsprechend flexibel muss die Politik reagieren, um aus den Kreativitäten, die sich nur schwer in Statistik fassen und in synergetischen Gleichtakt bringen lassen, etwas zusammenzuspannen, das Kultur und Wirtschaft im Lande beflügelt.
Dies war eines der Fazits am Ende der 2. ULR-Medienwerft am 26.11.2001 in den Räumen der IHK zu Kiel. „Medienwirtschaft in Schleswig-Holstein 2001 – Bestandsaufnahme und Perspektiven“ ist der Titel einer Studie, die das Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung (Prof. Dr. Uwe Hasebrink und Hardy Dreier) im Auftrag der ULR anstrengte und auf der Medienwerft zur Diskussion stellte.
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Die Distribution von „Content“, der, so Uwe Hasebrink, auch in den neuen Medien „immer noch der King“ unter den Angebotsprofilen ist, bringt auf digitalem Wege erhebliche Kostenersparnisse, indem die Distributionskosten (via Online- oder Kabel-Gebühren) im wesentlichen der Nutzer trägt. (Im Gegensatz dazu deckt bei einer Tageszeitung der Verkaufserlös gerade die Kosten, das Blatt von der Rotation in den Briefkasten oder an den Kiosk zu bringen, die Erstellung des „Contents“ ruht allein auf Werbeeinnahmen.) Andererseits ist es im Internet, wo Inhalte traditionell „for free“ angeboten werden, schwierig mit ihnen auch Gewinne zu erwirtschaften. „Abonnements“-Konzepte erweisen sich als schwer durchführbar, zahlungsunwillige Nutzer von der Nutzung auszuschließen stellt sich als kaum lösbares technisches Problem dar. Die kontinuierliche Zunahme der Bruttowertschöpfung mit Informations- und Kommunikations-Diensten, während die aus IuK-Technik rückläufig ist, zeigt hingegen dennoch einen Trend zur Dienstleistung mit Inhalten.
Der Hype von immer neuen Multimedia-Techniken hat die Anbieter klassischer Medien (Print, TV, Rundfunk) stark verunsichert. Grundlos, wie Hasebrink meint. Der Absatz „klassischer“ Angebote ist stabil, wohl auch weil die Verbraucher auf neue Techniken nur zögerlich reagieren und beim Durchschnitts-Nutzer eine traditionelle Gebundenheit an bewährte Medien vorherrscht. Insbesondere in S.-H. manifestiert sich dieser Trend. Als ein bundesweit bedeutender Standort der Druckindustrie werden 79% aller Umsätze der nördlichen Medienbranche in diesem Bereich erzielt. 16% entfallen auf die Werbewirtschaft und nur 3% auf audiovisuelle Medien.
Trend zur Konzentration
Obwohl gerade die Medienwirtschaft durch die dort überdurchschnittlich verbreitete Nutzung neuer Übertragungs- und Kommunikationswege (ISDN, ADSL &c.) kaum standortgebunden ist, verzeichnen die Hamburger Medienforscher einen dazu paradoxen Trend zur Konzentration der Unternehmensstandorte. Überlagert hier der „Faktor Mensch“ technisch-wirtschaftliche Gegebenheiten? Offenbar neigen gerade Kreative zur Konzentration an Orten, die gegenseitigen menschlichen Austausch (nicht nur via E-Mail und Video-Konferenz) unmittelbar ermöglichen und so eine kreative Atmosphäre, geradezu einen „genius loci“, schaffen (z.B. ist mehr als die Hälfte aller britischen Werbeagenturen in London angesiedelt).
Schleswig-Holstein ist kein solcher Konzentrationsort (wie etwa Hamburg, Köln, Berlin oder München). Dennoch, das bekräftigen Hardy Dreiers Interviews mit schleswig-holsteinischen Medien-Unternehmern, besteht eine starke Verbundenheit mit dem Land: „Wer hier an und in Medien schafft, ist oft Überzeugungstäter.“
So hat sich die schleswig-holsteinische Medienwirtschaft in der zweiten Hälfte der 90er Jahre zwar eher schleppend entwickelt, erwies sich aber dadurch als recht stabil und resistent gegenüber spektakulären Zusammenbrüchen von schwindelnd schnell gewachsenen „Dot-Coms“ am „neuen Markt“.
Wie im allgemeinen Bundes-Trend unterliegt die Zahl der Beschäftigten in der Medienbranche auch in S.-H. starken Fluktuationen, sinkt aber im Mittel stetig, während die Produktivität ansteigt. Immer weniger Hochspezialisierte erzeugen also immer mehr Wertschöpfung.
Optionen und Perspektiven
Aus dieser Bestandsaufnahme leitet die Hamburger Studie folgende Perspektiven her (hochtrabender „Visionen“ enthält man sich vorsorglich).
Auf Seiten der Nutzer komme es zunehmend darauf an, deren Medienkompetenz zu steigern, nicht zuletzt im Sinne seiner stärkeren Beteiligung. Denn Medien seien „zwar auch, aber nicht nur ein Wirtschaftsgut“, sondern ebenso ein kulturelles. Zügig müssten die neuen Info-Kanäle (z.B. DVB-T, digitales, terrestrisches Fernsehen) ausgebaut und einer breiten Nutzerschaft zugänglich gemacht werden, nicht zuletzt um Nachfrage auf diesen Kanälen und damit Angebote zu erzeugen. Mit den neuesten Medien sei es zuweilen wie mit dem Huhn und dem Ei: Ohne verbreitbare Inhalte investiert niemand in neue Übertragungswege, umgekehrt aber genauso wenig.
Medienunternehmen müssten auch und gerade von Initiativen aus der Politik in ihren Differenzierungsstrategien (z.B. regionale Angebote, die auch nur in der Region generiert werden können) gestärkt werden, um den Medienstandort S.-H. attraktiv zu machen. Bei der Schaffung eines „positiven Imageumfeldes“ sei neben wirtschaftlichen Parametern immer wieder auch der „Faktor Mensch“ zu berücksichtigen, auf Seiten der Anbieter wie bei den Abnehmern.
Ganz im Sinne der Initiativen des Medienrats
Solche Perspektiven der Studie sind ganz im Sinne der Aktivitäten des ULR-Medienrates im letzten halben Jahr, die der Medienratsvorsitzende Dr. Ekkehard Wienholtz Revue passieren ließ.
Mit dem Anstoß zweier regionaler Kabelprojekte („Region 24“ in Kiel, das im Februar auf Sendung gehen wird, und das Norderstedter Kabelprojekt, das in Zusammenarbeit mit dem Anbieter wilhelm.tel erstmals Rückkanalfähigkeit ermöglicht) und der Initiative für eine rasche Einführung von DVB-T als Alternative zu Satellit und dem zunehmend unter monopolistischen Einfluss der Liberty-Gruppe geratenden Kabel will der Medienrat den demokratischen Zugang breiter Nutzer-Schichten zu den neuen Informations-Highways befördern. In Sachen Förderung der Medienkompetenz wurde der Medienrat mit je 100.000 DM Fördergeldern für den Kieler Multimedia-Campus und die Lübecker Media-Docks aktiv.
Auch die Stärkung regionaler Aspekte hat sich der Medienrat auf die Fahnen geschrieben, nicht nur mit 270.000 DM für die Kulturelle Filmförderung S.-H. DVB-T biete ebenso wie die „im Bundesvergleich vorbildlichen“ Offenen Kanäle eine Plattform für Anbieter der „Geschichten und Geschichtchen vor Ort“, die sich zunehmender Beliebtheit bei den Nutzern erfreuen.
Die nachhinkenden Windmühlen der Politik
Mit der Politik, die der rasanten Entwicklung der neuen Medien meist um ein paar Jahre hinterherhinkt, so ließ nicht nur Wienholtz durchblicken, hat der Medienrat allerdings manchmal so seine Müh‘. Dass seit Jahren ergebnislos über eine Neuordnung der Rundfunk- und Medienkontrolle verhandelt wird, nervt manches Medienrats-Mitglied inzwischen. Dabei liegen die Vorschläge des Medienrats und der ULR seit langem auf dem Tisch: Im „Bündnis für Programmverantwortung“ setzt man auf eine „staatsferne regulierte Selbstkontrolle“ im Dialog mit den Programmveranstaltern. Die Politik hingegen strebt eine Zentralisierung der Medienaufsicht an, was, so Wienholtz, „der Medienfreiheit eher abträglich wäre“.
Auch bei der „Bündelung von Kompetenzen“ jener „Überzeugungstäter“, die in Schleswig-Holstein Medien machen, appellierte Wienholtz an die Politik, vor allem an das Wirtschaftsministerium. Das jedoch scheint den Ball schon aufgenommen zu haben. Die Studie des Hans-Bredow-Instituts soll mit aktuellen Daten (Evaluierung durch Gisela Budeit, Mitarbeiterin im Ministerium) kontinuierlich fortgeschrieben werden, um der Politik harte Fakten und „weiche Standortfaktoren“ wie den „Faktor Mensch“ als Entscheidungsgrundlage an die Hand zu geben. (jm)