Inferno [ir]rationale

Die DVD „Rationen“ der Filmgruppe Chaos angeschaut und live kommentiert

Machen wir es doch mal in der Besprechung genauso wie die Kieler Filmgruppe Chaos – gegen alle Regeln der Rezension, Rationen gegen die Ratio … stricktly Cut.Up – eine assoziative Annäherung an ein außergewöhnliches Filmwerk:
Einlegen und -loggen in den Schacht, aus dem das kömmbt | „Kill Kino Kill Kill“ gucken | Soundtrack, gewalttätig, Hollywood oder anderer Horror der Filmgeschichte | zermartert das 16mm-Material wie dann weiter | mit Filzstift, Messer oder schlimmeren Werkzeugen und Chemikalien | Das Kino zertrümmern! | Motto … ||
„Stanz“ und „Stanz 2“ | Löcher ins Material zu Beats, die ähnlich löchrig | und Übermalung mit Filzer | bis man nichts mehr sieht | um – endlich – zu sehen | Musik: Clay Gold | also zu hören ||
+++ Ticker-Notiz +++ achtes, also achtbares Glas Rott.Wein +++ | und „Zeitgeister“ | eine Art in Stein gehau’nes Requiem | Doch die Toten zwitschern (Soundtrack) garstig und chines- oder japan- und jüdisch | Wie Wien, Zentralfriedhof | Engel aufflackern | nur am Anfang zerschreddert durch Zerr-Störung ||
So ähnlich „Flutterman“ | passt ins Bild | American Sound.Bit(e)s | Möwe, irgendwie hilflos | Präsidenten-Countdown | We have a Liftoff! ||
„Dopplereffekt“ kenn’ ich als studierter Physiker natürlich | aber nicht so optisch | hier das Filmbild sich voraus- und nacheilend, wie der Schall verdichtend und verdünnend | der Tanz | die Wollcken | die das Wollen b&w ||
Von ’nem Screening bei Augenweide (heißt jetzt fälschlich Filmfest – die haben eben alle keine Ahnung – Zorn immer noch, nur gegen wen?) als Sprung des „Blauen Peters“ in eine Rhapsodie in Blue-Black-White bekannt | Das Kind erwächst aus sowas wie Uterus zum Embry.Jojo.YOLO ||
Wie man im „Making Of“ (Extra der DVD) sieht, Logo-Streifen mit Schädeln aufgeklebt | „Death a Gogo“ | not to go – ich möchte bleiben | im Grab | du bist so tief und schön | in Poetry, „in tongues, they gave us“ | in der Über.Blendung ||
„Time Is Now“, daher | +++ neunte, also neue Glasscherbe aus Wein und Weinen und Weihen +++ | Rock-Movie a la Woodstückchen | gegenüber vorigem eher vidiotisch | dennoch jeden heutigen MusiClip in RGB-Schatten stellend ||
Team-Selfies, übermalt | insofern dem „Making Of“ zugeschlagen | geil aber, in „Shoot“ die Nizo wie eine Pistole sich an den Kopf zu setzen ||
„hopstick“ ist artificial art, Lichtschwerter | in die Diagonalen der Zellen | So kurz, so schön ||
„Adé nun, der Winter ist ein harter Schluß“, singen die Twenty-GesellInnen | b’n’w? Nö: trefflich koloriert | wie „du mein Schatz bleibst hier“ | ach ja, und Schubert …| Ich weiß einfach zu viel aus all der Kultur ||
Daher „No Hope For Me“ | Musikvideo schon gar nicht am Rhein, vom Rhein | wer soll des Stromes Cutter sein? | die Blondine, die hier rockig singt? | Oder eben doch die sporadisch chemisch zerstörte Schicht des Films, die über | die vermeintliche Wirklichkeit wie Tesafilm geklebt wird ||
Besser gefällt mir „Macht“ | dies Stammeln | dies Zögern | dies Nicht-Wissen | diese Ohn-Macht | dies „Ähm …“ ||
Wieder Macht in schlimmem Stein | „To Break One’Sword“ auf dem Kieler Rathausplatz | Denke: Fuck those Fighters, they didn’t fight for me | because I don’t fight | and I’m not in the condition to fuck | but to cut! ||
„Angst“: | Hitch.Cuckold.Sounds | aber nicht seine Bilder | nur Grauen | dem aber sich ausliefern | Lugosi lockt | und da ist noch die Krankenschwester an meinem verstorbenen Leib, in weiße Tücher gewichselt | verstört und zerstört ||
Dann doch noch „Kiel“ | „meine Stadt schmeckt nach Salz“ (Klavki) | und nach Passagen | Umkehr, U-Turn, nicht erlaubt | nur Hinwendung in der Holstenstraße ||
„Wer nichts zu verbergen hat“, wird nicht Künstler, sondern Kleinbürger | oder geht zur dirigistischen statt Director-Polizei | Sixties, als wir noch Polizei- (jetzt Überwachungs-) Staat waren | Sind das nordkoreanische … nein doch deutsche Gesänge im Soundtrack? ||
Am „Gummibaum“ wächst hier mein alpenhoher Traum | wohl konsequentest das Filmmaterial mit Fingerprints versehrt | also mit dem unverwechselbar Eigenen | angetastet auf die linnene Wand ||
„Süperman“ reitet wie einst Jesus auf ’nem Maulaffenfeilhaltendtier ein in die großen Schädelstädte | Vertreibt im Flug, nein, gemeindet zitierend ein, den Dada-Schrei vom HeartfieldMan ||
Bleibt Püppi im „Kindertraum“ | Zum DVD-Finale (abgesehen von den instruktiven Extras) wohl das emblematischste Werk | Schwarzbild ||
|| +++ Nachtticker +++ Glas Dutzend duzend +++ Kommen wir also | weil ja auch die Sonne schon aufgeht und das Dunkel des Kinos mit ihrem Licht stört | mal wieder runter auf Presseinfos (das es hier glücklicherweise nicht gibt) Niveau: Kurzum: die FGC hat in 40 Jahren eine experimentelle Filmsprache entwickelt, die ihres Gleichen nicht sucht, weil sie es nicht finden würde. Sie ist im besten Sinne des Wortes einzigartig in ihrer Radikalität, in ihrer Unbedingtheit, in ihrer Abgedrehtheit.
Aber brechen wir das ruhig nochmal weiter runter auf die bloße Info, die natürlich viel weniger als mehr sagt: Nach 40 Jahren Malträtierung von Super-8-Material brachte der Erwerb zweier ARRI-16mm-Kameras den Kieler Chaos-Filmern nochmal einen neuen Schub. Denn 16mm lassen sich noch besser verheeren als S8. Entstanden ist mit der DVD zum 40. Geburtstag ein einzigartiges Dokument dessen, was Film noch kann, aber bisher kaum jemand ausprobierte – und das mit analogen, chemischen, kratzmessernden Mitteln. Das kann kein digitaler Effekt reproduzieren. Chapeau, Chapeau, Chapeau vor unseren Kieler Chaos-Künstlern. Das Kino ist „kill, kill“ tot, noch lang lebe es und entwickele sich (in der „russischen Dose“) weiter hier! (jm)
Die Werkschau-DVD „Rationen – Filme der Filmgruppe Chaos 2012-2015“ wurde gefördert von der FFHSH und ist über www.filmgruppe-chaos.de erhältlich.
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