51. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen (5. – 10. Mai 2005): Die Wettbewerbe

Über 5.300 Filme und Videos aus 84 Ländern wurden für die 51. Kurzfilmtage nach Oberhausen geschickt. 750 Filmemacher haben ihre Arbeiten über die Internetplan reelport.com eingereicht, von denen über 350 den formalen und technischen Anforderungen der Kurzfilmtage entsprachen, fünf schafften es sogar in die Wettbewerbe, in denen insgesamt 134 Arbeiten laufen. Digitale Formate sind auf dem Vormarsch, und vor allem im Kurzfilm wird immer weniger mit Zelluloid gearbeitet. „53 der 134 Filme in unseren Wettbewerben wurden dieses Jahr digital eingereicht oder produziert. Das ist nicht das Ende des Films, doch der Vormarsch der digitalen Formate ist gerade im Kurzfilm unübersehbar“, kommentiert Festivalleiter Lars Henrik Gass. „Wir sehen hier einfach, dass digitale Produktionsmittel und Trägerformate das Stadium der exotischen Technikspielerei hinter sich gelassen haben und endgültig in den Alltag der Filmemacher eingegangen sind, und zwar überall auf der Welt.“

Programme online

Seit dem 6. April 2005 steht das komplette Festivalprogramm der 51. Kurzfilmtage, nach Programmen geordnet, online unter www.kurzfilmtage.de. Der Link: http://www.kurzfilmtage.de/ikf/pages/festival/index.php?id=449&lang_id=1

Internationaler Wettbewerb: Von der Galerie ins Filmfestival

Mit 66 (im Vorjahr 68) Produktionen aus 36 Ländern, ausgewählt aus 3.851 Einreichungen (im Vorjahr 3.967), bietet der größte Wettbewerb des Festivals einen aktuellen Blick auf die internationale Kurzfilmproduktion von Armenien bis in die USA, von Brasilien über Österreich bis nach Finnland. Stark vertreten ist Asien mit Beiträgen aus Japan, Indonesien, Malaysia, Indien, Korea, China und Singapur, dazu gibt es neben den traditionell starken Filmländern wie Großbritannien, Frankreich oder Kanada wieder einige selten vertretene Filmnationen wie Kenia, Mexiko oder Bosnien zu entdecken. Als deutscher Beitrag im internationalen Wettbewerb und als Welt-Festivalpremiere läuft Matthias Müllers neueste Arbeit „Album“. Die Produktion lief bislang ausschließlich im Galeriekontext und steht stellvertretend für einen starken Trend im Internationalen Wettbewerb: Viele Arbeiten der diesjährigen Auswahl stammen von Künstlern, die man sonst nur in Museen und Galerien findet. Dazu gehören Beiträge von Dominique Gonzales-Foerster, Johannes Maier, Viktor Alimpiev, Joshua Mosley oder Sejla Kameric.

Die Internationale Jury:
– Nicole Brenez, Kuratorin (Cinémathèque Française), Paris
– Mounir Fatmi, Künstler, Lille/Paris/Tanger
– Mark Lewis, Künstler, London
– Barbara London, Kuratorin (MoMA), New York
– Akram Zaatari, Künstler, Beirut

Deutscher Wettbewerb: Das Leben außerhalb der Hochschule

Mit 21 (im Vorjahr 27) Produktionen, ausgewählt aus 1.248 (im Vorjahr 1.109) Einreichungen, laufen im Deutschen Wettbewerb deutlich weniger, dafür aber längere Arbeiten als 2004. Ein Grund dafür ist der in diesem Jahr extrem starke Dokumentarfilm. Aufgrund der Qualität vor allem der längeren dokumentarischen Einreichungen konnten mehr als in den letzten Jahren für den Wettbewerb ausgewählt werden. Auffällig dagegen ist das Fehlen von klassischen Animationen. Das große Thema ist Familie, Herkunft, Erinnerung – ob der in Deutschland lebende Iraner Ali Zojaji in „Drei Versuche zu meinem Vater“ Zugang zu seinem Vater sucht, oder ob Astrid Heibach in „Charley’s Girls“ die Düsseldorfer Punkszene der 70er und 80er Jahre aus der Perspektive und Erinnerung eines kleinen Mädchens Revue passieren lässt. Eine der wenigen thematischen Ausnahmen ist „Freie Weihnachten“ von Sylvie Hohlbaum, die Dokumentation eines gescheiterten Versuchs der Stadt Offenbach, den traditionellen deutschen Weihnachtsmarkt in die russische Partnerstadt Orjol zu exportieren. Und: Nur ein einziger Film im Deutschen Wettbewerb 2005 wurde mit Hilfe klassischer Filmförderung produziert. In Deutschland boomt weiterhin die freie Kurzfilmszene.

Die Jury des Deutschen Wettbewerbs:
– Raimond Goebel, Produzent, Köln
– Christoph Hochhäusler, Filmemacher, Berlin
– Ulrike Ottinger, Filmemacherin, Berlin

Kinder- und Jugendfilmwettbewerb: Spielfilme dominieren

37 Filme (im Vorjahr 46) aus 23 (im Vorjahr 22) Ländern für junge Leute von 5 bis 16 treten in diesem Jahr an. Stark vertreten ist auch hier Asien mit Arbeiten aus China, Japan, Malaysia oder Indien, dazu gibt es seltene Blicke nach Bulgarien oder Kasachstan. Auffällig: Nur vier Animationen und je drei Dokumentarfilme und Experimentalfilme sind im Programm, ansonsten gibt es für die jungen Zuschauer in diesem Jahr vor allem Spielfilme zu sehen. Fiktion ist jedoch nicht gleich Erfindung und Fantasiewelt, denn die Filme greifen in vielen Fällen aktuelle politische und soziale Themen auf. Zum Beispiel der israelische Film „The Red Toy“, in dem ein militärisch klingendes Spielzeug vor dem Hintergrund der Soldaten und Überwachungskameras von Hand zu Hand wandert, die deutsch-kasachische Ko-Produktion, übrigens von Veit Helmer betreut, über einen kasachischen Straßenjungen, der sich ein besonderes Abendessen bereitet – oder auch der britische Film „Strange Little Girls“ (der auch im Internationalen Wettbewerb läuft), in dem zwei halbwüchsige Mädchen sich auf Einkaufs- und Diebestour in der City amüsieren, bis sie sich mit einem Fremden in eine Situation begeben, die außer Kontrolle geraten könnte. Einblicke in ganz verschiedene Welten, die nicht nur für Menschen unter 18 interessant sind.

MuVi-Preis: Der Clip lässt das Musikfernsehen hinter sich

Krise des Musikfernsehens hin oder her, mit 220 Videos (im Vorjahr 214) wurden mehr Clips als je zuvor bei den Kurzfilmtagen eingereicht, 12 haben es in die Auswahl für den MuVi-Preis geschafft. Kleiner, aber wichtiger Unterschied: Es werden kaum noch Clips für MTV oder VIVA produziert, die Videos sind zumeist freie Low- bis No-Budget Produktionen, die sich neue Vertriebswege im Internet oder über DVD suchen. So stammt z.B. der Clip „The Zoo“, Regie: Zeitguised für Funkstörung, von einer DVD zum Album „Isolated“, auf der teilweise drei Clipversionen für ein Stück geboten werden – ein Konzert, das man immer wieder öffnen und konsumieren kann, bei „Isolated“ sogar zusätzlich begleitet von einem Bildband. Der Clip emanzipiert sich endgültig von dem Medium, in dem er groß wurde, und hat sich nun als eigenes Kurzfilm-Genre etabliert, bei dem Musiker, Grafiker und Filmemacher oft gemeinsam experimentieren. Clip-Regisseure und Regisseurinnen wie Michel Klöfkorn, Mariola Brillowska oder Corine Stübi wechseln folgerichtig auch unbekümmert zwischen Kurzfilmen und Clip-Arbeiten hin und her.

Die MuVi-Jury:
– Vanessa Beecroft, Künstlerin, USA
– François Chalet, Grafiker, Schweiz
– Christian Fennesz, Musiker, Österreich

(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)

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