64. Int. Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2014
Grillen der Erinnerung
„Cesars Grill“ (D/CH 2013, Dario Aguirre)
Papa grillt in Ecuador Fleisch, Sohn ist nach Deutschland ausgewandert und Vegetarier mit Faible für esoterische Yoga-Übungen geworden. Wie geht das zusammen? Gar nicht – oder doch, wie Dario Aguirre in seinem autobiografischen Dokumentarfilm „Cesars Grill“ zeigt.
Das Setting ist erstmal archetypisch: Der verlorene Sohn wird angerufen, denn an der „Heimatfront“, dem Grill in Ecuador, brennt es – eben nicht mehr. Dario schickt Papa Cesar Excel-Tabellen, die den Umsatz und die Defizite dokumentieren könnten. Aber Papa weiß nicht, wie man da was wo einträgt. Neue trifft auf alte Welt, und man weiß nicht so genau, welche neu und welche alt ist.
Das ist schon mal der erste „Teaser“ von Aguirres Dokumentarfilm über eine Reise nach zu Hause und auch in die Fremde. Annehmen würden wir, dass in Deutschländers Exil alles gut, in Ecuadors „Bananenrepublik“ doch alles im Argen läge. Doch weit gefehlt: Erfolg lässt sich nicht nur am Profit und Misserfolg, nicht nur am Debit gegenüber den Banken und ihrer nicht tragbaren Zinslast messen. Das lernt Dario sehr schnell, als er an den elterlichen Grill zurückkehrt.
Dennoch, ein gegrillter Maiskolben macht noch keinen Rinder-Sommer. Schien es zunächst, dass Cesar nicht auf der Höhe der Zeit ist, ist es dann doch Dario, dessen Excel-Tabellen in Ecuador eben nicht fruchten. Lehrstück über das Scheitern des sonst überall siegenden globalisierten Kapitalismus? Eher nicht. Eher ein Protokoll einer Begegnung zwischen neuer und alter Welt, wobei man – wie gesagt – nie so genau weiß, welche welche wäre.
Ein Vegetarier unter den Fleischen des globalisierten Kapitalismus: Dario Aguirre in „Cesars Grill“ (Foto: Filmtank)
Zwei, die von einander lernen müssen – und sollen, wo das Grillfleisch nicht auf den Bäumen wächst. Zwei, die in der Not sich neu kennenlernen, erst unverständig tastend, dann sich umarmend. Dass der Vater dabei manchmal mehr Kind ist als der Sohn erwachsen, zeigt Aguirre unprätentiös und eindringlich als Vater-Sohn-Geschichte der genau nicht märchenhaft-exotischen Migration. Vielmehr als Kammerspiel in einer global kapitalisierten Welt.
Sich darin zurecht zu finden, ist für Gebliebene wie Weggegangene schwer. Doch wo man singt wie Dario seine Chansons zur Gitarre gleichsam als kommentierenden Mauerschau-Chor im Zwischenschnitt, da kann man sich ruhig niederlassen. Auch in Ecuador, wo ein – noch nicht sonderlich einträglicher – Grill steht, der demnächst nicht nur Fleisch-, sondern auch Maisspieße anbieten wird – als zwei Beispiele zweier Lebenserinnerungen. (jm)
„Cesars Grill“, D/CH 2013, 88 Min. Buch, Regie: DarÃo Aguirre, Kamera Santiago Oviedo, Schnitt: Julia Drache. Produktion: Reck Filmproduktion, Zürich, Filmtank, Hamburg, und Arte/NDR. Gefördert u.a. von der FFHSH und BKM, Kuratorium Junger Film. Infos und Trailer: www.filmtankaudience.de/p/cesars-grill.