Stimmung und Übereinstimmung beim (Körper-) Dreh

Drehbericht zu Gerald Grotes und Claus Oppermanns Kurzfilm „Blindschatten“

So schnell geht es dann manchmal doch: Auf der Zugfahrt nach Berlin mal eben in einer Filmzeitschrift geblättert und einen Artikel über den Wettbewerb „Blind Spot“ gelesen sowie an anderer Stelle das Wort „Audiodiktion“ gelernt, jenes Verfahren, das sehbehinderten Menschen auf einer Extra-Tonspur das Geschehen auf der Leinwand oder dem Bildschirm näher bringt, reifte bei Gerald Grote die Idee zu einem Kurzfilm zum Thema „Blindenkommunikation“. Ein Kurzschluss mit dem Kameramann Claus Oppermann, ein musikalisches Vorgespräch mit dem Komponisten Chris Evans Ironside und schon fand sich an einem Dienstagmorgen (21.12.) ein kleines Team bestehend aus 10 Leuten in der Pumpe ein, um die Idee zum Film zu einem Film werden zu lassen. Denn wenn Gerald Grote dreht, geht es nicht ohne Making-of-Kamera, Standfotografen und Baukünste aus Holz, in diesem Fall eine zwei Meter hohe, mit LKW-Plane-bespannte Konstruktion, gezimmert und betackert von Theater-Malerin Nina Horstmeier. Die DV-Kamera drehte (sich) unter der Plane, die von oben hell beleuchtet wurde, so dass das Geschehen nur schemenhaft erkennbar war.

Die Aufgabe der Balletttänzer des Opernhauses Kiel, Tina Slabon und Stefan Späti, bestand darin, sich auf der Plane liegend einander anzunähern, die atmosphärische Musik bestimmte den Rhythmus, Geralds und Claus‘ verbalisierte Vorstellungen den Grundstock, aber die Improvisation der Tänzer überwältigte alle Anwesenden.

Regie, Licht, Script, Catering sowie die Kamera verfolgten gebannt die Drehungen und Wendungen der Darsteller in Schwindel erregender Höhe, schnell fand sich ein natürlicher Bewegungsablauf, der all das ausdrückte, worum es im Film gehen sollte: Ein Dialog der beiden Körper voller Harmonie und „Ergriffenheit“ im wahrsten Sinne des Wortes; Körperdrehungen, die zu Redewendungen wurden und Sprach“gefühl“ in einer neuen Dimension. Immer wieder startete die Musik neu und Tina Slabon und Stefan Späti ließen sich auf und in der Plane fallen. Die Magie der Töne war deutlich am Set zu spüren: Nur stille Gespräche über die Liebe und das Leben in den Pausen, sogar die Brötchen wurden leise gekaut. Auf dem aufgestellten Monitor ließ sich während des Drehs schon erahnen, was der Film später erzählen sollte:

(aus dem „Drehbuch“ von Gerald Grote)

„Die Nähe wird zur Kommunikation, die Wärme zur Emotion. Das allmähliche Herantasten an den Gegenüber erzeugt Stimmung und Übereinstimmung. Wir erleben die einzelnen Stufen des Kennenlernens zweier Menschen. Zunächst wird eine Hand sichtbar. Sie erfasst die Situation, den Stoff, das Umfeld. Ein zweite Hand kommt hinzu. Eine dritte Hand deutet auf eine weitere Person hin. Die vierte Hand berührt die erste. Diese Bemerkung ist wie ein Kommentar. Man ist nicht allein. Nach dem kurzen Zurückschrecken überwiegt die Neugier. Hände ertasten Arme und Beine. Ein Mann und eine Frau fühlen sich. Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Voller Hingabe wird kommuniziert. Man redet mit Händen und Füßen. Die Hände sprechen, schmeicheln, säuseln. Aus vollem Herzen. Man spricht fließend. Finger gestehen leise die Zuneigung. Man versteht und begreift. Die Personen kommen sich näher. Finden und Empfinden mit Gefühl und Mitgefühl. Sie bekommen ihr Leben zu spüren. Denn sie haben es in die Hand genommen. Sie haben sich nicht gesucht, aber sie haben sich gefunden.“

Beim Schneiden in der Filmwerkstatt dann die große Erleichterung und Erfüllung der Idee: Die bewegten Bilder bewegen. Wer sich bei und in diesem/n Film nicht verliebt, ist selbst schuld!

(Nadine Lindenau, verzauberte Regieassistentin)

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