Verbotenes Lichtspiel 9 zeigt „SPASS TOD GOLD – Deutsches Kino der Sensationen“

Timetable

  • 6.1.2016, 20:30, Schaubude: Karate, Küssen, blonde Katzen (Ernst Hofbauer, Chih Hung Kuei, BRD/Hongkong 1974, 91 min)
  • 14.1.2016, 20:30, Luna Club: Zinksärge für die Goldjungen (Jürgen Roland, BRD/Italien 1973, 87 min)
  • 21.1.2016, 20:30, HansaFilmpalast: Supermarkt (Roland Klick, BRD 1974, 84 min)
  • 27.1.2016, 20:30, Ben Briggs: Blutiger Freitag (Rolf Olsen, BRD/Italien 1972, 92 min)
  • 29.1.2016, 21:00 Uhr Kino in der Pumpe: Alle Kätzchen naschen gern (Josef Zachar, BRD 1969, 84 min)

SPASS TOD GOLD – Deutsches Kino der Sensationen

Dass das deutsche Kino zu Hitlerismus und Katja-Riemann-gesättigter Beziehungskömödie neigt, ist ein hartnäckiges Vorurteil. Allerdings ein entweder dauerhaft oder in den Neunzigern selbstverschuldetes. Deshalb greifen wir ein. Es gibt deutsche Filme, die sowohl den Orten als auch ihrer Gegenwart und Wirklichkeit vertrauen. Die Tod und (körperliche) Liebe gleichermaßen umarmen und beiden beherzt Schauwerte abzugewinnen wissen. Es sind Filme, die den Begriff Genre noch kennen und sich nicht zäh an ihm abarbeiten, sondern ihn als Matrix und Herausforderung begreifen. Und wir müssen dafür kaum mehr als 40 Jahre zurückgehen.
Postermotiv Verlorenes Lichtspiel 9 (von Stefan Werner, www.formgut.de)
Im Januar 2016 präsentiert Verbotenes Lichtspiel deutsche Filme, die in den sechziger und siebziger Jahren nicht alle Rezensenten von den Stühlen gerissen haben und wenn, dann oft vor Entsetzen. Ein „billig-ordinäres Sexlustspiel“ (Katholischer Filmdienst) mit „einer zotenreichen Nacktparade“, die „in dieser Form abzulehnen“ sei (Evangelischer Filmbeobachter), sorgt für eine erwartbare Ökumene des Tadels („Alle Kätzchen naschen gern“). Und wenn das Lexikon des internationalen Films eine „wilde Mischung aus billigem asiatischem Piraten-Kung-Fu-Film und deutscher Sexposse“ konstatiert, dann wird der neutrale Leser eher neugierig als missmutig („Karate, Küsse, blonde Katzen“). Auch dass eine „merkwürdig zusammengesetzte Gruppe von Gestrandeten“ mit „einer Dosis Klassenkampf, plakativen Sprüchen und mehreren Portionen Brutalität“ eine Bank überfällt, lässt das gestrenge Lexikon die Nase rümpfen („Blutiger Freitag“). Das Handbuch Film lobt vielleicht eher unfreiwilig: „Rüdes Bandenspektakel mit ausgekosteten Gewaltdarstellungen und gleichnishaften Spiegelungsversuchen.“ („Zinksärge für die Goldjungen“) Und es gibt noch ein kleines Wunder. Ein Film der großartig ist, rau, schnell, milieugesättigt – und den die filmischen Moralinstanzen nicht hassen. („Supermarkt“) So schreibt das Lexikon erstaunt: „Handwerklich erstaunlich routinierter Thriller von Roland Klick.“
Auch wir sind erstaunt: Mit wieviel Unverschämtheit, Kraft und Gier, mit wieviel Geil- und Wahrheit die Filme gemacht sind. Sie stehen für ein fast verlorenes Kino und sind doch rare Einzelstücke. Vielleicht erlauben sie aber eine Regel: Je größer der Spaß desto schlechter gelaunt die Nachschlagewerke.

 

Karate, Küsse, blonde Katzen

„Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin, wie ’68 in West-Berlin, diese Mischung ist wirkungsvoll, diese Mischung knallt ganz toll.“ -SLIME. Das Verhältnis macht es: „Karate, Küsse, blonde Katzen“ vereint zotigen Softsex und Kung Fu zu einem explosiven Cocktail. „Wenn Sie überragende Action & knallige Komik lieben, dann sollten Sie diese Mischung aus der Karateküche der Shaw Brothers sehen,“ weiß der Trailer. Deutsche Jugendschützer tragen offensichtlich wenig Liebe in sich und haben den Film kurzerhand indiziert. Fünf von Piraten entführte Mädchen, allesamt dem Cast der „Schulmädchen-Report“-Filme entnommen, widersetzen sich ihren Peinigern mit Fäusten & Schwertern. Und nackt, versteht sich. Hier gilt, nur sehen ist glauben. Mit Ernst Hofbauer führt der Hausregisseur der„Schulmädchen-Report“-Reihe Co-Regie, die Action stammt aus dem Hause „Shaw Brothers“. Die kalauernde Synchro aus der Feder Rainer Brandts, verantwortlich u.a. für die deutschen Fassungen der Spencer/Hill-Filme. Nur beste Zutaten also, und so mag man Christian Kesslers Urteil folgen: „Es gibt Filme, die man niemals vergisst, obwohl man es gerne möchte. Und dann gibt es Filme wie ’Karate, Küsse, blonde Katzen’! Filme, die jeden verändern, der ihnen einmal seine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Filme, die so großartig sind, dass sie aufhören Film zu sein.“ Endlich wieder eine gute Party.
Karate, Küsse, blonde Katzen“, BRD/HK 1974, 91 min, Regie: Ernst Hofbauer & Kuei Chih-Hung, Darsteller: Sonja Jeannine, Yueh Hua, Tamara Elliot

 

Zinksärge für die Goldjungen

In den ersten beiden Filmminuten von „Forrest Gump“ sehen wir eine Feder umherfliegen. Hin und her. Das mag man für poetisch halten – oder für verschwendete Zeit. „Zinksärge für die Goldjungen“ benötigt bei weitem keine zwei Minuten, um zweifelsfrei klar zu machen: Hier wird’s gleich hoch hergehen und dann übel enden. Dass es zwischen den in Sachen Schutzgeld, Prostitution und Pferderennen tätigen Herren um den Hamburger Chefganoven Otto Westermann und dem frisch aus Chicago eingetroffenen Mafioso Luca Messina (Genre-Fresse Henry Silva) nebst Anhang zu blutigen Spannungen kommen wird, steht keine Sekunde in Frage. Regisseur Jürgen Roland kennt sich aus mit Genre, hat mit Edgar Wallace und „Die Engel von St. Pauli“ ordentlich vorgelegt und entscheidet sich im Zweifelsfall konsequent für die Es-darf-auch-gerne-mal-ein-bisschen-mehr-sein-Variante. Wenn im Budget noch Luft für zwei asiatische Karatekämpfer ist: Her damit. Auch ansonsten gibt’s von allem reichlich. Der-Pate-hafte Familienfeiern, Schießereien, Bombenattentate, Shakespeare-Anleihen und die wohl wahnsinnigste Bootsverfolgungsjagd der Filmgeschichte. Zur Ruhe kommt das ganze nur für zwei Minuten, in denen es Muttern nicht gut geht. Das muss dann aber auch reichen. Der Cast ist toll, die Musik sowieso und wenn auf dem Filmposter steht „Hamburg brennt“, dann ist das nicht gelogen.
„Zinksärge für die Goldjungen“, BRD/Italien 1973, 87 min, Regie: Jürgen Roland, Darsteller: Herbert Fleischmann, Horst Janson, Henry Silva, Patrizia Gori, Véronique Vendell

 

Supermarkt

„Bester deutscher Film der Siebziger“, „Kultfilm“, „erstaunlich routinierter Thriller“: Superlative werden bemüht, wenn über Roland Klicks Beautiful-Loser-goes-Gangster-Streifen „Supermarkt“ geschrieben wird. Gedreht im Hamburger Hafenviertel und St. Pauli, vermittelt „Supermarkt“ eine authentische, bundesrepublikanische Tristesse der frühen Siebziger. Großstadtratte Willi schlägt sich mehr schlecht als recht durch, legt sich mit der Polizei an und begibt sich auf direkten Kurs in die Kriminalität. Das kurze Glück mit der Prostituierten Monika ist nicht von Dauer, denn Willi stolpert in ein wahres Fiasko von einem Raubüberfall mit anschließender Geiselnahme und Auto-Flucht …
Charly Wierzejewski in „Supermarkt“ (Aushangfoto, Copyright: Filmgalerie-451)
Roland Klick inszenierte von den ausgehenden sechziger Jahren bis Anfang der Achtzier überlebensgroßes Genrekino und bewegt sich in „Supermarkt“ (1974) außerordentlich selbstsicher im Action- und Gangsterfilm. Unmittelbare Emotion ist ihm wichtiger als sozialkritische Reflexion. Vielleicht wurde er deshalb von den genre-phoben Autorenfilmern des Neuen Deutschen Films geschnitten und einst aus dem Cannes-Wettbewerb gemobbt. Dem deutschen Film hätte man aber mehr Draufgänger vom Schlage Klicks gewünscht.
„Supermarkt“, BRD 1974, 84 min, Regie: Roland Klick, Darsteller: Charly Wierczejewski, Eva Mattes, Michael Degen, Hans-Michael Rehberg, Witta Pohl, Alfred Edel

Blutiger Freitag

Als Posterboy des gleichnamigen Schulbuchverlags eignet er sich wohl nicht: Heinz Klett. Raimund Harmstorf gibt diesen Klett als lustvollen, gewalttätigen Rüppel, der seine Morde gerne mit halbgarer Sozialkritik garniert. Was für eine Combo sich da zu einer verbrecherischen Schicksalsgemeinschaft zusammenfügt! Ein freundlicher Italiener, seine schwangere Freundin und deren desertierter Bruder. Die Gutmütigkeit der drei weiß Klett beherzt in seine boshafte Kloake zu zerren. Fair is foul and foul is fair. Ein Film wie eine BILD-Schlagzeile mit sorgfältiger Süddeutsche-Seite-3-Reportage. München von seiner trostloseren Seite, nur einmal, wie zum Hohn, grüßt die Postkarte mit Olympiagelände. Ein Banküberfall eskaliert, hässliche Normalos fordern ungeniert die Todesstrafe, die Frage Umfeld oder Veranlagung wird fruchtlos erörtert, die Automatik spricht sowieso die lauteste Sprache. „Blutiger Freitag“ ist ein wahnsinniger, delirierender Solitär im deutschen Krimiwesen. So viel Rohheit, zugleich so viel zartes, echtes Schauspiel, so ein fabelhaftes Casting gab es selten in einem deutschen Film. „Machen Sie sich doch nicht unglücklich!“, ruft ein Polizist in den Pistolenlauf des Ausbrechers Klett. Was denn sonst?, fragt der Film.
„Blutiger Freitag“, BRD/Italien 1972, 92 min, Regie: Rolf Olsen, Darsteller: Raimund Harmstorf, Raimund Harmstorf, Amadeus August, Gianni Macchia, Christine Böhm, Ernst H. Hilbich, Gila von Weitershausen

 

Alle Kätzchen naschen gern

Wenn Adel und Militär gewaltsam aufeinander prallten, war das in der Vergangenheit stets der Stoff für große Klassiker – ganz anders bei Josef Zachars Softporno-Parodie „Alle Kätzchen nashen gern“, in welcher der Zwist nicht zu martialischen, sondern zu grotesk-symbolischen Konsequenzen führt. Das Streitobjekt? Zunächst ein Schloss, dessen zänkische Zweiteilung mit einer dicken roten Linie (womit auch sonst?) markiert wird. Dann die ausgeprägten Schürzenjäger-Leidenschaften des Grafen (Ernst Stankovski) wie des Obersts (Sieghardt Rupp), die Generationen deutscher Popkultur-Ikonen von Dieter Bohlen bis Lothar Matthäus problemlos in den Schatten stellen. Als die schöne Blanche (Edwige Fenech) aus Paris eintrifft, wird es gänzlich unübersichtlich, und die mörderische Frage, wer nun wem nachstellte, gerät endgültig zur Nebensache. Selbst das zu Objektivität verpflichtete Lexikon des internationalen Films schimpft Zachars Regiebemühung ein „billig-ordinäres Sexlustspiel“ und verkennt dabei, dass der deutsche Film nur selten so unverklemmt, skurril und denkfaul daherkommt – große Qualitäten einer Farce, die sich gar nicht mit klassisch-minimalistischen menages a trois abgibt, sondern gleich a quatre beginnt und das Arsenal fortwährend steigert. Was daraus resultiert, ist ein stets peinlich berührender, aber niemals uninteressanter, langweiliger oder unkomischer Film, der hundert Prozent seiner Aufmerksamkeit den screwball-comedy-artig zwischen den Protagonisten hin- und herflackernden Dialogen widmet, wodurch die ausgiebige Freizügigkeit der gewählten Damenbekleidung, die dem Film seinerzeit eine FSK18-Einstufung einbrachte, schon bald zur Nebensache gerät.
„Alle Kätzchen naschen gern“, BRD 1969, 84, Regie: Josef Zachar; Buch: Kurt Nachmann, Günther Heller; Produktion: Karl Spiehs; Kamera: Kurt Junek; Darsteller: Ernst Stankovski, Sieghardt Rupp, Edwige Fenech, Barbara Capell, Angelika Ott, Ralf Wolter u. a.
(nach einer Pressemitteilung der Veranstalter)
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