Fläche und Raum im Filmtakt
Der Bildhauer Johannes Michler lotet bei netzpflege.net den virtuellen Raum aus
Im virtuellen Raum ist alles anders – und doch so ähnlich. Der Kieler Bildhauer Johannes Michler wagt in der Kieler Netz-Galerie www.netzpflege.net den Sprung ins Virtuelle. Ab dem 21. November ist dort seine Installation “Takt – Fläche – Raum” zu sehen. Was macht ein Bildhauer, wenn ihm auf der zweidimensionalen Fläche die dritte Dimension fehlt? Er nimmt die Zeit statt der Tiefe des Raums hinzu. Dabei entsteht auch ein wenig etwas wie Film. Animierte und auf den binären Schwarz-Weiß-Kontrast reduzierte Bildelemente bilden in seinen “Bildschirmschonern” vom Zufall gesteuerte Muster, die bei längerem Zusehen eine fast hypnotische Wirkung entfalten.
Kreuzchen zum Beispiel, die im regelmäßigen Raster einfach ein quadratisches Gitter bilden, verdrehen sich und im so “gestörten” Raster entstehen immer neue “Diagonalen”, neue “Assoziationslinien”, die im Zeittakt zu schwingen scheinen. Eine Computergrafik, die auch die genuin filmische, in manchem an die abstrakten Experimente der konstruktivistischen Moderne erinnernde Frage stellt, wie Grafik den Faktor Zeit einbeziehen kann, wie das Bild “bewegt” wird.
Vor Michler haben auf netzpflege.net bereits der lange Zeit in Kiel wirkende Videokünstler Kai Zimmer und der Berliner Konzeptkünstler Pfelder “ausgestellt” und das ihnen bislang fremde Medium auf interessante Weise befruchtet.
Beide Arbeiten wie auch jetzt die Michlers passen gut ins Konzept der Netz-Galerie www.netzpflege.net. German Benk, Geschäftsführer der Kieler Werbeagentur HARI.i.PUNKT, und der Kieler Komponist Hauke Harder (ehemals “Gesellschaft für akustische Lebenshilfe”) hatten die Idee, im Netz ein Forum für Kunst zu schaffen, die das Charakteristische des Mediums zum Thema macht. Galerien gibt es zwar bereits im Netz, aber bisher fast ausschließlich als bloße “Portation” der realen Galerie in die virtuelle Sphäre, ohne deren mediale Eigenheiten wirklich zu nutzen, geschweige denn zu reflektieren.
Schon die Startseite von netzpflege.net ist auf eine ironische Art spezifisch “netzisch”. Was wie ein Programmierfehler aussieht, gehört zum Konzept. Leere Bildfenster mit fehlenden “Links” begrüßen den Betrachter, jenes Bildschirmbild, das erscheint, wenn die Übertragung während des “Downloads” einer Seite abbricht. Doch hinter jeweils einem der leeren “Fenster” verbirgt sich der “missing Link” zu den drei Arbeiten. Sie sind sozusagen versteckt hinter dem Irrtumsrauschen des Netzes. Auch die bewusst reduktionistische Gestaltung der Website als “archaische” Gittermatrix ohne modische “Tools” wie Flash-Animation wirft einen (selbst-) kritischen Reflex auf das für gewöhnlich bunt bewegte Multimedium.
“Kurator” Hauke Harder hat weitere Künstler in peto, deren Arbeiten bereits im “real space” einen interaktiven, die Publikumsreaktion einbeziehenden Charakter haben und sich so auf das Netz übertragen lassen. Alle drei Monate soll eine neue Arbeit die noch leeren Fenster füllen und so die neuartige Netz-Galerie nach und nach füllen. (jm)