50. Nordische Filmtage Lübeck

Zwiespältige Genreübung

„Gonger“ (Christian Theede, D 2008)

EinHorror-Mystery-Thriller mit Schauplatz an der Nordsee-Küste ist ein Wagnis. Nicht etwa, weil es keine passenden Geistererzählungen gäbe. Ganz im Gegenteil, der „Gonger“ ist eine authentische Volkslegende vom Widergänger im Watt, der seinen Tod an den Enkeln seiner Mörder rächt. Aber der deutsche Film hat keine durchgehende Tradition im Erzählen von Grusel- oder Geistergeschichten. Und aller Anfang hat es bekanntlich schwer.
Den Anfang gewagt hat ProSieben. Der private TV-Sender will zusammen mit der Hamburger Produktionsfirma Filmpool an den Erfolg des TV-Thrillers „Fleisch“ (D 2007) anknüpfen und schob deshalb ein weiteres Mystery-Projekt an. Der profilierte Jung-Regisseur Christian Theede, vielen bekannt durch seine einfallsreichen Clips für und die Dokumentation über die Hamburger Band „Superpunk“, setzte das Drehbuch von Ben Bernschneider und Erol Yesilkaya um. Die Autoren haben zuvor gemeinsam die „erste deutsche Mystery-Horror-Underground-Soap“ geschrieben, gedreht und unter
„Gonger“ beginnt mit der Rückkehr des jungen Großstädters Phillip in seinen Heimatort an der Nordseeküste. Nach 20 Jahren will er die Villa seines Großvaters zu verkaufen, in der seine Eltern einst bei einem Unfall grausam ums Leben kamen. Nach dem Wiedersehen mit vier Jugendfreunden häufen sich jedoch die Zeichen eines bevorstehenden Unheils. Helma, das einzige Mädchen in Phillips alter Clique, träumt von einem kleinen Jungen, der im Watt ermordet wurde, und den Tod eines der Jugendfreunde ankündigt. Tatsächlich wird dieser bald darauf an Land ertrunken aufgefunden. Helma überzeugt Phillip, dass ein Gonger umgeht und erst Ruhe geben wird, wenn sein Mord öffentlich wird. Die beiden stoßen bald auf erste Spuren, doch sie werden von den Einheimischen bei ihren Ermittlungen behindert. Derweil fordert der Gonger weitere Opfer.
Zwiespältige Widergänger des Horrorgenres: „Gonger“ (Foto: NFL)
Die Autoren haben für die Konstruktion ihrer Geschichte Versatzstücke aus amerikanischen Genre-Klassikern von „Der Nebel des Grauens“ (John Carpenter, 1980) bis „Das Omen“ (Richard Donner, USA 1976) oder den neueren japanischen Horror-Streifen „The Ring“ (Hideo Nakata, 1998) und „On Missed Call“ (Takashi Miike, 2003) zusammengetragen. Die Vorbilder bleiben aber so deutlich erkennbar, dass Genre-Kenner geradezu zum unvorteilhaften Vergleich gereizt werden. Insbesondere John Carpenters Geschichte über ein Küstenstädtchen, das von nebelumhüllten Geistern aus unrühmlichen Pioniertagen heimgesucht wird, scheint als Blaupause gedient zu haben. Von der Rache an den Nachfahren der Mörder über das „Ertrinken an Land“ bis zum Showdown in der Kirche gibt es reichlich Parallelen, auch in den Produktionsbedingungen. John Carpenter musste damals seinen Film ebenfalls mit äußerst geringen Budget bewerkstelligen und sah sich zudem nach David Cronenbergs Erfolg mit dem Splatter-Film „The Scanners“ (1980) gezwungen, explizite Gewaltszenen nachzudrehen, um dem Durst des Publikums nach mehr „Gore“ gerecht zu werden. Dass „Gonger“ kaum Blut zeigt, ist sicher den Konventionen des Sendeplatzes geschuldet. Hardcore-Horror-Fans wird „Gonger“ deshalb aber eher kalt lassen.
Dem Geheimnisvollen wird leider keine rechte Chance gelassen, die Legende um den Gonger wird noch vor dem ersten, dann nicht mehr mysteriösem Todesfall explizit erläutert. Die schnelle Exposition verhindert vielleicht ein vorzeitiges Wegzappen bei der TV-Ausstrahlung, aber die Aneinanderreihung von Spannungsmomenten ersetzt keine Stimmung. Eine Geistergeschichte verträgt sich zudem nicht wirklich mit Humor, selbst ein „comic relief“ will erstmal durch kontinuierliche Nervenanspannung verdient sein. Deshalb wirken groteske Situationen, witzige Einzeiler und zu viele Action- oder Spannungs-Momente eher kontraproduktiv, denn sie wirken nur oberflächlich und rühren nicht an den für Gänsehaut notwendigen, subtilen Ängsten.
„Gonger“ neigt im Erzählgestus ein wenig zur Parodie. Aber nicht so eindeutig und zitatenreich, als dass er als Insiderspaß für Genre-Fans und rasante Gruselkomödie für den unbedarften Zuschauer gelten dürfte. Ein wenig scheint es, als hätte die Redaktion des Senders zu viele Zielgruppen bedienen oder nicht verprellen wollen. Zu viele Kompromisse aber schaden dem Film. (dakro)
Gonger, D 2008, 93 Min., DigiBeta, Regie: Christian Theede, Buch: Ben Bernschneider, Christian Teede, Erol Yesilkaya, Kamera: Peter Steuger, Schnitt: Sönke Saalfeld, Darsteller: Sebastian Ströbel, Teresa Weißbach, Daniel Zillmann, Vadim Glowna, Bela B. Felsenheimer u. a.
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