8. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide
Mehr als nur Kippeln
Hockern (Tobi Steib, Nico Rohmann, Helge Behrmann, Markus Hartung, D 2003)
Auf der Skateboard-Website www.titus.de findet sich eine Bericht über einen neueröffneten Skatepark in Lake Forest, Kalifornien, aus dem hier zur Einstimmung zitiert sei:
„Streetskater können sich im oberen Abschnitt, der diverse Funboxes, ein Double-Set mit Hubba Ledge, Zwölfer-Stufen mit zwei Rails, verschiedene Bank-to-Curb Kombinationen, Manual Blocks und einen Beton-Picknicktisch aufzuweisen hat, austoben. Von der Streetsection kommt man mehr oder weniger direkt in den Flow-Course. Wer richtig Vollgas gibt und ordentlich Pop hat, kann nämlich aus der Bank der Streetarea in die vordere Transition der Flowarea ballern. Hier macht alleine schon das Durchcruisen dank perfekter Hips und Corners super viel Spaß. Wer sich anschließend den Rest geben will, dem stehen noch ein Combi Bowl und ein Skull Bowl zur Auswahl. Die Tiefe des Combi Bowls, der mit Metallcoping umrandet ist, variiert zwischen sechs und acht Fuß. Im Skull Bowl kommen Leute, die keinen Schiss vor einer heftigen Transition und Poolcoping haben, auf ihre Kosten. Apropos Kosten: Der Einritt ist FREI!!!“
Dieser kurze Ausflug in die knochenbrecherische Welt tollkühner Männer auf ihren rollenden Brettern ist hilfreich, um die ausgefeilte Selbstironie eines Kurzfilms zu würdigen, der irgendwo in den subkulturellen Abgründen des Kieler Stadtteils Gaarden entstanden ist und auf dem 8. Filmfest Schleswig-Holstein nun erstmals das Licht der Leinwand erreichen wird. „Hockern – Mehr als nur Kippeln“ zeigt in knappen vier Minuten, wie man mit skateboardgeschultem Körpergefühl und dem richtigen Hawaiihemd aus einem drögen Stubenhocker ein Indoor-Sportgerät machen kann, das schon bald die Trend-Scouts der Freizeitindustrie beschäftigen dürfte. Trotz der eigentümlichen Symmetrie solcher Sitzmöbel und ihres eklatanten Mangels an Rädern lässt sich damit aus dem Repertoire von Skater- und Blader-Tricks eine performative Essenz gewinnen, die in ihrer motorischen Anmut irgenwo zwischen Keulengymnastik und Synchronschwimmen einzuordnen ist. Doch weil Hockern aller tänzerischen Eleganz zum Trotz eindeutig ein Sport für harte Jungs ist, kommt der Film selber als kleines, trashiges Pixel-Werk daher. Die krude, ungemischte Tonspur erzeugt mit Musikfetzen und Jubel-Fragmenten einen treibenden Rhythmus, der übertönt wird vom Donnern der Hockerfüße auf zernarbtem Parkett. Das hat ordentlich Pop. (Lorenz Müller)
Buch, Regie, Performance: Tobi Steib, Nico Rohmann, Helge Behrmann, Markus Hartung, 4 Min., Video, 2003