Kreativverbände protestieren gegen vergütungsfreie Mediathekennutzung
Der Bundesverband der Film- und Fernsehregisseure, der Verband Deutscher Drehbuchautoren und die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm/AG DOK protestieren gegen die vergütungsfreie Nutzung von Filmen in öffentlich-rechtlichen Mediatheken. Jüngste Debatten um eine Ausweitung der Mediatheken-Standzeiten über die derzeit zulässigen 7 Tage hinaus geben Anlass zu der Feststellung, dass freien Autoren, Regisseuren und Produzenten die Nutzungsrechte für diese Form der Verwertung vertraglich abgezwungen werden, ohne dass auch nur ein Cent an zusätzlicher Bezahlung fließt. Schon bei der Einführung der Mediatheken war die Enteignung der Kreativen einkalkuliert – in den Finanzierungsplänen wurden die Rechte-Kosten immer auf „Null Euro“ beziffert.
„Es reicht!“ stellen die drei Verbände in ihrer gemeinsamen Stellungnahme fest und fordern die Medienpolitiker auf, nicht nur mit wirkungslosen Lippenbekenntnissen, sondern mit Taten dafür zu sorgen, dass diese Enteignungs-Praxis aufhört und durch ein faires Vergütungs-System ersetzt wird.
Die AG DOK wird zu dieser Problematik in Kürze ein umfangreiches Dossier mit Zahlen, Fakten und Hintergründen der momentanen Produktionssituation sowie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Mediatheken-Angebote auf die Situation der Film- und Fernsehbranche vorlegen.
infomedia-sh.de dokumentiert hier die gemeinsame Pressemitteilung der drei Verbände:
TV-Filme unbegrenzt im Internet: die Kreativen sollen die Zeche zahlen
Autoren, Regisseure und Produzenten fordern endlich eine faire Vergütung für Mediatheken-Einspeisung bei ARD und ZDF.
Wenn es darum geht, die Verfügbarkeit öffentlich-rechtlicher Programme in den Mediatheken von ARD und ZDF von derzeit 7 Tagen beträchtlich auszuweiten, werden Deutschlands Kultur- und Medienpolitiker spendabel. Eine ganz große Allparteien-Koalition überbietet sich wechselseitig in der Bereitschaft, etwas zu verschenken, was ihr gar nicht gehört: die online-Nutzungsrechte bzw. die daraus resultierenden Vergütungsansprüche von vielen tausend Medienschaffenden in Deutschland. Gerade erst hat das Berliner Abgeordnetenhaus einen solchen Beschluss gefasst und der Rundfunk kommission der Länder einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt.
Die im Entschließungstext enthaltene Erwägung, auch die Interessen der Urheber und Produzenten zu berücksichtigen, bleibt abstrakt. Wie die Praxis aussieht, führen ARD und ZDF vor Augen: Seit Einführung der Mediatheken im Jahre 2008 werden Urhebern und Produzenten die Rechte zur Internet-Verwertung durch einseitige Vertragsklauseln ohne jegliche zusätzliche Vergütung abgezwungen. Dieser enteignungsartige Kunstgriff wird mit der falschen Behauptung kaschiert, diese Rechte habe der Gebührenzahler schon bezahlt. Auch in den sogenannten 3-Stufen-Tests zur vermeintlichen Prüfung der Telemedienkonzepte haben die Anstalten den Rundfunkräten und der Öffentlichkeit vorgegaukelt, dass dadurch keine zusätzlichen Rechtekosten anfallen würden.
Wenn dem so wäre – warum dürfen dann angekaufte Spielfilme und Serien nicht in die Mediatheken eingestellt werden? Warum werden Sportberichte nach 24 Stunden wieder herausgenommen? Warum werden tarifgebundene Mitarbeiter der Sender und die Inhaber von Musikrechten durchaus für die Nutzung ihrer Werke in Mediatheken bezahlt? Nur die freien Autoren, Regisseure und Produzenten gehen seit Jahren leer aus! Trotz dieses bekannten Missstandes basteln Medienpolitiker an einem neuen Freibrief zur Fortsetzung der grenzenlosen Auswertung.
Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm / AG DOK, der BUNDESVERBAND DER FILM- UND FERNSEHREGISSEURE und der VERBAND DEUTSCHER DREHBUCHAUTOREN sagen: es reicht! Angesichts der rapide zunehmenden Nutzung von TV-Filmen via Internet fordern die Berufs- und Interessenvertretungen von mehr als 2.000 Film- und Fernsehurhebern und Produzenten endlich eine angemessene Vergütung, deren Höhe sich nach den Erlösen richten muss, die durch das Mediatheken-Angebot auf anderen Verbreitungswegen verloren gehen.
Denn anders als in der Anfangsphase des „7 days-catch-up“ als Internet-Stream hat sich die Reichweite bei den Fernsehzuschauern inzwischen drastisch erhöht: für erfolgreiche „Tatorte“ werden bis zu 2 Millionen Klicks registriert. Die ARD zählte 2013 im Schnitt 104 Mio. Besuche im Monat, das ZDF im Juni 75 Mio. Auf das Jahr hochgerechnet kommen die Anstalten damit auf ca. zwei Milliarden Mediathekenaufrufe. Wahrscheinlich wird eine solche Nutzungsintensität nicht ohne Folgen für die Programmierung auf den klassischen Kanälen bleiben, für die Urheber bisher oft noch ein Wiederholungshonorar erhielten. Doch was jederzeit im Internet verfügbar ist, wird nicht oder nur noch selten wiederholt. Dabei sind Wiederholungshonorare für Autoren und Regisseure fiktionaler Stoffe ein wesentlicher Teil ihres Honorargefüges und damit ihrer materiellen Existenz.
Die Ausweitung der vergütungsfreien Nutzung via Internet gefährdet aber nicht nur die Existenz von Autoren und Regisseuren, sondern auch die Grundlagen der TV-Filmfinanzierung schlechthin. Viele Auftragsproduktionen von ARD und ZDF werden von den Sendern nur noch zum Teil bezahlt – erhebliche Finanzierungsanteile tragen die Produzenten, die sie natürlich refinanzieren müssen. Die Forderung nach dauerhafter kostenloser Internet-Präsenz des öffentlich-rechtlichen Programms entzieht anderen Geschäftsmodellen aber die Grundlage. Die Deckung der Produktionskosten wird dadurch nahezu unmöglich. Niemand wird noch die DVD, den VOD-Abruf oder die Lizenz eines Films kaufen, der einen Maus-Klick weiter dauerhaft kostenlos und weltweit abgerufen werden kann.
Die zentralen Urheberverbände der Film- und Fernsehwirtschaft fordern die Rundfunkpolitiker der Länder deshalb dringend auf, gemeinsam mit ihnen, den Anstalten und Produzenten darüber zu beraten, wie eine angemessene Vergütung der Mediatheken-Nutzung bemessen und konkret finanziert wird. Einen Hinweis dazu haben die Landtags-Fraktionen von SPD und Grünen in NRW gegeben: hier wird eine Erweiterung der Verweildauer in Mediatheken verbunden mit der Forderung nach einer angemessenen und fair ausgehandelten Urheber-Vergütung.
Berlin, 24.7.2014
AG DOKUMENTARFILM e.V. (AG DOK): Thomas Frickel, Alice Agneskirchner
BUNDESVERBAND DER FILM- UND FERNSEHREGISSEURE e.V. (BVR): Stephan Wagner, Dr. Jürgen Kasten
VERBAND DEUTSCHER DREHBUCHAUTOREN e.V. (VDD): Pim Richter, Jochen Greve
(nach einer Mitteilung der AG DOK)