53. Nordische Filmtage Lübeck 2011

Popmusik und volle Windeln

„Schief gewickelt“ (Lars Becker, D 2011)

Für Musikmanager Eddy (Ken Duken) scheint es trotz schwierigem Wandels im Popmusikmarkt keine Krise zu geben. Porsche, großes Loft und ein lockeres Leben, auch mit dem anderen Geschlecht, zeugen von einem eher hedonistischen Lebenswandel, der Zukunftsangst kaum zulässt – trotz aller Menetekel einer sich mit der Schnelllebigkeit des Internets behaupten müssenden Musikbranche (was nur mit ein paar lockeren Sprüchen im Film angedeutet wird). Sein Chef Möbius (Uwe Ochsenknecht) von Global Records macht zwar Druck, denn auch die amerikanische Konzernmutter will Erfolge sehen. Eddy soll so schnell wie möglich den Vertrag mit dem kommenden Popstar Eloise (Julie Engelbrecht) unter Dach und Fach bringen. Da Eddy jedoch mit Eloise liiert ist und ihr vor versammelter Mannschaft im Tonstudio einen Heiratsantrag macht, scheinen alle Probleme aus dem Weg geräumt. Wenn da nicht Mona (Cosima Shiva Hagen) mit ihrem Kleinen wäre, dem Resultat eines One Night Stands, von dem Eddy allerdings vorerst nichts weiß, bis Mona anfängt, ihm anonym vollgeschissene Pampers per Post in Haus zu schicken, und der vermeintliche Papa mit seinem Chef grotesk amüsante Nachforschungen anstellt. Warum Mona das macht, scheint vordergründig nicht plausibel, will sie doch angeblich unabhängig bleiben, einen Coffeeshop aufmachen und sich dem Vater ihres Kindes gar nicht offenbaren. Sie hofft aber wohl, wie Aschenputtel von ihrem „Prinzen“ gefunden zu werden, bloß dass dieser keine verlorenen Schuhe sondern nur infantile Fäkalien samt Verpackung als Ausgangspunkt für seine Suche hat.
Uwe Ochsenkneckt (Mitte) in „Schief gewickelt“ (Foto: NFL)
Die Geschichte von „Schief gewickelt“ gelingt die ersten zwei Drittel und somit auch der Film. Witzige Nebenhandlungen, kleine spaßige Gags, ein routiniert ironisches Spiel mit den Klischees der Popmusikbranche und eine mit Lust agierende Schauspielertruppe machen das „Popmärchen“ unterhaltsam. Das ganze ist gekonnt mit leichter Hand vor winterlichen Kulisse Hamburgs in Szene gesetzt. Ein professioneller Standard-TV-Spaß (Produktion im Auftrag des ZDF) der amüsanten Art, der trotz einiger aufgesetzter Volten zu gefallen weiß. Doch dann ist den Drehbuchautoren (Daniel Schwarz, Thomas Schwebel und Lars Becker) anscheinend die Luft ausgegangen. Zwei Brüche bzw. nicht plausible Wendungen in der Geschichte rauben dem Zuschauer das Vergnügen. All zu konstruiert und wenig begründet entwickelt sich das Geschehen. Vermeintliche Vaterschaft und Liebesheirat werden schnell „abgewickelt“. Man fühlt sich düpiert, überrumpelt statt überrascht. Da kann Lars Beckers Regie auch nichts mehr retten, zu aufgesetzt wirkt auch das finale kleine Glück von einsichtigem Verzicht und Selbstbescheidung.
Was bleibt, ist vor allen Dingen eine gelungene erste Filmstunde und ein trefflich spielendes Darstellerensemble. Immerhin. (Helmut Schulzeck)
„Schief gewickelt“, Deutschland 2011, 90 Min., HDCAM, Regie: Lars Becker, Buch: Daniel Schwarz, Thomas Schwebel, Lars Becker, Kamera: Hannes Hubach, Schnitt: Sanjeev Hathiramani, Musik: Hinrich Dageför, Stefan Wulff, Darsteller: Ken Duken (Eddy Brennfleck), Cosma Shiva Hagen (Mona), Julie Engelbrecht (Eloise), Uwe Ochsenknecht (Möbius), Alexander Scheer (Vincent), Zora Holt (Trudy), Produktion: Wolfgang Cimera, Bettina Wente, Network Movie Köln für das ZDF, der Film ist noch nicht ausgestrahlt worden.
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