Schleswig-Holstein Musikfestival 2005:
Spielwütige Hitparade
Philharmonie der Nationen mit Justus Frantz im Deutschen Haus Flensburg
Dass die Schlagwerker der Philharmonie der Nationen beim Wettbewerb in Luxemburg jüngst den ersten Preis gewonnen haben und nun mit einer „Nordbulgarischen Improvisation“ ein Stelldichein außer der Programmreihe bieten, ist nur eines der „Schmankerl“, die Justus Frantz und sein Orchester ins Flensburger Deutsche Haus mitbringen. Rossinis Ouvertüre zur „Diebischen Elster“, Milhauds „Le bœuf sur le toit“ und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, das sind allesamt Steilvorlagen für nicht nur Spielfreude, sondern schon Spielwut.
Betont fortissimo versus fein zisiliert inszeniert Frantz Rossini. Wir sind in der Klassik-Hitparade und Frantz weiß, wie man die macht: Elegant kontrastierende Stimmungswechsel charaktersicher auf den Punkt gebracht und in drängenden Accelerandi spannend aufgeladen. So macht Klassik Spaß. Auch Milhauds bizarre Burlesken zwischen Tango und Rumba nimmt das Orchester mit der Bravour, sich den Gestus einer Tanzkapelle nicht zu versagen, nur weil wir gerade bei eigentlich „E-“ statt „U-Musik“ sind. Dass diese Pole zusammenschnurren, ist Frantz‘ Handschrift, durchsichtig lesbar und voller Elan.
Umso strahlender sinfonisch wirkt solche Spielwut in Mussorgskys Hitparade der Charakterstücke. Markig wankt der „Gnomus“, malerisch verwunschen wispert es im „Vecchio Castello“, und vor den Ochsenkarren „Bydlo“ spannt Frantz einen solch bulligen Boliden, dass die Philharmonie ohne Boxenstopp mitten in der Formel Eins der Orchester auf der Pole Position landet und Baba Yagas Hütte zum klingenden Palast auf volltönenden statt tönernen Hühnerfüßen gerät. Die Bravos und füßestampfender Beifall der Hitbegeisterten sind da wohlverdient. (jm)