21. Filmfest Schleswig-Holstein 2017
Experimentelle Grenzüberschreitung
„D|DK“ (Karsten Wiesel, D 2016)
Am Anfang stand ein einfaches Konzept: Filmemacher und Künstler Karsten Wiesel wollte die 67 km lange deutsch-dänische Grenze in westlicher Richtung von der Ostsee bis zur Nordsee abschreiten, in Einzelbildern fotografieren und diese dann im Stop-Motion-Stil als durchlaufenden Film verknüpfen. Mit der ursprünglich geplanten Filmlänge von 5 Minuten und 25 Bildern pro Sekunde kam er rechnerisch auf einen Abstand von 9 Metern Weg zwischen jedem neuen Foto. Dass am Ende 12 Minuten Film daraus wurden, ist dem Trickfilmprinzip geschuldet, jeweils zwei Frames eines Bildes zu zeigen, um die Wahrnehmbarkeit des Einzelbildes zu steigern. Soweit das technische Konzept für einen klassischen Experimentalfilm-Ansatz mit offenem Ausgang.
Eines der Bilder von der deutsch-dänischen Grenze (Foto: Karsten Wiesel)
Im Kinosaal stellen sich die 12 Minuten als eine passende Länge heraus, um sich auf dieses Ergebnis des Experiments einzulassen. Nach dem ersten Überraschungsmoment, der Film beginnt in der Ostsee, braucht man einen Augenblick, um sich auf die Rasanz der Bilderflut einzustellen. Dann aber schärft sich die Wahrnehmung. Im Wechsel zwischen Feldwegen, Knicks und vielen Gräben bleiben einzelne Details hängen. Die Grenze selbst ist praktisch kaum markiert: Signalisieren einzelne kleine Holzlatten mit rotem Kopf etwa den Wechsel zwischen Dänemark und Deutschland? Die äußerst disziplinierte und akkurate Kameraführung verstärkt den Effekt eines traumhaften Schwebens in Bodennähe. Der sphärisch-dunkle Klangteppich von Burkhard Friedrich bedeutet uns, dass hier nicht lediglich ein ausgefallener Wanderweg dokumentiert wird, sondern die Grenze einst schwer umkämpft war. Wer genau hinhört, wird im Soundtrack die deutsche Nationalhymne mit eingesprochenem dänischen Nationalhymnentext und umgekehrt herausfiltern. In konsequenter Entsprechung wischen Bild- und Ton verorten die Kadrierung und der Stereo-Sound die angrenzenden Nationalstaaten nach links beziehungsweise rechts. Doch die Erkenntnis aus der Rezeption von visueller und auditiver Ebene ist eine andere: Die Grenze löst sich auf, wird unsichtbar. Es bleibt die Schönheit der Natur, grüne Gräser, Felder, Gräben, Bäume und schließlich urwaldartiges Unterholz.
Mit „D|DK“ ist Karsten Wiesel eine filmische Meditation über die deutsch-dänische Grenze im Speziellen und Ländergrenzen im Allgemeinen gelungen. Der rauschhafte Bildersog und der schwebende Klangteppich lassen Raum für Reflektion über die kriegerische Vergangenheit der zwei Nationalstaaten und das Glück des gegenwärtigen, friedlichen Neben- und Miteinanders. (dakro)
„D/DK“, D 2016, Digitalvideo und Fotografie, 12 min.; Regie und Konzept: Karsten Wiesel; Musik: Burkhard Friedrich. Die Videoinstallation und zusätzliche, sehenswerte Naturfotografien aus dem Film sind noch bis zum 9. April 2017 in der Stadtgalerie Kiel zu sehen.