2. Film-Workshop der Landesregierung in den Media-Docks Lübeck
Stärkung der Filmkultur und Filmwirtschaft – großer Diskussions- und Kompromissbedarf
Einige Worte vorweg: Trotz aller Schwierigkeiten hat sich das Filmschaffen in Schleswig-Holstein durchaus entwickelt. Als Filmland kann man das Land zwischen den Meeren bei allem guten Willen wohl nicht titulieren. Aber es gibt eine wachsende Filmszene, die sich, begünstigt durch Kulturelle Filmförderung und Förderung durch die MSH, in den letzten 13 Jahren zu einem ernst zu nehmenden kulturellen Faktor gemausert hat. Filmwirtschaftlich gesehen kann man hierzulande sicherlich bisher noch keine Bäume ausreißen. Rund 250 Unternehmen zählen laut Wirtschaftsministerium zur Filmwirtschaft, mit einem jährlichen Umsatz von durchschnittlich je 1,2 Millionen Euro. Was schon anzeigt, dass es sich bei ihnen um kleine bis mittlere Firmen handelt. Als Wirtschaftsfaktor ist der Film also bei uns eher unterbelichtet. Um es klar und deutlich zu sagen: Wir sitzen bestenfalls im Hinterland vom Medienstandort Hamburg. Und nur der NDR mit seinem Landesfunkhaus Kiel ragt aus diesem Flächenstandort heraus.
Dieser Gesamtsituation unausgesprochen Rechnung tragend hatte die Landesregierung zum 2. schleswig-holsteinischen Film-Workshop am 6. Mai nach Lübeck in die Media Docks geladen. Rund 100 Gäste aus der Reihen der Filmschaffenden, von Rundfunk, Multimedia-Unternehmen, Förderinstitutionen und Ausbildungseinrichtungen sollten über Möglichkeiten zur Stärkung der Filmkultur und -wirtschaft diskutieren. Der Gastgeber, Wirtschaftsminister Bernd Rohwer, suchte den „interdisziplinären Dialog um Entwicklungschancen, um Zusammenarbeit und um Förderinstrumente“ und schraubte seine Erwartungen an die Resultate der Tagung hoch: Herausspringen sollte so etwas wie eine „Agenda 2010 für die schleswig-holsteinische Filmwirtschaft“. Doch manch einer im Publikum fragte sich, ob dieses so geschickt gewählt sei, geht es doch ursprünglich bei jenem von der Schröderschen Sozial- und Wirtschaftspolitik geprägten Begriff vor allen Dingen darum, den Gürtel enger zu schnallen – mit fraglichem Ausgang der Methode.
Einleitend verwies Rohwer in seiner Begrüßung darauf, dass die Landesregierung ihre Anstrengungen für die Filmkultur und die Filmwirtschaft nach Möglichkeit aufrecht erhalten wolle: „Die Rahmenbedingungen sind bereits gut. Heute geht es darum, wie wir noch besser zusammenarbeiten können und diese Bedingungen noch optimaler und zielgenauer nutzen.“
„Landarzt“, „Gegen den Wind“ und Kieler „Tatort“ wurden von Rohwer in ihrer Wirkung für das Image des Landes als erheblich gepriesen. Es sei daher richtig gewesen, dass sich das Land im April erstmals bei der weltweit größten Film-Location-Messe in Los Angeles präsentiert habe. Die Landesregierung unterstütze die Filmwirtschaft, wo immer dies möglich sei, „denn das Genre Film hat eine enorme Ausstrahlungswirkung“ und diese dürfe man für das Image und den Tourismusstandort nicht unterschätzen.
Mit der Suche nach einem „scharfen Profil“, durch das sich das Land von anderen Standorten abheben soll, möchte Rohwer Filmschaffenden aus aller Welt die Entscheidung für Schleswig-Holstein als Drehort leicht machen. Mittel dazu sieht er unter anderem in guter Kooperation, technologischen Innovationen der Medienbranche, ausgereiften Fördermöglichkeiten (auch in Form von Public-Private-Partnership). Voraussetzung sei eine qualifizierte Ausbildung von Filmemachern und Technikern.
Dieser zuversichtlichen Einschätzung und Bewertung der Problemlage folgten in den anschließenden Impulsreferaten und Beiträgen der Podiumsdiskussion zum Teil durchaus besorgtere Analysen.
So kritisierte Sytze van der Laan, Geschäftsführer von Studio Hamburg, Daten aus der Mappe der Landesregierung („Filmwirtschaft am Standort Schleswig-Holstein“), die in Form einer kleinen Bestandsaufnahme als Diskussionsvorlage diente, als „weitgehend überholt“. Die Zahl der Beschäftigten sei gesunken, die Zahl der Insolvenzen gestiegen. Van der Laan plädierte für die Trennung von kultureller und wirtschaftlicher Filmförderung und für die Zusammenarbeit aller wirtschaftlicher Förderungen in den nördlichen Bundesländern.
Da sei der Süden dem Norden noch voraus. Auch müsse die Filmwirtschaft in Schleswig-Holstein ein bestimmtes Profil finden, eine „Speerspitze“, auf die man dann alle Anstrengungen richten solle. Diese Suche nach einer „Nische“ durchzog als ein roter Faden die weitere Diskussion. Die Nische wurde relativ bald mit der Sparte Filmmusik besetzt. Mit der habe man etwas Besonderes, das sich gut ins Land des Schleswig-Holstein Musik-Festivals füge, hieß es von mehreren Seiten.
Warum sich die Ausbildung von Nachwuchskräften dafür nun ausgerechnet an der International School of New Media und nicht an der Lübecker Musikhochschule etablieren soll, blieb aber ein Geheimnis, das wohl nur Prof. Dr. Hubertus von Amelunxen von ersterer Einrichtung zu lösen vermag. Wie dem auch sei, der Filmwirtschaft und den relativ vielen kreativen „Einzelkämpfern“ auf dem Gebiet des Films im Lande wird dieser Vorschlag bei der Verbesserung ihrer Situation jedenfalls nicht weiterhelfen.
Mechthild Kaub von der Adolf-Grimme-Akademie regte eine verstärkte überregionale Öffnung und Anbindung der hiesigen Filmszene an, z.B. über die diversen Verbände der Filmschaffenden (z.B. AG-Dok und der Verband der Drehbuchautoren), die leider im Papier der Landesregierung nicht vorkämen. Mit der erfrischenden Unbefangenheit einer Außenstehenden fragte sie, warum das Land nicht zu den Gesellschaftern der MSH gehöre.
Trotz dieser Fragen wurde die Rolle des NDR als größter Produzent und Abnehmer im Lande und besonders seine Position in der MSH erst relativ spät im Laufe der Veranstaltung stärker thematisiert. Friedrich-Wilhelm Kramer, Direktor des Landesfunkhauses in Kiel, stellte fest, dass viele Produzenten gar keinen Partner hätten, wenn es den NDR nicht gäbe, und forderte demgemäß: „Wer die Produzenten stärken will, muss den öffentlich rechtlichen Rundfunk stärken.“
Frank Thomas, freier Produzent im Lande, beklagte demgegenüber die totale Abhängigkeit vom NDR, was sich leider besonders bei der Fördermittelvergabe der MSH zeige. Die meisten Projekte müssten zunächst durch den Sender abgesegnet werden (das heißt, dort einen Sendeplatz erhalten), um förderungswürdig sein zu können. Das sei seiner Meinung nach keine eigentliche Filmförderung. Friedrich-Wilhelm Kramer bestritt dies, verwies auf die Herkunft der Gelder von den Rundfunkgebührenzahlern und ergänzte: „Wir sind nicht dazu da, irgendeine Filmszene zu fördern.“
Wie weit die Meinungen auseinandergehen, zeigte sich auch bei der Frage, ob die Gesellschaftsstruktur der MSH zu erweitern sei. Kramer verneinte dieses Ansinnen erst einmal bis auf Weiteres, während Thomas es für wünschenswert hielt, ebenso Gernot Schumann, Direktor der Landesmedienanstalt ULR, der sich ZDF und Deutschlandradio durchaus als neue Partner neben NDR und ULR in der MSH vorstellen konnte.
Insgesamt zeigte die Veranstaltung, wie viel Diskussionsbedarf im Lande noch vorhanden ist. Ein Fortschritt in der Unterstützung der Filmkultur und Filmwirtschaft scheint möglich, aber wahrscheinlich nur, wenn sich alle zusammenraufen und kompromissfähig zeigen. (Helmut Schulzeck)