Neue Studie sieht große Chancen für einen „Doku-Boom“ im deutschen Fernsehen
So viel Doku im Fernsehen war selten. Aber wo Doku draufsteht, kann sehr Verschiedenes drinstecken: Von der klassischen Reportage bis zur Doku-Soap. Fast unbemerkt haben sich neue Formen und Formate dokumentarischen Erzählens im Fernsehen entwickelt. Dabei handelt es sich nicht um eine Programm-Nische. In den TV-Vollprogrammen werden monatlich etwa 1.500 Dokumentationen gezeigt, mit einem Programmvolumen von etwa tausend Programmstunden.
Dies sind die zentralen Ergebnisse der Studie „Alles Doku – oder was?“ des Adolf-Grimme-Instituts, die am 22. Juli 2003 in Düsseldorf vorgestellt wurde. Für die Studie wurde das Programmangebot im deutschen Fernsehen des Monats Oktober 2002 analysiert.
„Im dokumentarischen Fernsehen steckt erhebliches Programmpotenzial“, erklärte Bernd Gäbler, Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts, „noch haben aber nicht alle Sender diese Chancen entdeckt. Noch sind dokumentarische Formen vorwiegend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu Hause. Wir prognostizieren aber, dass sich das bald ändern wird.“
„Das dokumentarische Fernsehen wird formatiert“, sagte der Autor der Expertise, der Medienpublizist Fritz Wolf. „Der Schlüsselbegriff der Expertise ist: das Format. Von fiktionalen Geschichten wie ‚Tatort‘ oder ‚GZSZ‘ wissen die Zuschauer genau, was sie erwartet. Diese Gewissheit kehrt jetzt auch ins dokumentarische Fernsehen ein. Sendungen werden als Marken etabliert, in Reihen, Serien oder Mehrteilern abgepackt.“ Das große Autoren-Einzelstück werde zur programmlichen Ausnahme.
Zur Zeit, so zeigt die Expertise, mixten die Programm-Macher Zutaten aus verschiedenen Genres, kreierten neue Mischformen aus Doku und Unterhaltung, aus Fakt und Fiktion. Das Nach-Inszenieren sei für zeitgeschichtliche Dokumentationen fast üblich geworden und manchmal bleibe unklar, ob es sich um fiktive Dokumentationen oder um die Dokumentation eines fiktiven Ereignisses handelt. In den boomenden Reality-Programmen deute sich ein Wandel in der Wahrnehmung dessen an, was künftig als real und als realistisch verstanden wird.
In einer Gesprächsserie mit Filmemachern, Produzenten und verantwortlichen Redakteuren geht Fritz Wolf der Frage nach, wie sich die Formen des Dokumentarischen in der Zukunft ausdifferenzieren werden und welche Schlussfolgerungen dies für Redaktion und Produzenten und Publikum haben wird.
Die Expertise des Adolf-Grimme-Instituts wurde im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), der Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NRW (dfi), des SWR und des ZDF erstellt. Sie erschien in der Reihe LfM-Dokumentation.
Bibliografische Angaben:
Fritz Wolf: „Alles Doku – oder was? Über die Ausdifferenzierung des Dokumentarischen im Fernsehen“
Düsseldorf 2003, LfM-Dokumentation, Bd. 25
Die Broschüre ist leider schon vergriffen, kann aber weiter online auf der Homepage der LfM (PDF-Dokument, 1,7 MB – www.lfm-nrw.de/downloads/allesdoku-kompl.pdf) abgerufen werden.
(nach einer Pressemitteilung der LfM)