Interview mit Friederike Rückert zur Tagung „Bewegte Welt // Bewegte Bilder“

Online-Medien und mobile Endgeräte haben die Verfügbarkeit und Distribution von Informationen enorm beschleunigt und verändert. Das gilt in den letzten Jahren insbesondere für audio-visuelle Medien, die durch stark erweiterte Datenübertragungsbandbreiten und verbesserte Netzwerkreichweiten nahezu jederzeit und an jedem Ort verfügbar sind. Die neuen Möglichkeiten der Rezeption von Medien müssen natürlich bereits in der Schulbildung berücksichtigt werden. Die Dozentin für Kunstdidaktik am Kunsthistorischen Institut der CAU und ehemaliges Vorstandsmitglied von Filmkultur SH e.V., Friederike Rückert, hat mit „Bewegte Welt // Bewegte Bilder“ eine Tagung an der Christian-Albrechts-Universität Kiel konzipiert und durchgeführt, die sich Anfang Juni den theoretischen und praktischen Aspekten zeitgemäßer Medien-Schulbildung widmete.
In unserem Interview fragten wir Friederike Rückert nach den thematischen Hintergründen und auch nach Optionen für Filmemacher*innen, die sich aus dem Bedarf an schulischer Medienbildung ergeben. Das Interview führte Daniel Krönke. Einen Überblick über die Vortragenden und ihre Themen sowie fotografische Eindrücke von der Tagung finden Sie hier.
infomedia-sh:
Friederike Rückert, Sie waren nicht nur die Organisatorin der Tagung „Bewegte Welt // Bewegte Bilder“, sondern auch die Initiatorin. Gab es einen bestimmten Anlass oder war es einfach an der Zeit, eine Tagung zum Thema schulische Filmbildung unter Berücksichtigung aktueller Online-Medien zu halten?
Friederike Rückert:
Für die Antwort muss ich etwas ausholen: Ein großer Teil dessen, was Kinder und Jugendliche von der Welt sehen und kennen, wird ihnen über Bewegtbilder in Online-Medien vermittelt. In der JIM-Studie 2016 war im Punkt „Beschäftigung mit Medien in der Freizeit“ zu lesen, dass 52% der Jugendlichen täglich Online-Videos betrachten. YouTube gilt als das beliebteste Internetangebot 2016 und steht zudem an zweiter Stelle (nach den Suchmaschinen), wenn es darum geht, sich gezielt über Themen im Internet zu informieren. Der Bremer Medienpädagoge Karsten Wolf bezeichnete YouTube bereits im Jahr 2015 als „eine Art visuelle Enzyklopädie sowohl des alltäglichen als auch des hochspezialisierten Wissens“. Dadurch hat sich viel verändert. Beispielsweise um einen Film in der Schule zu betrachten, muss eine Lehrkraft keinen Filmapparat mehr aufstellen oder ins Kino gehen, sondern es reicht der Griff in die Hosentasche der Schüler*innen, in denen das Smartphone steckt. Mit diesem und anderen digitalen Endgeräten wie Tablets, aber auch mit Drohnen erstellen sie täglich auch selbst Bewegtbilder. Vieles davon ist auf YouTube sichtbar: Da gibt es eigene Videoblogs, in denen das tägliche Leben dargestellt wird, Video-Tutorials, in denen etwas zum Nachmachen Schritt für Schritt vorgeführt wird, Performanzvideos, in denen beispielsweise ein toller Skateboardtrick vorgeführt wird, „Let’s play Videos“, bei denen der Monitor abgefilmt wird, um z.B. zu zeigen, wie etwas gebaut wird, oder auch eigene Kurzspielfilme, Dokumentationen, Spots, Zeichentrickfilme und experimentelle Formen. Um es mal sehr verknappt zu sagen: Für die Filmpädagogik bringt diese Entwicklung deutliche Veränderungen mit sich.
Prof. Dr. Klaus Gereon Beuckers und Friederike Rückert (Fotos: dakro)
infomedia-sh:
Was war Ihnen bei der Konzeption besonders wichtig. Uns ist z.B. am Tagungsprogramm aufgefallen, dass sich medientheoretische Vorträge mit Best-Practice-Beispielen fast durchgehend abwechselten. Sie selbst sind ja als Videokünstlerin, Filmemacherin, Dozentin und Lehrerin und nun am Kunsthistorischen Institut in allen Bereichen zuhause.
Friederike Rückert:
In den letzten Jahren habe ich sowohl durch die Arbeit an der Muthesius Kunsthochschule und der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, als auch an der Christian-Albrechts-Universität die verschiedensten Positionen der Filmbildung kennengelernt. Gewundert hat mich immer, dass es wenige Berührungspunkte zwischen Theorie und Praxis gibt. Genau dem wollte ich mit der Konzeption entgegenwirken, in der Hoffnung, dass alle davon profitieren und einen anderen Blick auf den selben Gegenstand, bekommen.
infomedia-sh:
Wie setzte sich das Auditorium zusammen? Hat das Ihren Vorstellungen einer idealen Zielgruppe entsprochen, und gab es Feedback von Publikum und Vortragsgästen?
Friederike Rückert:
Das Auditorium bestand aus Studierenden, Lehrkräften, Vertreter*innen des Kultusministeriums und des IQSH, Kunsthistoriker*innen, Filmwissenschaftler*innen, Filmemacher*innen, Filmvermittler*innen und anderen Interessierten. Eine solch breite Zielgruppe birgt immer die Gefahr in sich, dass man niemanden gerecht wird. Für die einen ist es zu theoretisch, für die anderen zu praxisbezogen. Genau das habe ich als Herausforderung gesehen, denn das Thema geht alle genannten Personen an. Umso wichtiger ist ein breiter Austausch, den wir mit dieser Tagung zumindest initiiert haben. Das wird sich auf jeden Fall darin fortsetzen, dass wir einen Tagungsband herausbringen, der dieses Konzept des Austauschs zwischen Theorie und Praxis spiegelt und weiter unterhält.
infomedia-sh:
Wie finden die Vorträge und Erkenntnisse aus der Tagung ihren Weg zu den Pädagog*innen?
Friederike Rückert:
Wie schon gesagt wird 2018 ein Tagungsband erscheinen, in dem alle Beiträge noch einmal abgedruckt sind. Zum anderen wird es hoffentlich demnächst eine Website geben, auf der die verschiedenen Angebote der Filmbildung in Schleswig-Holstein gebündelt vorgestellt werden. Im kommenden Jahr könnte es zudem eine Folgeveranstaltung geben, da könnte dann beispielsweise der Animationsfilm noch mehr fokussiert werden und auch ein Praxisworkshop für Lehrkräfte angeboten werden.
Gut besuchte Fachvorträge bei „Bewegte Welt // Bewegte Bilder“
infomedia-sh:
In ein, zwei Vorträgen gab es durchaus den Appell an Filmemacher*innen, das Feld der Pädagogik als berufliche Perspektive zu betrachten. So wies z.B. Prof. Dr. Axel Buether darauf hin, dass das Gestalten von Lehrfilmen ja durchaus eine berufliche Option sei. Fallen Ihnen noch weitere Beispiele als Einsatzfeld für Filmemacher*innen ein?
Friederike Rückert:
Viele Schulen sind bereit, im Rahmen der Ganztagsangebote oder besonderer Projekte Filmemacher*innen an Schulen vorübergehend zu beschäftigen. Die bereits genannte Website könnte helfen, dass Schulen und Filmschaffende besser zueinander finden können. Das ist ein Projekt, das ich zusammen mit Filmkultur SH e.V. verfolgen werde.
infomedia-sh:
Frau Rückert, wir bedanken uns für das Gespräch.

Vita Friederike Rückert

  • Friederike Rückert, geb. 1976 in Wiesbaden, studierte Medienkunst an der Muthesius Kunsthochschule Kiel (2003 Diplom) sowie Kunst und Französisch (Lehramt Gymnasium) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2003 1.Staatsexamen). Sie verbrachte Auslandssemester in Sevilla und Lyon.
  • 2003-2005: Aufbaustudium Film an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (2005 Zertifikat).
  • 2004-2006: Deutsch-dänische Filmfortbildung Filmtrain (2006 Zertifikat).
  • 2004-2006: Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Muthesius Kunsthochschule Kiel (Zentrum für Medien) und Akademische Tutorin an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Prof. Wim Wenders.
  • Seit 2006: Künstlerische Tätigkeit als Videokünstlerin und Filmemacherin, u.a. DAAD-Projektstipendium in Paris 2007, Mitarbeiterin Video-Werkstatt der Muthesius Kunsthochschule u.a.
  • Seit 2013: Dozentin für Fachdidaktik Kunst am Kunsthistorischen Institut der CAU.
  • Von 2010 bis 2013: Ehrenamtliche Arbeit als Mitglied des Vorstands der Filmkultur Schleswig-Holstein e.V. (ehemals Kulturelle Filmförderung SH e.V.)
  • Mehr zu Friederike Rückert: www.friederike-rueckert.de.
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