Nordische Filmtage Lübeck 2002
(Un-) sichtbare digitale Filmwelten
Der Unsichtbare (Den osynlige)
Das Kino wird digital. Kein Zelluloid surrt mehr durch den Projektor, sondern Pixelwelten entwerfen sich auf der Leinwand. Joel Bergvalls und Simon Sandquists Spielfilm „Der Unsichtbare“ (S 2002, 98 Min., 35 mm/Digital) diente bei den Nordischen Filmtagen als Beispiel für die Zukunft des digitalen Kinos. In einer bislang einzigartigen Projektion wurde er „filmlos“ vorgeführt, als reiner Datenstrom. Das Ergebnis erstaunt durch Detailschärfe, zeigt aber auch die Schwächen des neuen Formats in raschen Schwenks, in denen die Bilder kaum, aber doch sichtbar zu rucken beginnen.
Ob der Zuschauer den Unterschied zwischen einer guten 35 mm-Projektion und dem digitalen Pendant erkannt hätte, wäre er nicht über die technische Neuerung vorab informiert gewesen, bleibt fraglich. Dennoch ist festzustellen, dass die digitalen Kinowelten wenn auch keinen wirklichen Qualitätsgewinn, so doch auch keinen merklichen Verlust bieten. Das neue digitale Kino kann mit seinem über 100jährigen Vorläufer in jedem Fall mithalten. Attraktiv für Produzenten dürfte also im wesentlichen die mögliche Reduktion der Kosten in der voll digitalisierten Distributionsstrecke sein.
Aber auch neue Technik will mit sehenswertem Inhalt gefüllt werden. „Der Unsichtbare“ bleibt dabei konventioneller als seine Technik unkonventionell ist. Ein Plot lässt sich eben nicht digitalisieren. Der hochbegabte Schüler Nicklas (Gustaf Skarsgård) fällt einem Gewaltverbrechen zum Opfer. Als „lebende Leiche“ tappt er „unsichtbar“ durch die noch lebendige Welt und begegnet darin seiner Mörderin, der Mitschülerin Anneli (stringent gespielt von Tuva Novotny). Das gemeinsame Todeserlebnis, als Opfer wie als Täterin, verbindet die beiden schicksalshaft, lässt sie einander erkennen. Ein Exkurs über die verwischenden Grenzen zwischen Opfer und Täter sollte das wohl werden, gelungen scheint dabei aber nur ein gewisses Spannungsmoment. Ansonsten geht der Film über ein Teenie-Movie mit nett inszenierten Mystery-Aspekten à la „Akte X“ und die alte Kino-Frage nach sich selbst, was wirklich, was andererseits unwirklich sei, kaum hinaus. (jm)