16. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide 2012
Interessant und furz-trocken
„Einem Jäger auf der Spur“ (Kay Gerdes und Jess Hansen, D 2011)
Waidmanns Heil und Waidmanns Dank. Man denkt sich bisweilen so seinen Teil, wenn man „Einem Jäger auf der Spur“, die Dokumentation über einen Berufsjäger an der Eckernförder Bucht von Kay Gerdes und Jess Hansen, sieht. Etwa wenn Jäger Christopher von Dollen davon spricht, dass die Jagd auf Raubwild, meistens auf Füchse, aber auch auf Marder, vor allem deshalb nötig sei, damit das so genannte Niederwild eine Chance hat. Sonst bekäme man kaum mehr Hasen, Fasanen oder Rebhühner zu sehen – oder vor die Jagdflinte, möchte man milde polemisch hinzufügen. Hat man doch gerade zu Beginn des sehr interessanten dreiviertelstündigen Films gesehen, wie von Dollen und ein Kollege Meister Lampe auf winterlichem Feld „abschießen“. Und hatte man nicht in der Schule gelernt, dass Rotfüchse als Allesfresser besonders die Feldmauspopulation niedrig halten. So grübelt man noch, während von Dollen bilanziert, dass in seinem Revier bis zu 40 Füchse im Jahr erbeutet werden, und man es damit gerade so schafft, dem Niederwild das Überleben zu sichern. Ohne diese Bejagung hätte man den Kampf schon verloren. Tatsache oder selbstsichere Rechtfertigung, fragt man sich, ohne es endgültig zu wissen. So gibt es manch eine Stelle im Film, die einen nachdenklich macht, auch wenn der Jäger sicherlich nicht zu unrecht versichert, dass das Image seines Berufes sich in der letzten Jahren erheblich verbessert habe.
Bei der Entenjagd
Doch Interpretationen und kritische Gedanken bleiben dem Zuschauer überlassen. Den Filmemachern Gerdes und Hansen geht es vor allem darum, einen unverstellten Blick auf den Jägerberuf zu werfen, zu zeigen, wie fachmännisch gerecht jemand sein Waidwerk ausübt. Der Jäger erzählt von seinem beruflichen Werdegang, kommentiert die vom Film auch im Bild vielfach begleitete Jagdpraxis, sein persönliches Ethos und Berufsselbstverständnis und anderes. Dieser vielfältige, nüchterne und dennoch spannende Blick auf den Alltag eines Berufsjägers erhebt sicherlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, doch klärt er über viele Dinge im Jägerleben auf und gibt zugleich gewollt oder ungewollt Ansatzpunkte zu einer produktiven, bisweilen, wie oben angedeutet, auch kritischen Diskussion dieses Berufs.
Das kleine Filmteam, nur Gerdes (Kamera) und Hansen (Ton), begleitet von Dollen durch die winterlich verschneiten Fluren, bei Jagd auf Has’ und Fuchs, nimmt an einer Treibjagd auf Reh- und Dammwild teil, sitzt mit einem „Meisterschützen“ beim tödlichen Schuss auf dem Hochsitz, lässt sich aber auch von von Dollen die Abrichtung seiner Jagdhunde kursorisch erläutern und vorführen oder begleitet ihn zu Naturlehrstunden mit Ferienkindern in den heimischen Sommerwald. Ehefrau Steffi von Dollen erzählt davon, wie ihre Tätigkeit das Berufsleben ihres Mannes sinnvoll und, wie er an anderer Stelle im Film meint, für ihn unverzichtbar ergänzt.
Mit einem Marder beim Jagdhund Abrichten
Christopher von Dollen spricht scheinbar gerne von „Kreaturen“, wenn er die zu jagenden oder zu verschonenden Tiere meint, bekennt lächelnd seine schon früh bei ihm geweckte Jagdleidenschaft und dass er seinen Traumberuf ausübe. Ohne diesen wäre er beruflich nach eigenen Worten „schwer vermittelbar“. So entwickelt der Film in seiner sachlichen Art ein doch persönliches Berufsporträt. In seiner gekonnten Nüchternheit, die gerade der dokumentarischen Darstellung dieses Themas einmal sehr gut ansteht, ist der Film auf der anderen Seite so, man verzeihe mir den folgenden drastischen Ausdruck, der aber hier positiv gemeint ist, „furz-trocken“, dass man nur staunen kann. (Helmut Schulzeck)
„Einem Jäger auf der Spur“, Deutschland 2011, 44 Min., Buch und Regie: Kay Gerdes und Jess Hansen, Kamera: Kay Gerdes, Ton: Jess Hansen, Schnitt: Kay Gerdes, Projektförderung der Filmwerkstatt Kiel der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein GmbH (FFHSH)