Dokumentiert:
Enteignung droht – Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft
Zur Unzeit (Berlinale/DIDACTA) hat das Bundesjustizministerium einen offiziellen Entwurf für ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht veröffentlicht. Bis zum 24. Februar 2017 können die interessierten Verbände den Entwurf kommentieren (unter dem Link oben werden die Stellungnahmen der Verbände dann sukzessive auch als PDF veröffentlicht).
Der neue Pragraph 60a regelt dann die Werknutzung in der Schule: Mit einer 25%-Klausel soll die Werknutzung verschiedener Mediengattungen im Schulunterricht privilegiert werden. Hierbei werden diese Werknutzungen erlaubt:
- Vervielfältigung
- Verbreitung
- öffentliche Zugänglichmachung
- öffentliche Wiedergabe
25% eines Films dürfen dann ohne Rücksprache mit den Filmautoren und ohne Lizensierung verwendet werden (Der Staat zahlt dafür eine Pauschalvergütung an Verwertungsgesellschaften).
Es kommt aber noch dicker: Auf Seite 35 (Anhang zum Gesetzentwurf) erklärt das Ministerium: „Sofern es um Schulklassen und andere kleine, regelmäßig zusammen unterrichtete Gruppen geht (z.B. Referendare in einer Seminargruppe während des Lehramtsreferendariats), ist die Nutzung von Werken nach derzeitiger Rechtsprechung zu Paragraph 15 Absatz 3 UrhG nicht öffentlich. Damit liegt keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vor; ein Lehrer kann also beispielsweise einen Film vollständig zeigen, weil es sich nicht um eine öffentliche Wiedergabe handelt.“
Damit ist der Bildungsmarkt im Kernbereich (Schulunterricht) tot für Dokus. Das tangiert ebenfalls die Auswertung an Bildstellen, Medienzentren, Medienzentralen und Landesfilmdiensten.
Das BMJV argumentiert undifferenziert:
- „Derzeitige Rechtsprechung“ ist vermutlich irgendein Urteil eines Landgerichts (Einzelfallurteile haben aber wenig Bedeutung bei dieser Fragestellung).
- In Deutschland gibt es keine höchstrichterliche Entscheidung, ob Unterricht öffentlich ist oder nicht.
- In Österreich ist der Unterricht höchst richterlich als öffentlich eingestuft (und damit lizenzpflichtig).
- Die herrschende Rechtsauffassung in Deutschland geht davon aus, dass der Unterricht im Einzelfall mal öffentlich und mal nicht-öffentlich sein kann. (Leider kennt der Gesetzgeber das Wort „privat“ in diesem Zusammenhang nicht. Privat ist der Unterricht ja nie, darum geht es aber im Kern). Die Oberstufe mit dem Kurssystem gilt seit jeher als öffentlich.
- Seit Jahrzehnten gibt es einen Markt (Lizenzkauf durch Schulen, Medienzentren etc.), der nun negiert wird.
Dokus und Kurzfilme haben aber fast nur den Bildungsmarkt als Zweitauswertung. Ich empfehle dem Verband, hier Druck zu machen und diese geplante Enteignung der Urheber zu stoppen. Filmvorführungen im Schulunterricht müssen – unabhängig vom Öffentlichkeitsbegriff – unter die 25%-Klausel fallen (und es ist fraglich, ob 25% nicht etwas viel sind). Nur so werden die Urheber im Bildungsmarkt nicht weitestgehend enteignet, und nur so erhält der Lehrer in Zukunft Rechtssicherheit für seine Filmvorführungen.
(Kay Gollhardt in der Postlist der AG DOK)