Filmförderung in Schleswig Holstein nach der Strukturreform der MOIN Filmförderung

Es ist still geworden in der Filmwerkstatt Kiel der MOIN Filmförderung (ehemals Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein). Vor gut zwei Jahren ist man umgezogen, von den mietfreien, aber ein wenig engen Hinterzimmern im Kultur- und Kommunikationszentrum Pumpe in eine gediegene, repräsentative Beletage der so genannten Kieler Altstadt, die endlich reichlich Platz und in den vorderen Räumen eine angenehme Aussicht auf die heimeligen Fassaden der Dänischen Straße bietet.

Proportional zum Zuwachs an räumlicher Ausstattung scheint der alltägliche selbstverschuldete Bedeutungsverlust der Filmwerkstatt für die hiesigen Filmschaffenden, der von manchen so genannten „Film Community“, zu sein. Scheinbar leichten Herzens gab die Filmwerkstatt die enge, unmittelbare Nachbarschaft zum Kieler Kommunalen Kino, dem Kino in der Pumpe, auf, die für eine mehr als ein Jahrzehnt währende gegenseitige Befruchtung stand und sich in etlichen gemeinsamen Veranstaltungen und Projekten niederschlug. Ähnlich abrupt und zügig hatte man sich zuvor schon als Mitveranstalter vom Filmfest Schleswig-Holstein verabschiedet. Man wollte sich auf das Wesentliche konzentrieren und übersah dabei, dass man gerade durch diese Beschränkung Wesentliches preisgab.

Erstaunlich, aber die schmucken, gepflegten Räumlichkeiten der freundlichen Förderinstitution scheinen besonders bei nicht wenigen jüngeren Filmerinnen und Filmern eine gewisse von diesen ungern eingestandene Schwellenangst zu befördern. „Dort sitzen sie nun in ihrem Elfenbeinförderturm und hegen ihre schönen Richtlinien“, entschuldigte neulich ein junger Filmemacher mir gegenüber seine Scheu gegenüber der Filmwerkstatt. Ein anderer Filmemacher wünscht sich von der Filmwerkstatt „mehr Engagement und Präsenz in der hiesigen Filmszene (… mal zu Veranstaltungen kommen, einfach mehr Initiative zeigen).“ Brummte früher nicht selten der Bär in der Filmwerkstatt, die neben Beratung und Hilfe einen lebendigen Treffpunkt für Kommunikation des hiesigen Filmlebens bot, so bestimmt heute eher der bürokratische Charme einer emsigen Verwaltungseinheit die Atmosphäre der Förderungslokalität.

Schmuckes Türschild, aber bald bedeutungslos? (Foto: Helmut Schulzeck)

Vor drei Jahren, im April 2019, trat Helge Albers sein Amt als neuer Geschäftsführer der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) an. Schon relativ schnell nahm er Anstoß an der von ihm vorgefundenen „Organisationsstruktur“.

„Dort agieren zwei verschiedene Einheiten unter dem Dach von einer Filmförderung. Und aus meiner Sicht macht das wenig Sinn. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ist eine Gesellschaft, und insofern muss man auch so unter dem Dach einer Gesellschaft agieren. Nichts weiter ist erst einmal der Grund dafür, dass wir versuchen, die Abläufe, die Organisationsstrukturen innerhalb der Förderung näher zusammenzubringen, die Kommunikationsstrukturen innerhalb der Firma zu verbessern. Bisher liefen die Prozesse relativ autark, und das wollen wir ändern. Entweder ist eine Fusion gewollt gewesen oder sie ist nicht gewollt. Der politische Wille war und ist sehr klar, dass die Filmförderungen fusionieren und einen Standort bilden. Und insofern wollen wir einfach besser zusammenwachsen. Damit schließen wir einen Prozess ab, der vor relativ langer Zeit angestoßen wurde und jetzt auch mit einem guten Spirit zusammengeht. Ich merke bei den Kollegen und Kolleginnen am Standort Kiel, dass das gerade viel Energie freisetzt. Das wird sehr positiv aufgenommen.“ Soweit Helge Albers in einem Interview mit Infomedia.sh im November 2019.

Das Ausscheiden des Geschäftsführers der Filmwerkstatt Kiel, Arne Sommer, aus der Leitung des schleswig-holsteinischen Teils der MOIN Filmförderung im kommenden Sommer bietet nun Gelegenheit, Helge Albers Aussagen von damals und die darin angekündigten und inzwischen realisierten nicht nur strukturellen Veränderungen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Ausgehend von einem verwaltungstechnischen Modell grundsätzlich vereinheitlichter Organisationsstrukturen und der falschen (!) Behauptung, dass er damit nur vollende, was bei der Fusion der schleswig-holsteinischen kulturellen Filmförderung mit der Filmförderung Hamburg angelegt war, hat Helge Albers die Autarkie des schleswig-holsteinischen Arms der Förderung zu einem sehr großen Teil so gut wie abgeschafft. Dabei war die lange Zeit beibehaltene Eigenständigkeit der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein gerade der Kompromiss, der ein Zusammengehen der beiden Förderungen erst ermöglichte.

So stellte der damalige Geschäftsführer der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein und Leiter der Filmwerkstatt Kiel, Bernd-Günther Nahm, in einen Interview fest:
„Unsere Position zu Beginn der Diskussion um die neuen Förderstrukturen im Norden sah so aus, dass wir einerseits die engere Vernetzung begrüßt haben, aber aufgrund der Andersartigkeit von Klientel, Richtlinien und filmstrukturellem Hintergrund in Schleswig-Holstein die Eigenständigkeit als selbstverwaltete Filmförderung erhalten wollten. Damit konnten wir uns jedoch bei der Politik nicht durchsetzen. Andererseits war es in Kiel von Anfang an politischer Wille, die besondere Arbeit und Verantwortung der Kulturellen Filmförderung/Filmwerkstatt für das Flächenland Schleswig-Holstein zu würdigen und diese Arbeit auch weiterhin vom Standort Kiel aus leisten zu lassen. Der Kompromiss bedeutet: Wir führen diese Arbeit mit den bisherigen Förderzielen, dem Aufgabenspektrum und leicht gestiegenen Finanzmitteln in Eigenverantwortung unter dem gemeinsamen Dach der FilmFörderung Hamburg/Schleswig-Holstein GmbH in Kiel weiter durch. Sinnvollerweise kommt die Film Commission, die bisher bei der MSH in Lübeck angesiedelt war, auch zu uns nach Kiel.“ (Interview: „Das Schielen auf Leuchttürme ersetzt nicht die filmkulturelle Basisarbeit“)

Es stellen sich nun einige provokante Fragen. Ist diese Form von „Fusion”, wie sie uns aktualisiert 2020 noch einmal verkauft wurde, aus Bequemlichkeit erfolgt, nach dem Motto: „Wir vereinheitlichen alles; das macht weniger Arbeit“? Oder zeugt sie von eklatanter Unkenntnis der tatsächlichen Faktenlage in Schleswig-Holstein, ist aber in der aktuellen Situation bei gutem Willen und organisatorischer Kreativität ein noch zu korrigierender Fehler?

Die Neubesetzung der Geschäftsführung der Filmwerkstatt Kiel bietet vielleicht für lange Zeit eine letzte Chance, die schleswig-holsteinische Rolle in der Filmförderung noch einmal zu überdenken und für alle gewinnbringend zu revidieren, soll die Filmwerkstatt Kiel längerfristig nicht der Bedeutungslosigkeit anheim fallen. Daher sollte man sich einmal einige Fragen unvoreingenommen stellen.

Das System der Filmförderung wird durch die EU als kulturelle Förderung notifiziert und ist in Schleswig-Holstein und Hamburg im Kultusministerium angesiedelt. Weshalb versucht man dennoch jetzt in einem bezüglich der Medienproduktion strukturlosen Land wie Schleswig-Holstein die vermeintliche Wirtschaftlichkeit von Projekten voran zu stellen?

Die Filmförderung in Schleswig-Holstein wurde immer auch als Ausgleich für die strukturellen Defizite im Lande gesehen und damit war auch klar, dass eine „Gleichbehandlung“ von Filmschaffenden in Schleswig-Holstein und Hamburg eine „Ungleichbehandlung“ ist. Hamburg will in der Champions League mitspielen, um es einmal in der Fußballsprache auszudrücken. Schleswig-Holstein hingegen kann froh sein, den Klassenerhalt in der Dritten Bundesliga zu schaffen. Die Filmwerkstatt war der Ausgleich für den Standortnachteil von Schleswig-Holstein; keine Spezialisten ohne Basisförderung, aus der sie erwachsen können. Das sollte die Hauptaufgabe der Filmwerkstatt sein. Mit dem bundesweit anerkannten Modell der Filmwerkstatt sollte auch so etwas wie „Grundlagenforschung“ unter spezifischen, regionalen Bedingungen praktiziert werden.

Hamburg hat in seiner Infrastruktur drei Hochschulen und den Ausbildungskanal „tide“ (mit explizitem Schwerpunkt auf dem erzählerischen Film), mindestens fünf große internationale Festivals, mehrere Kollektive und internationale Produktionsstrukturen. Schleswig-Holstein hat die Fachhochschule Kiel, die aber nicht dem erzählerischen Film zuarbeitet, sondern Ausbildung für Werbung und social media macht. Werbung ist ebenfalls Lehrfach in Flensburg. Und die Muthesius Kunsthochschule in Kiel hat mit Film nur wenig zu tun, behandelt bestenfalls den künstlerischen Einsatz von Medien ohne irgendwelche Marktambitionen.

Was man zum Filmemachen braucht, auch unter den veränderten Produktionsbedingungen und Erleichterungen durch die Digitalisierung, sind erzählerische Kompetenz und dramaturgische Kenntnisse. Für das hat man in Schleswig-Holstein zumindest den Drehbuchpreis mit Leuchtturm-Qualität. Aber Wissen über Fotografie, Kamera und Ton im Sinne einer Filmproduktion vermittelt hier keine der Hochschulen. Und eine Ausbildung in der Filmmontage, zu Neudeutsch: „Editing“, die alles zusammenführende Komponente bei der Filmerstellung, findet ebenso wenig statt.

Für die vorgesehene, neue Aufgabe der Filmwerkstatt, für Neue Medien, Serien, Experimente zuständig zu sein, braucht man neben den vorher erwähntenen Kenntnissen vor allem auch das spezifische Umfeld, wie es in Hamburg vorhanden ist, in Schleswig-Holstein aber nicht.

In Schleswig-Holstein war es bisher immer Konsens, dass Film als Kulturprodukt im Fokus stehen sollte und nicht als Wirtschaftsprodukt. Betrachtet man aber das Ganze unter wirtschaftlichen Aspekten, so zeigt die Politik im Lande, dass Wirtschaft gefördert wird, Kultur sich aber selbst finanzieren soll. Jedes kleine Startup im Lande erhält für eine DIN-A4-Seite Projektbeschreibung, wenn es sich gut verkaufen kann, Fördergelder. Wie viele Projekte dann wirklich reüssieren, steht auf einem anderen Blatt. Entwicklungsgelder für den Film, speziell unter Berücksichtigung der erschwerten Produktionsbedingungen im Lande, gibt es aber nicht. Trotz allem sollen sich die hiesigen Filmschaffenden mit Hamburg messen. Auf welcher Grundlage, bitte? Man könnte meinen, es sei versteckter Hohn. Förderung sollte Risikokapital für Kreative sein, auch oder gerade beim Filmschaffen. Das wird aber hier wohl anders gesehen.

Aufgrund der Strukturdefizite gehen viele Filmschaffende weg an andere Standorte. Warum die dann noch fördern? – Nun, vielleicht steht den Landeskindern auch so etwas wie eine Medien-Grundbetreuung zu. Hochschulen werden ja auch extra gefördert wenn sie z. B. international Studierende aufnehmen, die nach ihrer Ausbildung das Land größtenteils wieder verlassen. Die Gelder für Studienplätze in Schleswig-Holstein würden auch hier auszubildende Filmschaffende sicherlich zufrieden stellen.

Politik und Filmförderer in Hamburg und Schleswig-Holstein sollten sich ehrlich und offen fragen, ob mit dieser Art von „effektiver Fusion“, wie sie hier letztlich mit aller betrüblichen Konsequenz durchgezogen wurde und wird, der Sache wirklich gedient ist. Die Filmförderer sollten für die Filmschaffenden da sein und nicht umgekehrt – damit es nicht eines Tages für zu Fördernde und Förderer „Gute Nacht statt MOIN, MOIN“ heißt.

 

Titelfoto: Eingang zur MOIN Filmförderung in Kiel (Foto: Helmut Schulzeck)
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