“Regulierungsferien” bei der Einführung des digitalen Hörfunks?
Auf dem gemeinsamen Workshop der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein und der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) “Rechtliche Rahmenbedingungen für Hörfunk in Hamburg und Schleswig-Holstein” haben sich Experten für ein bundesweit einheitliches Konzentrationsrecht für den Hörfunk ausgesprochen. Moderiert von Ingrid Scheithauer, isip communications, diskutierten auf der Veranstaltung rund 80 Fachleute aus Medien, Wirtschaft und Politik über eine Reform des Konzentrationsrechts im Hörfunk.
Der Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein, Staatssekretär Heinz Maurus, setzte sich in seinem Grußwort kritisch mit der geltenden Programmzahlbegrenzung im Hörfunk auseinander, die in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr zeitgemäß sei. Für ihn seien unterschiedliche Lösungsansätze von der Beibehaltung des geltenden Rechts unter großzügiger Anwendung der Ausnahmemöglichkeiten bis hin zu einer völligen Liberalisierung des Marktes für den Hörfunk vorstellbar. “Denkbar wäre auch die Schaffung einer Generalklausel mit einer Ermächtigung für die Medienanstalt, um gegebenenfalls im Einzelfall Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, ein entstandenes Ungleichgewicht wieder zu beseitigen”, so Maurus.
Der Direktor der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH), Thomas Fuchs, bezweifelte, dass man bei der Medienkonzentration in einer konvergenten Medienwelt Hörfunk, Fernsehen und andere Medien überhaupt noch getrennt betrachten könne. “Es kommt darauf an, den Begriff Meinungsmacht im Zeitalter der Digitalisierung neu zu definieren und dabei auch der Crossmedialität Rechnung zu tragen”, erklärte Fuchs. Dabei sei aus seiner Sicht für eine Übergangsphase bei der Einführung neuer Übertragungswege wie z.B. des digital-terrestrischen Hörfunks auch ein stärkeres Maß an Konzentration zu tolerieren, wenn es zunächst darum gehe, der neuen Technologie zum Erfolg zu verhelfen.
In ihrem Impulsreferat bezeichnete die Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), Prof. Dr. Insa Sjurts, den durch die Digitalisierung verstärkten Wunsch nach Liberalisierung der Hörfunkregulierung zwar als verständlich, gerade in Zeiten von Verdrängungswettbewerb, cross-medialer Konkurrenz und Digitalisierung sei Regulierung jedoch weiterhin vonnöten, um im Hörfunkmarkt strukturelle und publizistische Vielfalt zu gewährleisten. Strukturelle Vielfalt sei dabei aber nicht mit publizistischer Vielfalt gleichzusetzen. Schon heute setzten die Hörfunkunternehmen bei dem Versuch, Kosten zu minimieren und Reichweiten zu steigern, auf die Produktion massenattraktiver Angebote und die Gründung von Radioholdings, was faktisch zu einem Verlust publizistischer Vielfalt führe. Angesichts dieser dem analogen Hörfunk immanenten Tendenz zur horizontalen Konzentration sei die aktuelle Regulierung zu Programmzahlbegrenzung und zur Beteiligung von Printunternehmen wohl begründet. Aber auch im Zeitalter der Digitalisierung bleibe ein gewisses Maß an Regulierung des Hörfunks erforderlich. “Kooperationen und Fusionen bleiben attraktiv, um nicht zuletzt durch Mehrfachverwertungen – auch cross-medial -, die Substitution von Information durch Unterhaltung und Wiederholungen, die teuren Inhalte kostenoptimal zu verwerten. Vor dem Hintergrund des Kampfes Qualität versus Wirtschaftlichkeit wird Regulierung auch in Zeiten der Digitalisierung nicht obsolet”, zeigte sich Sjurts überzeugt. Zwar hielte sie bei der Einführung des digital-terrestrischen Hörfunks ein gewisses Maß an Konzentration auf Zeit für hinnehmbar, dies aber nur, wenn als Ausgleich publizistische Vielfalt z.B. durch die Entwicklung von Portfolios mit Nischenprogrammen geschaffen werde. Letztlich müssten die Gesetzgeber ökonomische Notwendigkeiten erkennen und überlegen, wie man steuernd eingreifen kann. Dabei sei aus ihrer Sicht in der digitalen Welt das Regulierungsinstrument der Programmzahlbegrenzung überholt, hier sei es sinnvoller, auf ein Marktanteilsmodell mit genau definierten Märkten zu setzen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion forderte der Leiter Unternehmenskommunikation der REGIOCAST GmbH & Co. KG, Boris Lochthofen, “Regulierungsferien” für die Anfangsphase der Digitalisierung des Hörfunks, um Hörfunkunternehmen den Umstieg zu erleichtern. “Der Umstieg in die Digitalisierung birgt für die Unternehmen ein kaum kalkulierbares Risiko, da im Moment noch niemand weiß, wie digital-terrestrischer Hörfunk überhaupt funktionieren kann. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, ist Konzentration Voraussetzung für publizistische Vielfalt”, so Lochthofen. Rechtsanwalt Thorsten Held, Hans-Bredow-Institut, Hamburg, betonte, dass eine Konzentrationskontrolle auch im Zeitalter der Digitalisierung erforderlich bleibe, jedoch sei für ihn vorstellbar, bei der Regulierungsdichte nach dem Grad des Informationsgehalts zu unterscheiden. Auch für den Medienreferenten der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Matthias Knothe, kann es nicht darum gehen, die Regulierung im Zeitalter der Digitalisierung völlig aufzugeben, sondern es gelte, das Maß neu zu justieren. Dabei komme es darauf an, mit zukünftigen Konzentrationsbestimmungen den Spagat zwischen wirtschaftlich machbaren Radioprogrammen und publizistischer Vielfalt hinzubekommen. “Die Lösung kann auch darin bestehen, den Markt weitestgehend zu liberalisieren und den Landesmedienanstalten einen Kriterienkatalog an die Hand zu geben, um bei Gefahren für die Meinungsbildung einzuschreiten”, so Knothe. Rechtsanwalt Helmut G. Bauer forderte ein grundsätzliches bundesweites Konzept zur Zukunft des Hörfunks, am besten einen Hörfunk-Staatsvertrag. Im Übrigen müsse der Regulierungsbedarf genau untersucht und festgelegt werden, nach welchen Kriterien Meinungsmacht zukünftig gemessen werden solle. Einigkeit bestand bei allen Podiumsteilnehmern darüber, dass unterschiedliche landesrechtliche Hörfunkregulierungen für eine erfolgreiche Einführung des digitalen-terrestrischen Hörfunks kontraproduktiv sind, da die Unternehmen, die in die neue Technologie investieren sollen, in die Lage versetzt werden müssen, bundesweit zu denken und zu agieren.
(nach einer Pressemitteilung der MA HSH)