Melodram unter Büchern
In Gerald Grotes Kurzfilmprojekt „Tödliche Roman(z)e“ sind die Protagonisten Bücher.
Wenn der Kieler Autor Gerald Grote seine „Grote-sken“ schreibt, gerät die Wortspielmanie zuweilen filmisch: „Eine Taschenbüchin fragte verliebt einen dicken Schmöker, ob sie sich nicht beide irgendwo im Regal mal allein und ungestört treffen könnten; nein, entgegnete der Angesprochene, er sei gebunden.“ „Das ist ein Film!“, wusste spontan Grotes langjähriger Weggefährte Karsten Weyershausen, Co-Autor und Illustrator, der auf „web.de“ täglich den Cartoon-Stift spitzt. Thomas Plöger, Kieler Filmemacher, den der umtriebige Grote bei den Nordischen Filmtagen kennengelernt hatte, ergänzte sofort: „35 Millimeter und Schwarz-Weiß!“ Eine Kurzfilmidee im großen Format war geboren, zu der man Kameramann und Filmemacher Claus Oppermann („Duo in utero“) nicht lange bitten musste.
Jetzt sitzt das Trio Grote-Weyershausen-Oppermann am Kaffeetisch und geht nach zwei Tagen Löten an Drehbuch und Storyboard seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Kalauern. „Du hältst die Klappe und du spielst keine Rolle“, verteilt Grote fotogene Filmutensilien an seine Kompagnons, als es zum Fototermin ins Antiquariat Eschenburg geht. Dort, wo die Bücher ihre Rücken in Regale bücken, könnte der „Schinken“ spielen, den die Drei im Kopf haben und dessen Produktion die MSH jüngst mit 20.000 Euro Filmfördergeldern bedachte. Ein Meldodram im Stil der 40er/50er Jahre, à la „Frau ohne Gewissen“ von Billy Wilder oder Hitchcocks „Rebecca“. Doch „Madame Bovary“, die sich an ihrem treulos hochstapelnden Gatten „Felix Krull“ mit allerlei „verhängnisvollen Affären“ rächen will, bis „ein Regalsturz einem Buch das Rückgrat bricht – querschnittsgelähmt ab Seite 43“, werden nicht mit Schauspielern besetzt. In „Tödliche Roman(z)e“ sind die Bücher selbst die Akteure.
„Im ersten Animationsfilm ohne Animation“, so Grote, werden keine „knetgummi-animierten Bücher“ durch Regale wackeln. In Bewegung sind nur Oppermanns Kamera, die Beleuchtung („vielleicht doch in Technicolor?“), schnelle Schnitte und Franz-Josef Steffens‘ Sprecherstimme, die aus dem Off die Geschichte um „Ehebruch, Mord und Totschlag“ erzählt. Die „Wieder-Kielerin“ Maren Jaenisch, die schon Lars Büchels Filme ausstattete, bereitet die Bühne im Regal, eine sündige Buch-Bar und Mike Hammers Detektei. Für den Schwarze-Serie-Ermittler hat Karsten schon die stets qualmende Zigarette zwischen den Buchdeckellippen entworfen.
„Ein Experiment“, ein „Angriff auf Augen und Ohren“ – filmischer Ausgang noch unbekannt, außer: „Kein Happy-End!“ „Wenn man das Melodram überzeichnet, wird es komisch“, ahnt Karsten und Claus schwärmt von den „visuellen Wechselwirkungen zwischen Bild und Text“. Das Trio gerät in interpretatorische Rage: „Ein Buch trägt Leben in sich, das wir im Filmbild erwecken.“ Gerald denkt geschäftlich: „Auch als Präsentation für Buchmessen denkbar.“ „Einfache Form mit komplexem Inhalt“, kontert Karsten. Und Claus hat den „unterirdischen“ Kalauer dazu bereits auf der Zunge: „Wird schließlich kein Schmal-Film.“
Der muss eigentlich nur noch gedreht werden, denn „das Storyboard legt schon alles haarklein fest“. Im August geht’s los. „Inklusive Schleswig-Holstein-Effekt“, denn auch den „Buddenbrooks“ werden im büchernen Melodram ganz neu gespannte Seiten aufgezogen … (jm)