Denn der Himmel weinte …
Nachtrag zu den Nachrufen auf Christel Marchi
Es war ein grauer, regnerischer Novembermontagmittag, ungemütlich nass und kühl. Filmreifes Wetter für die Beerdigung der kinophilen Kieler Sympathieträgerin Christel Marchi. Denn der Himmel weinte … Aber Christel hätte über solch eine klischeehaft kitschige Beschreibung wahrscheinlich nur gelacht …
Nach soviel Resonanz auf die traurige Web-Nachricht vom Tode der legendären Eisverkäuferin im Regina-Programmkino der 80er Jahre, die mit ihren provozierend schlagfertigen Stand-Up-Comedy-Einlagen während des Eisverkaufs zur Kieler Kino-Kult-Lady aufgestiegen war, war es erstaunlich, dass sich neben einem kleinen Häuflein von Verwandten und Freunden nur drei weitere Trauergäste einfanden, um von Christel Abschied zu nehmen. Hatte doch der kleine Nachruf mit Filmausschnitt, von der Facebook-Seite von infomedia.-sh.org auf eine Reihe anderer (Kieler) Facebook-Seiten gepostet, über 5.000 Personen (Klicks) erreicht und noch mal über 2.000 auf der Kultur-Website www.hansen-munk.de. Selbst auf Twitter war am Montagmorgen nach einer Todesanzeige in den Kieler Nachrichten nochmals auf Ort und Zeit der Beerdigung hingewiesen worden.
Am letzten Tag des Regina wurde Christel mit einem „Oscar“ ausgezeichnet – Szene aus Helmut Schulzecks „Regina Blues“ (Foto: hsch)
Vielleicht war das Wetter auch einfach zu ungemütlich, und man gedachte lieber an anderer Stelle, vielleicht im warmen Kinosessel still für sich, bevor das Saallicht abdimmte, dieser außerordentliche Frau, von der man ahnte, dass sie ihr eigentliches Ich hinter ihren forschen Auftritten und ihren Kurzsketchen im Kinosaal verbarg. Neben Oliver Stenzels Nachruf aus den KN („Aus dem Bauchladen heraus“, 25.11.2017), der die öffentliche Person würdigt, gibt es eine sehr interessante und lesenswerte Homestory von Almut Behl (KN, November 2009). Unter dem Titel „Ein Hausbesuch bei Kiels berühmtester Eisverkäuferin“ wird uns der Mensch hinter der Zwischendurch-Entertainerin nahegebracht, und mit Erlaubnis von Almut Behl sei es mir gestattet, hier einen Abschnitt aus dem Artikel zu zitieren:
Christel ist Christel. Offen, uneitel, bescheiden, vielleicht sogar ein bisschen schüchtern. Und wenn sie gesteht, „eine kleine Rampensau“ zu sein, dann nur um zu sagen: „Es macht mir nichts aus.“ Was sie als Person ausmacht, ist legendär: „Will jemand Eis?“ Wehe, wenn nicht. Dann konnten sich im legendären Programmkino Regina die Pausen vor dem Film etwas hinziehen. Doch dass die blonde Frau mit der rauen Stimme nicht nur Sprüche parat, sondern auch einen weichen Kern hat und vor allem „wollte, dass Menschen sich im Kino wohlfühlen“, das ist heute noch so. „Die Leute denken immer, sie waren schon als Kinder bei mir“, doch natürlich täuscht auch das, denn Kiels berühmteste Eisverkäuferin war in den 80er Jahren nur „fünf, sechs Jahre“ im Regina. Gesucht wurde eine Kassiererin, gemacht hat sie „alles, außer vorführen“. Das kann sie aber auch. Nach Wechseln in die Brücke und ins MAX (fünf Jahre) war sie kurz in der Kantine im Opernhaus, dann wurde es ruhig um sie. Doch nun ist Christel der gute Geist im Metro. Immer noch mit allen per du, auch mit dem Publikum. – Ob sie selbst Cineastin sei? Der Oscar auf dem Spülkasten im Bad (silberner Toilettensitz) lässt es vermuten. Nee, eine Spielfilmlänge halte sie selten durch. Aber „ich brauche den Saal“. Sie liebe es, „Gefühle zu entwickeln, wie man mit Menschen umgehen muss“, und so macht sie Begrüßungen, Ansagen, dämpft Meckerstimmen, hilft Gebrechlichen, hebt allgemein die Laune. (Der vollständige Artikel hier.)
Und zum Abschluss, weil’s so gut ankam, hier noch ein weiterer kurzer Ausschnitt mit Christel Thomsen (wie sie damals noch hieß) aus dem Film „Regina Blues“. (Helmut Schulzeck)