Symposium: Der junge Dokumentarfilm – zwischen Ausbildung und Markt
Die Veranstalter dokumentarfilminitiative dfi und Haus des Dokumentarfilms boten vom 6. bis 8. Juni in Köln drei Tage lang Filme, Erfahrungsberichte, Diskussionen und Gespräche: Filme von Studentinnen und Absolventen der Filmhochschulen; Diskussionen zwischen filmschaffendem Nachwuchs, Vertreterinnen der Hochschulen und Fernsehredaktionen. Die Spannbreite reichte vom dokumentarischen Autorenfilm und seinen Chancen im Fernsehmarkt bis zu formatierten Doku-Sendeplätzen und neuen Doku-Serien.
In der Diskussion mit den Vertretern der Hochschulen – die leider unter der Eitelkeit einiger älterer Hochschullehrer litt – entwickelte sich in der Podiumsdiskussion ein deutliches Votum für eine offene, gemeinsame Ausbildung von Dokumentar- und Spielfilmregie im Verbund mit den wichtigen Gewerken wie Produktion, Kamera, Ton und Montage.
Prof. Hans Beller, KHM Köln verglich die Aufgaben der Filmhochschulen mit den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in der freien Wirtschaft. Die Hochschulen übernehmen treuhänderisch die Ausbildung, die Nachwuchsförderung, die inhaltliche, künstlerische und formale Weiterentwicklung des Mediums und sind damit quasi zum Experiment verpflichtet. Dies geschieht auf dem Hintergrund der realen, ökonomischen Marktbedingungen mit viel Selbstausbeutung ohne in der Hochschule schon eine Einengung, eine direkte Ausrichtung nur auf den „Markt“ vorzunehmen.
In der Podiumsdiskussion der Redakteure – nur öffentlich-rechtliche – und Produzenten artikulierte sich die Forderung an die Studenten und Absolventinnen doch für den Umgang mit den Redaktionen genauer zu recherchieren, die Formate der jeweiligen Redaktionen zu beachten und sich über die Filmszene allgemein, über die Medienpolitik zu informieren.
Wichtig ist in dem Zusammenhang auf die besondere, fördernde Stellung der im Symposium vertretenen Redaktionen von SWR, ZDF, WDR, 3Sat/arte für den dokumentarischen Nachwuchs in Deutschland hinzuweisen. Der Redaktionsalltag für „Dokumentarisches“ sieht anderenorts sicher bedrückender aus.
Fritz Wolf, Medienjournalist aus Düsseldorf widmete sich in seinem Vortrag diesem Umfeld und den 360 „dokumentarischen“ Sendungen pro Woche im deutschen Fernsehen (ohne Phoenix). Das dabei der größte Anteil Dokumentarfilme (Autorenfilme) bei ARD, ZDF, Arte und 3Sat liegt überrascht nicht. 4/5 der Sendungen haben eine Länge von 30 bis 40 Minuten, nur 12 Sendungen sind 90 Minuten lang. Die Hälfte der Sendungen sind Einzelstücke, 100 sind Serien und 22 werden als Mehrteiler versendet. Vertreten sind alle dokumentarischen Genres, von der Reportage über Feature und Dokusoap bis zum Dokumentarfilm. 1/5 aller Dokus entstammen der Reisebranche und Tierfilme sind 31 in der Woche versendet worden, während nur 6 Beiträge dem Bereich Politik zugeordnet werden können. Kein einfacher Markt für anspruchsvolle Autoren.
Wie von Seiten der Hochschullehrer wurde ebenfalls auf Redakteursseite die Zusammenarbeit der einzelnen Filmschaffenden, die Bildung von kleinen Netzwerken, die gegenseitige Stärkung für das „Überleben im Markt“ unterstützt.
Patentrezepte konnten keine vergeben werden aber es wurde deutlich auf die Eigenverantwortung, auf die notwendige Selbstsicherheit in Verbindung mit kreativer, intellektueller und sozialer Kompetenz hingewiesen.
Die zum Teil auch unerfreulichen Erfahrungen der anwesenden Filmschaffenden mit Fernsehsendern legen auch, wie vom Podium befürwortet, die frühzeitige Zusammenarbeit mit Produktionskollegen, mit Produzentinnen nahe, um nicht an der Unerfahrenheit und Vereinzelung zu scheitern.
Die entscheidende Frage nach dem tatsächlichen Einfluss der Redakteure beim Sender zur Umsetzung auch anspruchsvoller und unterhaltender Themen vor dem Hintergrund zunehmender Entscheidungsdirektiven von Programmdirektionen und übermächtiger Honorar/Lizenz-Abteilungen wurde leider nicht gestellt. An genau dieser Stelle hätte die Diskussion ihre Unverbindlichkeit verloren und hätte sich ganz konkret dem Phänomen Markt gewidmet.
Unerwähnt bleiben die vielen überzeugenden Produktionen, die von den Filmschaffenden vorgestellt und diskutiert wurden. Zum Teil schon mit Preisen ausgezeichnet wurden Filme von 10 Min. bis 110 Min. gezeigt, die in und um die Hochschulen entstanden sind und eine enorme Bandbreite dokumentarischen Schaffens präsentierten. Darunter waren so erfolgreiche Fernseh- und Kinofilme wie „Der Tag, der in der Handtasche verschwand“, „Absolut Warhola“ und „Dreckfresser“, ferner auch die Premiere der mehrjährigen Arbeit von Christiane Büchner „Das Haus der Regierung“. (bgn)