Im Herbst und Winter 2025/2026 zeigt das Kino in der Pumpe in Kiel elf Langfilme von Stanley Kubrick, darunter auch den epischen Film „Spartacus“, dessen Regie Kubrick auf Bitte von Produzent und Hauptdarsteller Kirk Douglas vom Hollywood-Altmeister Anthony Mann übernahm.
Im Gegensatz zu vielen eher konventionellen epischen Stoffen überrascht „Spartacus“ immer wieder mit seinen gegen den Zeitgeist gerichteten politischen Untertönen und einem Wagemut in der Darstellung homoerotischen Begehrens.
Epische Monumentalfilme erlebten in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren eine zweite Blütezeit. Ihre erste hatten sie in den 1920er-Jahren, zu Beginn der Geschichte Hollywoods und seiner allmächtigen Studios und Hollywood-Tycoons. Filme wie „Quo Vadis?“ (1951), „Das Gewand“ (1953), „Die zehn Gebote“ (1956) und „Ben Hur“ (1959) wurden erfolgreich recycelt, und neue Stoffe wie „Spartacus“ (1960) und „Cleopatra“ (1963) füllten die Kinosäle und boten historische Spektakel in nie dagewesener Größe – vergleichbar mit der Dominanz, die Superheldenfilme heute im Blockbuster-Kino haben.
Diese Phase der Konsolidierung der amerikanischen Filmbranche ging einher mit der politischen Verfolgung und Repression sozialistischer und kommunistischer Aktivisten und Intellektueller in den Nachkriegsjahrzehnten. Die Angst vor sowjetischer Einflussnahme und der so genannten „Red Scare“ gaben dem politisch ultrarechten FBI-Chef Edgar Hoover und Senator Joseph McCarthy den Rückhalt für Tribunale vor dem „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ (HUAC) und die Verhängung von Berufsverboten. Der Beginn des Kalten Krieges hatte enorme Auswirkungen auf die innenpolitische Atmosphäre der USA.
Die 1950er-Jahre waren auch die Zeit der großen Hollywood-Stars, die zunehmend Interesse an eigenen Produktionen entwickelten – darunter Burt Lancaster und Kirk Douglas mit seiner Firma Bryna Productions. Douglas hatte die Hauptrolle in „Ben Hur“ an Charlton Heston verloren und suchte nach einem ähnlichen Stoff. Auf Empfehlung las er den Roman „Spartacus“ (1951) von Howard Fast und erwarb auf eigene Kosten eine Option für die Verfilmung. Die Geschichte eines Individuums im Widerstand gegen das Römische Imperium bot die perfekte Grundlage für einen Anschlusserfolg an „Ben Hur“, der 1959 sämtliche bisherigen Rekorde an Zuschauerzahlen und Academy Awards brach.
Kirk Douglas’ Entscheidung: Ein Akt des Widerstands
Howard Fast, der Autor des Romans, stand wegen seiner kommunistischen Überzeugungen auf der sogenannten „Hollywood Blacklist“. Zahlreiche Schauspieler, Drehbuchschreiber, Regisseure und Musiker standen wegen ihrer früheren, bestehenden oder vermeintlichen Mitgliedschaft in bzw. Sympathie für die Kommunistische Partei der USA (CPUSA) auf dieser Liste und waren mit Berufsverbot belegt. Auch die Weigerung, Namen von vermeintlichen Mitgliedern oder Sympathisanten preiszugeben, führte zu Berufsverboten in der amerikanischen Filmindustrie. Trotzdem erwog Kirk Douglas die Verfilmung des Buches; er war von der Geschichte des aufständischen Sklaven tief beeindruckt. Für ihn war sie eine Parabel über Freiheit, Würde und Unterdrückung.
Fast hatte eine erste Drehbuchfassung verfasst, die Douglas jedoch zu schwach und zu didaktisch fand. Er wandte sich an Dalton Trumbo, der ebenfalls auf der Schwarzen Liste stand. Trumbo, einer der „Hollywood Ten“, hatte sich in den späten 1940er-Jahren geweigert, vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe auszusagen, und durfte seither nicht mehr offiziell arbeiten. Diese erste Reihe von Berufsverboten ließ die meisten Hollywood-Studios zusammenzucken, die umgehend das Berufsverbot umsetzten und ohne Aufforderung strenge Kontrollen bei der Einstellung von Kreativen einführten. Douglas, der Trumbos Talent kannte („Roman Holiday“, „Thirty Seconds Over Tokyo“), bot ihm dennoch an, das Drehbuch zu schreiben. Er nutzte seine Position als Produzent und setzte durch, dass Dalton Trumbo im Vorspann genannt wurde – ein offener Bruch mit der Blacklist. Das löste Empörung konservativer Kreise aus, doch Douglas blieb standhaft. Später schrieb er in seiner Autobiografie: „Ich war es leid, Feiglinge um mich herum zu sehen. Ich wollte das Richtige tun.“ Die Entscheidung gilt als Wendepunkt: Kurz nach der Veröffentlichung von „Spartacus“ begann das Ende der Hollywood-Blacklist.
Als „Spartacus“ in die Kinos kam, versuchten konservative Aktivisten und Gruppen, den Film zu boykottieren. John F. Kennedy, damals Präsidentschaftskandidat, besuchte dennoch öffentlich eine Vorstellung und überquerte demonstrativ die „Picket Lines“ – ein symbolischer Akt, der die politische Bedeutung des Films zusätzlich unterstrich.
Stanley Kubrick: Ein Regisseur ohne kreative Kontrolle
Stanley Kubrick übernahm das Projekt 1960, nachdem Douglas den ursprünglichen Regisseur Anthony Mann entlassen hatte. Kubrick kannte Douglas von „Paths of Glory“ (1957) und galt als hochbegabter Regisseur. Doch bei „Spartacus“ hatte er keine kreative Endkontrolle: Drehbuch, Besetzung und Produktionsstil waren vorgegeben. Universal Studios und Produzent Douglas bestimmten die Richtung. Kubrick betrachtete dies später als Fehler.
Nach der Veröffentlichung des Films distanzierte sich Kubrick deutlich: „Spartacus“ sei der einzige Film seiner Karriere gewesen, bei dem er keine schöpferische Freiheit gehabt habe. Er kritisierte die konventionelle Dramaturgie, die klassische Hollywood-Inszenierung und den moralisch-didaktischen Ton. Für Kubrick, den Perfektionisten und Kontrolle liebenden Künstler, war „Spartacus“ eine schmerzliche Erfahrung – aber zugleich eine Lehre, die ihn dazu brachte, fortan nur noch unter Bedingungen völliger Autonomie zu arbeiten.
Kubrick war kein Ideologe, sondern ein Skeptiker gegenüber jeder Form von Macht. Seine Filme untersuchen, was geschieht, wenn Systeme – politisch, militärisch, religiös oder wissenschaftlich – das Individuum beherrschen. Er war nicht parteipolitisch, aber zutiefst politisch im moralischen Sinn: Macht, Hybris und Selbsttäuschung sind wiederkehrende Konstanten in seinem Werk.
Die „Bad-Szene“ – Macht, Begehren und Zensur
In der berühmten Bad-Szene nimmt der römische Feldherr Crassus (Laurence Olivier) ein Bad, während sein Sklave Antoninus (Tony Curtis) ihm assistiert. In beiläufiger Konversation fragt Crassus: „Isst du Austern?“ – „Ja, Herr.“ – „Isst du Schnecken?“ – „Nein, Herr.“ Diese scheinbar harmlose Frage ist eine subtile Metapher für bisexuelles Begehren. Crassus testet in dieser Szene bei einer versuchten Verführung Antoninus’ Unterordnung und nutzt Sexualität als Machtinstrument.
Mit dem „Hays Code“, benannt nach dem langjährigen Präsidenten des Branchenverbandes Motion Picture Producers and Distributors of America (MPPDA), hatte sich Hollywood eigene Zensurregeln auferlegt, die insbesondere die Darstellung von Sexualität, Prostitution, Drogenkonsum und Schimpfwörtern sowie die Beleidigung von Nationen und ethnischen Gruppen betrafen. Da der Hays Code noch in Kraft war (bis 1968!), wurde die Szene aus der Originalfassung gestrichen – nicht wegen expliziter Inhalte, sondern weil sie gesellschaftliche Tabus berührte. Sie zeigt, wie Sexualität und Macht in „Spartacus“ eng miteinander verknüpft sind – ein Thema, das Kubrick schon in seinem nächsten Film „Lolita“ (1962) und auch später immer wieder aufgreifen sollte.
1991 wurde die Szene bei einer von Universal angestoßenen und von Kubrick unterstützten aufwendigen Restaurierung anlässlich einer Hommage an den Produzenten Kirk Douglas und dessen Bryna Productions wieder eingefügt. Anthony Hopkins sprach die fehlenden Dialoge des verstorbenen Laurence Olivier erstaunlich passend neu ein; Tony Curtis sprach seinen Dialog selbst. Heute gilt sie als Schlüsselstelle des Films, weil sie zeigt, wie subtil gesellschaftliche Konflikte unter den Zwängen der Zensur inszeniert werden konnten.
„Titles by Saul Bass“
Ein besonderes Augenmerk gebührt Saul Bass: Der Grafikdesigner war zu jener Zeit bereits berühmt für seine Filmvorspänne und sein Artwork für die Plakatwerbung. Er arbeitete u.a. für Otto Preminger, Alfred Hitchcock, Billy Wilder und später für Martin Scorsese. Kurz vor „Spartacus“ hatte er die Vorspänne zu „Vertigo“ und „North by Northwest“ gestaltet; im selben Jahr folgte „Psycho“. Es war seine kreative Hochzeit.
In „Spartacus“ zeigt sich eine andere Herangehensweise: keine grafische Animation, sondern reale Artefakte – Statuen, Steinreliefs, bröckelnde Zeichen der Macht. Typisch für Bass stimmen seine Titel auf Thema und Stimmung des Films ein, ohne etwas über die Handlung zu verraten. In diesem Fall ergänzen sie den Film um eine historische Perspektive, die die politische Haltung des Films unterstreicht: Wie mächtig ein repressiver Staat auch sein mag – die Idee von Freiheit und Gleichheit wird sich letztendlich durchsetzen, und vermeintlich langlebige Imperien werden zerbröckeln. (dakro)
Spartacus, USA, 1960, 197 Min., Farbe; P: Bryna Productions, Universal, R: Stanley Kubrick, B: Dalton Trumbo, K: Russel Metty, M: Alex North; D: Kirk Douglas, Laurence Olivier Jean Simmons, Charles Laughton, Peter Ustinov, Tony Curtis u.a.
Tipps & Links
Aktuelle Blu-Ray und Blu-ray-4k-Veröffentlichungen (ab 2015) von „Spartacus“ bieten die unzensierte, restaurierte Fassung, ein kurzes Interview mit Kirk Douglas und einen Surround-Audio-Track.
Sehr empfehlenswert ist das Buch „Saul Bass: A Life in Film an Design“ (Laurence King Publishing, 2011, 428 Seiten), das bisher nur in englischer Sprache erschienen ist. Es bietet einen detaillierten Überblick über Saul Bass‘ grafische und filmische Arbeiten für Film und Industrie. Etliche seiner Designs begegnen dem aufmerksamen Beobachter noch heute. (dakro)
„Spartacus“, Titles by Saul Bass, auf YouTube
Für Podcast-Fans ist der brandneue „Pure Cinema Podcast: Kubrick Part One“ eine heiße Empfehlung: Elric Kane und Brian Saur gehen durch alle Kubrick-Filme und paaren jeden einzelnen von Kubricks mit einem anderen Nicht-Kubrick-Film für ein unterhaltsames Double Feature: https://thenewbev.com/blog/2025/11/pure-cinema-podcast-kubrick-part-one/
Titelfoto: Artwork für „Spartacus“, entworfen von Saul Bass
