Sieben Kurzfilme, viel Applaus – und ein Blick auf den Filmnachwuchs im Land
Kiel, Sonntag, 23. November 2025 – Im Studio Filmtheater Kiel wurden beim Finale des Jugend-Film-Fests Schleswig-Holstein 2025 sieben Kurzfilme von jungen Filmschaffenden gezeigt. Viele der Beteiligten sind noch Schüler:innen, andere stehen kurz vor Ausbildung oder Studium – doch etliche Arbeiten wirkten technisch bereits erstaunlich professionell.
Das Jugend-Film-Fest wird vom Landesverband Jugend & Film Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Internationalen Bildungsstätte Jugendhof Scheersberg organisiert. Das Festivalwochenende findet auf dem Scheersberg statt, das Finale mit den nominierten Filmen traditionell im Studio-Kino in Kiel. Für die jungen Teams ist das der Moment, in dem ihre Filme nicht mehr nur im Klassenraum oder auf dem Laptop laufen, sondern auf großer Leinwand vor einem echten Kinopublikum.
Durch den Abend führten Ingo Mertins, Johann Schultz und Friederike Ortmann. Sie moderierten das Programm souverän, gingen mit dem Mikrofon durch den Saal, holten Stimmen aus dem Publikum ein und nahmen besonders die Fragen der ganz jungen Filmschaffenden ernst. Die Atmosphäre war locker und gleichzeitig sehr respektvoll – der Nachwuchs wurde hier sichtbar nicht nur gezeigt, sondern als Teil der Filmszene ernst genommen.
Preise und Preisträger:innen
- Jugend-Film-Preis SH: „Gedanken“, Regie: Jelle Fischild (14), Sülfeld
- Nachwuchs-Film-Preis SH: „Alles was kommt“, Regie: Junit Weber (26) und Johanna Würbs (26), Kiel
- Schul-Film-Preis SH: „Freiheit“, Regie: Anastasila Vorobiova (16), Gymnasium Schwarzenbek
– den Preis nahm stellvertretend Lehrer Martin Simonsen entgegen - Publikumspreis SH: „Liebe Ella“, Regie: Laura Vanessa Schultz (17)
Jury: Jackie Gilles, Deborah Reinmüller, Timo Asmussen.
Die Filme im Finale
„Low Contact, No Contact“ – Regie: Mortimer Steffen (24), Lübeck
„Low Contact, No Contact“ eröffnet den Abend mit einer klar zugespitzten Konfliktlage: Eine Jugendliche lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, im eigenen Elternhaus stößt sie dafür auf Unverständnis bis hin zur Ablehnung. Der Film folgt ihrem Versuch, sich aus dieser belastenden Situation zu lösen. Formal setzt Steffen auf eng gefasste Bilder im 4:3-Format, die das Gefühl von Kontrolle und Eingesperrt sein verstärken. Eine eigens komponierte Musik ist eingesetzt und stützt die emotionale Spannung. Der Kurzfilm macht deutlich, wie verletzend fehlende Anerkennung queerer Lebensrealitäten im familiären Umfeld wirkt und zeigt, dass junge Filmschaffende solche Themen mit großer Ernsthaftigkeit und Präzision ins Bild setzen können.
„Fette Beute“ – Regie: Hannes Ströh (26), Lena Joeres (24), Lein Sania (25), Kiel/Lübeck
„Fette Beute“ setzt auf Tempo und Humor: In nur 48 Stunden geschrieben, gedreht und geschnitten, erzählt der Film eine überdrehte Verfolgungsjagd, ausgelöst durch ein Missverständnis (Spoilerwarnung:) um ein Stück Butter. Das Team spielt sichtbar mit Genre-Mustern, überzeichnet Figuren und Situationen und hält das Tempo konsequent hoch. Hinter dem skurrilen Plot steckt aber mehr als reine Klamotte: Zwischen Hektik, Missverständnissen und Überreaktionen blitzt ein satirischer Blick auf Konsum, Preise und Alltagsdruck auf.
„Freiheit“ – Regie: Anastasila Vorobiova (16), Gymnasium Schwarzenbek
„Freiheit“ ist als künstlerische Collage angelegt: Stimmen junger Menschen, kurze Texte und Bildfragmente fügen sich zu einem vielsprachigen Kommentar über Frieden zusammen. Übersetzungen und Untertitel wurden teilweise mit KI-Unterstützung erstellt – ein Hinweis darauf, wie selbstverständlich digitale Werkzeuge inzwischen auch im Jugendfilm genutzt werden. Die Montage bleibt bewusst assoziativ, die Bildsprache eher andeutend als erklärend. Der Film formuliert seine Botschaft nicht frontal, sondern legt im Zusammenspiel von Ton und Bild immer wieder nahe, worum es vielen im Kern geht: den Wunsch nach Frieden, auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. „Freiheit“ zeigt, wie sich politisches Bewusstsein und experimentelle Form im Schulkontext überzeugend verbinden lassen.
„Vergissmeinnicht“ – Regie: Kaya Mehlüh (17), Halstenbek
„Vergissmeinnicht“ erzählt von Erinnerung – und davon, wie es ist, wenn innere Bilder fehlen. Eine Protagonistin versucht, sich an eine wichtige Person in ihrem Leben zu erinnern, ohne auf innere Bilder zurückgreifen zu können. Der Film ist ruhig gebaut, arbeitet mit wenigen, klar gesetzten Einstellungen und einem konzentrierten Off-Text, auf den man sich ganz einlassen muss. „Vergissmeinnicht“ eröffnet den Blick auf eine neurodivergente Perspektive auf Erinnerung, in der innere Bilder fehlen, und macht diese Erfahrung emotional nachvollziehbar. Der Beitrag zeigt, welches inhaltliche und erzählerische Niveau der Filmnachwuchs in Schleswig-Holstein bereits erreichen kann.
„Gib mir ein Zeichen“ – Regie: Laura Vanessa Schultz (17), Norderstedt
„Gib mir ein Zeichen“ erzählt von Freundschaft und Gebärdensprache. Die Regie setzt auf Blicke, Gesten und viele kleine Momente, in denen Verständigung auch ohne gesprochene Worte gelingt. Sprache wird hier sichtbar – nicht nur hörbar. Ein wiederkehrendes Kartenspiel taucht als kleines Markenzeichen der Regie im Film auf und sorgt für Wiedererkennung. Insgesamt wirkt der Beitrag sehr durchdacht und zeigt, dass Inklusion filmisch auch selbstverständlich erzählt werden kann. Regie und Teile des Teams haben sich sogar eigens für den Film Gebärdensprache beigebracht.
„Alles was kommt“ – Regie: Junit Weber (26) und Johanna Würbs (26), Kiel
„Alles was kommt“ stellt zwei Freundinnen in den Mittelpunkt und wechselt zwischen früher und heute: Jugend, Nähe und gemeinsame Rituale auf der einen Seite, spätere Begegnungen im Erwachsenen leben auf der anderen. Die Zeitebenen sind ineinander verschränkt, ohne große dramatische Zuspitzungen. Der Film arbeitet vor allem über Atmosphäre, Blicke, Zwischentöne und den Kontrast zwischen den beiden Zeiten. So entsteht ein leiser Coming-of-Age-Film, der spürbar macht, wie sich Freundschaft über die Jahre verändern und nachwirken kann.
„Gedanken“ – Regie: Jelle Fischild (14), Sülfeld
Vor der Pause läuft „Gedanken“: Kinder spielen, singen und erfinden ihre eigenen kleinen Welten. Auffällig sind die farbige, sorgfältige Bildgestaltung sowie Kostüme und Ausstattung – alles wirkt dynamisch, lebendig und stimmig komponiert. Im Verlauf bricht der Film diesen Eindruck bewusst und setzt einen starken Kontrast. „Gedanken“ beobachtet seine Figuren mit Ruhe und Präzision und macht spürbar, wie viel im Kopf eines Kindes entstehen kann. Entscheidender als eine konkrete Wendung ist hier das Erlebnis, wie frei kindliche Vorstellungskraft sein kann.
Fazit
Das Finale des Jugend-Film-Fests fand auch in diesem Jahr im Studio Filmtheater Kiel statt – diesmal in Saal 2, dem kleineren Saal, der an diesem Sonntagnachmittag aber gut gefüllt war. Für die jungen Teams zählt vor allem, dass ihre Filme im richtigen Kino laufen: mit guter Projektion, vollem Ton und einem Publikum, das über die eigene Klasse hinausreicht.
Auffällig ist, wie souverän viele Beiträge bereits wirken: klar gestaltete Bilder, nachvollziehbare Montagen, bewusste Entscheidungen in Format und Erzählweise. Inhaltlich reicht das Spektrum von sehr persönlichen Geschichten bis hin zu offen politischen Arbeiten – es mangelt dem Nachwuchs nicht an Themen, sondern eher an Sichtbarkeit.
Genau da setzt das Jugend-Film-Fest an. Was Landesverband Jugend & Film Schleswig-Holstein und Jugendhof Scheersberg hier seit Jahren organisieren, ist für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein deutlich mehr als ein nettes Wochenendprojekt: Es gehört zu den wenigen verlässlichen Orten, an denen junger Film im Land regelmäßig sichtbar wird. Das Finale zeigt, welche Filmstimmen gerade heranwachsen – ein Bild, das sich Vertreter:innen von Filmförderung und Kulturpolitik nicht entgehen lassen sollten.