6. Internationales Archäologie-Film-Kunst-Festival Kiel CINARCHEA
CINARCHEA: Preisträger und Begründungen der Jury
CINARCHEA: Preisträger und Begründungen der Jury
Die Jury: Dr. Erwin Keefer (Archäologe, Württembergisches Landesmuseum Stuttgart), Frédéric André (Archäologe, Musée Royal de Mariemont, Belgien), Corinna Endlich, M.A. (Museum für Natur und Mensch), Dr. Gerald Koll (Filmemacher und Filmhistoriker, Kiel), Prof. Dr. Umberto Pappalardo (Archäologe, Universität Neapel), Thomas Tode (Filmemacher und Filmhistoriker, Hamburg).
Großer Preis für „The Mummies of Taklamakan“ (von Olivier Horn)
Wo sich früher blühende Städte ausbreiteten, weht heute der trockene kalte Wind den Sand zu ebenso gleichförmig wie sich ständig verändernden Dünen auf. Eine der lebensfeindlichsten Wüsten der Welt hat die einstigen Handelstädte unter sich begraben und bis heute ein nahezu weißer Fleck auf den Karten der Alten Welt. Von der ersten erfolgreichen Expedition in diese lebensfeindliche Welten handelt unser Preisträger. Wir nehmen teil an ihrem überraschenden Erfolg und genießen die großen Bilder aus dem Inneren Asiens. Eine abgerundete, komplette wie auch souveräne Erzählung unterlegt mit sorgfältigem Kommentar und eine selten gesehene optische Sorgfalt machen die Produktion zum Großen Film der Cinarchea 2004.
Spezialpreis der Jury an „Mystery of the Persian Mummy“ (von Adrian Pennink)
Archäologie, der Umgang mit den Objekten und ihrer Würde ist auch eine Frage der Moral. Wir bekennen uns zu einem Film, der genau dieses Problem in den Blick nimmt: Die archäologische Detektivarbeit, die Sucht und Suche nach spektakulären Funden und die Risiken – Risiken, die mitunter Menschenleben kosten. Was als großes Mysterium beginnt, schlägt um in ungläubige Betroffenheit. Fesselnd wie ein Krimi, deckt dieser Film mit feiner angelsächsischer Distanz, präziser investigativer Recherche und ebenso mit, unparteiischer Akkuratesse kriminelle Machenschaften auf. Die Kraft des Films besteht auch darin, dass er aus einem archäologischem Problem heraus jenes des illegalen internationalen Kunsthandels entwickelt.
Preis für angewandte Archäologie: „Der römische Gutshof von Hechingen“ (von Christopher Paul)
Hier begrüßt uns ein Bürgermeister mit seiner Familie. Sie nehmen uns mit auf eine Zeitreise zurück ins römische Villenleben auf dem schwäbischen Lande. Zwischen Kinderzimmer und Backstube, Kräutergarten und Satyrspielen lässt sich dort im idyllisch gelegenen Freilichtmuseum Römisches ganz neu und aktiv erleben. Mit Eleganz und Leichtigkeit und einem liebevollen Zwinkern öffnet die Fernsehreportage einen neuen Blick auf die etwas andere Archäologie-Vermittlung. Er richtet sich auch auf das hier wunderbar gelungene ehrenamtliche Engagement sowie auf die in Aktionen und Wochendveranstaltungen präsente Angewandte Archäologie. Man bekommt Lust auf mehr und man sieht dass Museum Spaß macht! – den Mitarbeitern, den Filmemachern – und nicht zuletzt der Jury.
Preis für Grabung und Methoden: „Sagalassos – The forgotten City“ (von Philippe Axell)
Ausgegrabene Städte gehen meist wieder unter. Untergegangene Städte entwickeln sich in ihrer architektonischen Komplexität meist nur vor dem geschulten geistigen Auge. Hier nicht. Eine komplette antike Stadt aus Stein entsteht hier von Neuem und ganz real auf kahlem Gebirge. Beeindruckend dabei das Methodische des Films – zuerst schafft er – noch während der Ausgrabung – unter intelligenter Verwendung moderner computerstützter Grafiken die virtuelle Rekonstruktion an Bauwerken, Plätzen und Straßen bevor diese dann auch baulich Stück für Stück Gestalt annimmt. Eindrucksvoll und neu war für uns auch die Nachhaltigkeit dieses internationalen Grabungsprojekts, hat man sich hier doch explizit die Entwicklung der Region zum Thema gemacht. Ein methodisches Lehrstück also, das uns zeigt, wie aus einem unbekannten Ruinenfeld heraus ein im besten Sinne begreifbares und erlebbares Wissen um eine antike Stadt wiedergewonnen wird.
Preis für Unterwasserarchäologie an „Le Corsaire“ (von Jérôme Julienne) – Wanderpreis
Stellen Sie sich vor, ein Tintenfisch schaut ihnen bei der Arbeit am Zeichenbrett über die Schulter. Stets nah am Geschehen verfolgt auch unser Unterwasserfilm die Geschichte einer Entdeckung. Mit freibeuterischer Waghalsigkeit lässt er sich auf das Spontane ein, ohne je sein Ziel aus den Augen zu verlieren – selbst wenn es in den Fluten der Widersprüche zu versinken droht. Zuweilen spannend wie ein Piratenfilm, bereitet er mit aller erzählerischen Finesse äußerst versiert archäologische Methoden und Kenntnisse auf. Fiktive und dokumentarische Verfahren verwirbein zu flüssiger Handlung, die Kindheitstraum wie solide wissenschaftliche Praxis verbindet. Die Präzision der Beobachtung und Kameraführung wie auch die gelungene Balance zwischen Wissenschaft und Abenteuer verhilft dem Film zu einer filmkünstierisch wertvollen Qualität, die ihn weit über diese spezielle Preiskategorie hinaus auszeichnet.
Preis für den besten archäologischen Kurzfilm: „www.betreuteloecher.de“ (von Helmut Schulzeck)
Persönliches Engagement der Agierenden und beharrliche Forschung, verbunden mit Mobilität und Leichtigkeit gehören immer noch zu den Anforderungen an einen erfolgreichen Wissenschaftler. Die Heldin unseres ersten Preisträgers wird ihnen auf vorbildliche Weise gerecht. Passion pur. Zwischen Chaostheorie, schwarzen Löchern und all den anderen ungelösten Fragen der Menschheitsgeschichte findet sie ein weiteres großes Forschungsthema von globaler Bedeutung. Voller Spannung erwarten wir weitere Aufschlüsse. Man kann unseren ersten Preisträger wohl am besten als empirisches Kleinstkunst-Feuerwerk an Ironie und Wissenschaftspersiflage verstehen.
Lobende Erwähnung für „Alburnus Major“ (von Adolfo Conti)
Alles dreht sich ums Gold – heute genauso wie in der Antike. Früher brachte es Legionen in Marsch, heute Berge fressende Maschinen und todbringende Gifte. Mit unserer ersten Lobenden Erwähnung wollen wir auf einen Film aufmerksam machen, der sich weit über sein archäologisches Thema hinaus die drohende Zerstörung einer alten Kulturlandschaft im Herzen Europas zum Anliegen macht. Deutlich wird dabei die über die Jahrtausende gleich bleibende Ausbeutung der Region, deutlich aber auch, dass sich deren Dimensionen ins Unvorstellbare zu verschieben drohen mit nicht zu verharmlosenden Zerstörungen und gigantischen ökologischen Katastrophen.
Lobende Erwähnung für „Stuffed African – Der ausgestopfte Mohr“ (von Christian Schumacher & Gorch Pieken)
Der Mensch als Objekt – der tote Körper als Ausstellungsstück. Unsere dritte Erwähnung gilt einem Film, der anhand eines menschlichen Exponats grundsätzliche Fragen von Museums- und Ausstellungspraxis aufwirft. Experimentierfreudig und kunstvoll hinterfragt er dabei nicht zuletzt die historischen wie gegenwärtigen Bedingungen unseres Blicks – den Blick des Kolonialisten auf das Fremde, den Blick der Überlebenden auf die Toten und den Tod. Er traut sich, solche philosophischen, ethischen und politischen Fragen zu stellen und bleibt dennoch stets fesselnd und voller Esprit. Geschickt berührt er damit unmittelbar zeitaktuelle Themen wie Voyeurismus und massenwirksame Event-Präsentationen. Fantasievoll und anregend wächst er über sein Ausgangsthema hinaus, bewegt sich souverän im Spannungsfeld zwischen Moorleichen und Körperwelten.
Lobende Erwähnung für „Butrinti“ (von Vladimir Prifti)
Mit unserer zweiten lobenden Erwähnung möchten wir einen Film auszeichnen, der trotz der Bescheidenheit seiner Mittel Staunenswertes leistet, wenn er von einem italienischen Altertumsforscher im Albanien des Jahres 1924 berichtet. Statt in einem statischen Fotoporträt festzufahren oder es über notdürftige fiktive Brücken zu verklammern, tarnt er sich geschickt als Spielfilm, um in dieser Verkleidung seine dokumentarischen Funde zu präsentieren. Gleichzeitig macht er auf selbstreflexive Weise seine eigene Tarnung und sein filmisches Verfahren transparent. Jonglierend mit verschiedenen Zeitebenen setzt er Antike, frühes 20. Jahrhundert und aktuelle Gegenwart in spannungsreiche Beziehung. Unverblümt beruft das Porträt sich dabei stolz auf die klassische Vergangenheit Albaniens – als nicht zu leugnendes Memento der Zugehörigkeit zu Europa.