21. Filmfest Schleswig-Holstein 2017

Zwischen Politik und Poesie

Zum Abschluss des 21. Filmfests SH vergaben die Jurys vier Preise und drei lobende Erwähnungen

„Besonders für unsere Protagonisten“ freut sich Hauke Wendler, mit Carsten Rau Autor der Dokumentation „Deportation Class“, über den von ver.di gestifteten und mit 1.000 Euro dotierten Dokumentarfilmpreis, der ihm zum Abschluss des 21. Filmfests SH überreicht wurde. „Sehr kurzfristig“ hätten sich die ins „so genannt sichere Herkunftsland“ Albanien Abgeschobenen entschieden, sich dabei filmen zu lassen. Einer der Protagonisten gab an, dies sei die letzte Möglichkeit, „noch einmal selbst zu Wort zu kommen“. Weniger einen „formal künstlerischen Film, sondern ein Dokument“ zu einem virulenten politischen Thema sieht Wendler daher in der Doku, bei der „die Filmemacher mit deutlicher Haltung zur Abschiebeprozedur hautnah dabei sind, als die Familien nachts aus dem Schlaf gerissen werden“, wie es in der Jury-Begründung heißt.
Politik streitbar im Film
Nachts aus dem Schlaf gerissen, werden albanische Familien abgeschoben. Still aus „Deportation Class“
„Wir brauchen solche Filme, damit wir ins Gespräch kommen, damit wir streiten, und dafür ist das Kino der richtige Ort“, sagt Wendler und verortet den Dokumentarfilm aus dem Norden damit im aktuellen politischen Diskurs, den auch das Filmfest anstoßen wollte. Im selben Sinne erwähnt die Jury lobend den Eröffnungsfilm, Antje Huberts „Von Bananenbäumen träumen“ über den kreativen Kampf eines Dorfes gegen sein Aussterben. Der NS-Politik, einen Koog mustergültig „deutsch“ zu besiedeln, spürt die Kurzdoku „Franzosensand“ von Bettina Nürnberg und Dirk Peuker nach und gewann damit den von Filmkultur SH e.V. gestifteten Filmpreis SH. Die Jury lobte, wie darin „mit Fiktion und Dokumentation, Vergangenheit und Gegenwart gespielt“ werde.
Doch nicht nur politisch behandelten viele der 37 Filmfest-Beiträge die großen Fragen des Lebens (und Todes), auch poetisch. Ex aequo (je 1.000 Euro) ging der Filmpreis SH daher an den Kurzfilm „If you leave me now“ der Schwedin Maria Eriksson über das „Loslassen von einem geliebten Menschen, damit er sein eigenes Leben leben darf“ (Jury). Jenes Leben schreibt manchmal (tragi-) komische Geschichten wie in dem lobend erwähnten Kurzfilm „Tilda“ von Katja Benrath, der fast ohne Worte und bildnerisch doch hoch poetisch die heimliche Liebe einer Küsterin zu ihrem Pastor schildert.
Filmen zwischen Nähe und Distanz
Nur drei der PreisträgerInnen und lobend Erwähnten konnten ihren Preis und die Buddelschiff-Trophäe vor Ort entgegennehmen (v.l.: Mie Skjoldemose, Jasmin Luu, Hauke Wendler.) (Foto: Björn Schaller)
Auch der Nachwuchs (der mit ebenfalls 1.000 Euro dotierte Preis wurde von den Kiel-Tatort-Produzenten Nordfilm gestiftet) beschäftigt sich in poetischer Filmsprache, die „erzählerisch und stilistisch Mut beweist“ (Jury), mit den Fragen, wie man denn leben soll in dieser wirren Welt. „Voxeværk“ von der Dänin Mie Skjoldemose zeichnet das Coming-of-Age einer jungen Frau in „einer ungewöhnlichen und gewagten Mischung aus fantastischen und realistischen Elementen“, so die Jury. Noch poetischer präsentiert die Nachwuchsfilmerin Jasmin Luu – lobende Erwähnung – in „Different Directions“ den Tanz eines Paares zwischen Nähe und Distanz. Filmische Poesie und Performance bilden hier eine fruchtbare Allianz und zeigen, wie politisch jede Poesie – und umgekehrt – sein kann. (jm)
Infos über die Filme auf www.filmfest-sh.de
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