Vergnügliche Herzensangelegenheiten
„The Good Heart“ (Dagur Kári, Island, Dänemark, USA 2009)
Wann hat jemand ein gutes Herz? Wenn er gutmütig ist? Freigiebig? Hilfsbereit? Oder wenn das Organ einwandfrei funktioniert? Lucas (Paul Dano) hat ein zu gutes Herz. Das kann in einer auf Besitzvermehrung ausgerichteten Gesellschaft nicht gutgehen. Er will immer geben, meist mehr als er bekommen hat. Lucas ist jung, obdachlos und hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Im Krankenhaus in New York trifft er auf Jacques (Brian Cox), einen herzkranken Barbesitzer, der eine seltsame Mischung aus Genussmensch und Misanthrop darstellt. Jacques mag Lucas“˜ Leid nicht mit ansehen und sucht nach einem Nachfolger. Also nimmt er den jungen Mann zu sich und bildet ihn in der Kunst des Barkeepings aus.
Was nun folgt, basiert wesentlich auf einem wiederkehrenden Muster: Jacques stellt Aufgaben, an denen Lucas zwar scheitert, aber immer aus guter Absicht heraus. Die – vermeintlichen – Regeln für eine Bar entsprechen nicht Lucas’ Charakter. Er würde nie eine Frau hinauswerfen, Laufkundschaft absichtlich vergraulen oder gar unfreundlich sein. Das ist zwar nicht originell, aber sehr charmant und rührend dargeboten. Die düstere Bar wirkt in ihrer Stimmung wie ein zeitloses Paralleluniversum. Nie hat man in ihrem Inneren auch nur eine leise Idee einer Tageszeit. Was aber für die Zeit glänzend funktioniert, versagt beim Geld. Wie die Bar so viel abwerfen soll, wie nahegelegt wird, bleibt unklar. Ebenso wann die offensichtlich rund um die Uhr anwesenden Stammgäste arbeiten gehen. Das kommt eher schlampig als geheimnisvoll rüber.
Irgendwann betritt eine gescheiterte Flugbegleiterin die Bar. Sie ist ein Engel, der Flugangst hat, heißt April, bringt Lucas den Frühling und bleibt. Jacques jedoch empfindet ihre Anwesenheit als Verrat am Ideal der Bar, und so entsteht der erste echte Konflikt. Auch er: eine Herzensangelegenheit.
Die Herzmetapher wird sehr stark strapaziert, April ist eher eine Fantasie als eine Figur, und alle dramatischen Ereignisse sind ein wenig zu sorgfältig vorbereitet. Dennoch ist „The Good Heart“ ein Film auf der Habenseite. Den Darstellern zuzusehen, bereitet außerordentliches Vergnügen. Paul Dano und Brian Cox fügen ihren Figuren Dimensionen hinzu, die die Handlung allein kaum hergegeben hätte. Auch das Ende, auf das alles hinausläuft, ist überraschend und sehr offen gelöst – und wird hier nicht verraten. Dagur Kári, der vor einigen Jahren mit „Dark Horse“ in deutschen Kinos vertreten war, hat dessen Surrealismus abgelegt. Man hätte sich gewünscht, dass er nicht stattdessen so viel amerikanische Drehbuchroutine in seinen Film gelassen hätte. (Sven Sonne)
„The Good Heart“, Island, Dänemark, USA 2009, 95 Min., Regie: Dagur Kári: Weitere Aufführungen beim Filmfest Hamburg: Do, 7.10., 21.45 Uhr, Abaton (Allende Platz 3), Sa, 9.10. 20 Uhr, B-Movie (Brigittenstr. 5).