50. Nordische Filmtage Lübeck

Spannender Polit-Thriller

„Was niemand weiß“ (Søren Kragh-Jacobsen, DK 2008)

Nach dem Anschlag auf die New Yorker Twin Tower wurden weltweit die Rufe nach verschärften Sicherheitsmaßnahmen gegen den Terrorismus laut. Gegen die Bedenken von Datenschützern nimmt die Überwachung von Bürgern in allen Lebensbereich neue Dimensionen an. Eine Entwicklung, die in Dänemark durch die stete Zunahme von Überwachungskameras besonders spürbar sei, so Søren Kragh-Jacobsen bei der Vorführung seines zehnten Spielfilms auf den Nordischen Filmtagen. Der renommierte dänische Regisseur und Mitbegründer des Dogma-Manifestes („Mifune“, DK 1999) bearbeitet das Thema in Form eines klassischen Polit-Thrillers.
Thomas ist leidlich erfolgreicher Komponist von Kinderliedern. Sein Puppenspiel kommt bei den Kleinen gut an, seiner pubertierenden Tochter sind seine Auftritte an ihrer Schule eher peinlich. Seine Ehe steht kurz vor dem Aus, seine Mutter redet ihm ins Gewissen, endlich Erwachsen zu werden. Einzig seine jüngere Schwester Charlotte nimmt den End-Dreißiger wie er ist. Als Charlotte bei einem Badeunfall ums Leben kommt, will es Thomas nicht bei der offiziellen Erklärung belassen und findet im Nachlass der Schwester mysteriöse Hinweise auf ein geheimes, militärisches Projekt, in das Thomas verstorbener Vater verwickelt scheint. Thomas Nachforschungen rufen schon bald finstere Agenten auf den Plan, die Thomas und seine Familie nicht nur lückenlos überwachen, sondern auch vor Mord nicht zurückschrecken. Ein ehemaliger Kollege des Vaters bringt ihn auf die Spur eines Geheimbundes, der seinen Ursprung in der Kommunisten-Paranoia des Kalten Krieges hat. Thomas steht unversehens vor der Entscheidung, die Wahrheit ans Licht zu bringen oder sein Leben und das seiner Familie zu retten.
Die Wahrheit kommt ans Licht: „Was niemand weiß“ (Foto: NFL)
Kragh-Jacobsen und sein Co-Autor Rasmus Heisterberg haben zwar den groben Plot einem Agentenroman entliehen, aber ihrer Geschichte durch Recherche in den Analen der dänischen Geheimdienstgeschichte eine reale Dimension verliehen. Tatsächlich waren in Dänemark am Ende 2. Weltkrieges 2.000 Agenten aktiv, die während des Kalten Krieges gegen die kommunistische Unterwanderung eingesetzt wurden. Erst vor wenigen Jahren wurde ein Geheimbund von einem dänischen Minister offiziell aufgelöst.
Handwerklich routiniert und geradlinig erzählt Søren Kragh-Jacobsen in guter Verschwörungs-Thriller-Tradition „Was niemand weiß“. Der Film entfaltet eine paranoide Unruhe durch die Handkamera von Kameramann Morten Søborg und den ungewöhnlichen Soundtrack von Kare Bjerko und Anders Trentemöller, einem dänischen Techno- und House-Musiker und -Produzenten. Doch es sind die nachvollziehbaren Figuren mit alltäglichen Problemen, die den Zuschauer in die Geschichte ziehen. Allen voran Thomas, der in der erzwungenen, postumen Auseinandersetzung mit seinem Vater erkennen muss, dass sich die vermeintliche väterliche/staatliche Über-Fürsorge gegen die eigenen Kinder wendet. Ein Überwachungsstaat spaltet letztendlich seine eigene Gesellschaft. (dakro)
„Was niemand weiß“, DK 2008, 99 Min., 35 mm, Regie: Søren Kragh-Jacobsen, Buch: Rasmus Heisterberg, Søren Kragh-Jacobsen, Kamera: Morten Søborg, Schnitt: Anne Østerud, Musik: Kare Bjerko, Anders Trentemöller, Darsteller: Anders W. Berthelsen, Maria Bonnevie, Ghita Norby, Marie LuiseWille u. a.
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