Im Rahmen seiner Retrospektive zeigt das 29. Filmfest Schleswig-Holstein vom 9. bis 26. März 2025 im Kieler Kino in der Pumpe eine umfassende Auswahl aus dem Schaffen des Regisseurs Roland Klick. Zu sehen sind die wichtigsten Langfilme („Bübchen“, „White Star“, „Schluckauf“, „Jimmy Orpheus“, „Supermarkt“, „Deadlock“), alle seine Kurzfilme („Weihnacht“, „Ludwig“, „Zwei“) sowie seine Synchronarbeit für George A. Romeros Zombie-Klassiker „Dawn of the Dead“. Zu Gast sind die Filmschaffenden Sandra Prechtel und Linus De Paoli, die zu einem Werkstattgespräch über das Werk von Roland Klick einladen. Ergänzt wird die Retrospektive durch die Dokumentation „Roland Klick – The Heart is a Hungry Hunter“ von Sandra Prechtel, die in Anwesenheit der Regisseurin gezeigt wird.

„Filme + Publikum = Kino“ (Roland Klick, 1966)

Roland Klick, Jahrgang 1939, gilt trotz Wiederaufführungen und hochwertiger DVD-Veröffentlichungen nach wie vor als eine der unterschätztesten und zugleich faszinierendsten Persönlichkeiten des deutschen Kinos. Mit seinem Werk setzte er sich konsequent zwischen alle Stühle: Zu kommerziell für den Autorenfilm, zu unkonventionell für den Mainstream – seine Filme wurden sowohl glühend verehrt als auch heftig abgelehnt. Klicks Kino war immer der Versuch, populäre Unterhaltung zu schaffen – aber stets auf Augenhöhe mit seinem Publikum, dessen Instinkt und Intelligenz er voll und ganz vertraute. Seine Filme sind geprägt von einem scharfen Blick auf Menschen und Milieus. Sie fordern die Zuschauer*innen heraus, packen sie und lassen sie nicht mehr los. Roland Klick und sein Werk sind ein fester Bestandteil der deutschen Filmgeschichte und verdienen es, immer wieder neu entdeckt zu werden.

(detailliertes Programm: siehe unten und auf www.diepumpe.de/veranstaltungen/kategorie/kino/)

Roland Klick (links), Robert van Ackeren und Marquard Bohm bei den Dreharbeiten zu „Deadlock“

Roland Klick Retrospektive – Programm

Sonntag, 9. März, 20:00 Uhr

BÜBCHEN
BRD 1968, 71 Min., Regie: Roland Klick
Wenn die Eltern gemeinsam mit dem Nachbarn auf ein Betriebsfest gehen, können die älteren Kinder doch auf die jüngeren aufpassen, oder? So soll die pubertäre Monika auf die kleine Katrin achtgeben. Monika aber delegiert diese sensible Aufgabe an ihren jüngeren Bruder Achim – und was nun geschieht, macht fassungslos. Als die volltrunkenen Eltern später heimkehren, fehlt von Katrin jede Spur. Bald liegen die Nerven aller Beteiligten blank. Mit jeder weiteren Sekunde der Ungewissheit beginnt die Fassade zu bröckeln, und unter der Oberfläche des kleinbürgerlichen Familienidylls kommt der menschliche Wahnsinn zum Vorschein. – Ein Familienfilm. Allerdings wohl kaum für Familien, eher über Familien und ihre verborgenen Abgründe. Nachdenklich stimmender Schocker.

Vorfilm: WEIHNACHT
BRD 1963, 10 Min., Regie: Roland Klick
Ein kleiner Junge im Rummel der Vorweihnachtszeit. Roland Klicks erster Film.

Dienstag, 11. März, 20:00 Uhr

ZOMBIE (DAWN OF THE DEAD)
USA 1978, 119 Min., Deutsche Fassung, Regie: George A. Romero, FSK 18, deutsche Synchronisation: Roland Klick
Eine mysteriöse Seuche vernichtet nach und nach die Menschheit, doch die Toten finden keine Ruhe. Als blutrünstige Zombies kommen sie zurück und jagen, vom Hunger auf Menschenfleisch getrieben, die Wenigen, die noch nicht infiziert sind. Eine kleine Gruppe Überlebender schafft es, sich in einem Einkaufszentrum zu verbarrikadieren. Während sich draußen die toten Horden versammeln, kocht im Einkaufsparadies ein klaustrophobischer Alptraum hoch. Seine eigenen Spielfilme synchronisierte Roland Klick in der Postproduktion akribisch genau nach, was ihm mehr kreativen Freiraum am Set und im Schnitt erlaubte. Auch in seiner einzigen Synchronarbeit beweist Klick ein tiefes Verständnis für Sprache und Slang. Mit viel Gespür für Witz und Atmosphäre überträgt er kongenial Romeros satirischen Totentanz ins Deutsche, unterstützt von namhaften Sprechern wie Manfred Lehmann und Christian Brückner. Wir zeigen die von Dario Argento besorgte Schnittfassung, die seinerzeit Grundlage für die deutsche Kinofassung war. – Mit Einführung durch Mondo Grindhouse

Mittwoch, 12. März, 20:00 Uhr

WHITE STAR
BRD 1983, 92 Min., Regie: Roland Klick
Ken Barlows Glanzzeit als Rock’n’Roll Tour-Manager ist vorüber, doch seine großen Ideen vom Erfolg kann er nicht aufgeben. Und er will es noch mal wissen: Der Musiker Moody ist seine letzte Chance und sein Opfer. Dessen Auftritt in einem verruchten Berliner Punk-Club wird zum Debakel, das in einer Straßenschlacht endet. Doch für Barlow ist der Abend ein voller Erfolg. Besessen von der Idee, dass im schnelllebigen Show-Geschäft nur Schlagzeilen zählen, egal ob gute oder schlechte, ist ihm jedes Mittel recht. Die Situation eskaliert … Aus einer zeitgenössischen Filmkritik: „Der Film lebt ganz aus der Pop-Szene heraus und aus dem Kontrast des Protagonisten zur Szene: Dennis Hopper hat in der letzten Zeit häufig wenig überzeugende Rollen gespielt, hier ist er brillant, faszinierend. Klick gelingt es, einen Anti-Helden aufzubauen, der im Grunde ein Wahnsinniger und ein Widerling ist, mit dem man aber dennoch so etwas wie Mitgefühl verspürt.“

Mittwoch, 19. März, 20:00 Uhr

SCHLUCKAUF
BRD 1989, 92 Min., Regie: Roland Klick
So beginnen eigentlich große Wunschträume: Gertie gewinnt in ihrem schleswig-holsteinischen Heimatdorf Jübek (!) eine Miss-Wahl und bekommt so Kontakt zu dem Supermodel Chantal. Führt der Weg von hier aus in eine steile Karriere? Gertie reist Chantal nach Berlin-Kreuzberg hinterher und nistet sich in deren Schickimicki-WG ein. Bald schon fliegen in der WG die Fetzen … Die Klick-typische Szene besteht nicht aus Hauptsätzen und untergeordneten Nebensätzen, die alles syntaktisch gefällig machen, sondern aus der Gleichberechtigung der Haupt- und allenfalls nebengeordneten Nebensätze. Dazwischen sind die Fugen, die allein beim Zuschauen gefüllt werden können. Klick, er hat „Schluckauf“ selbst geschrieben, ist ein Magier der Ellipse, und sein Metier ist Verkürzung des Wegs zwischen dem Bild und seinem Zuschauer: Jede Auslassung ist eine Einladung, eine offene Tür zum Eintritt in den Imaginationsraum des Kinos; eine permanente Offerte an den Zuschauer, ohne den das Kino nur eine Dunkelkammer ist.

Vorfilm: LUDWIG
BRD, 1964, 16 Min., Regie: Roland Klick
Roland Klick jagt den jungen Otto Sander durch die Tristesse eines kleinen Bauerndorfes.

Samstag, 22. März, 20:00 Uhr

Zu Gast: Sandra Prechtel

ROLAND KLICK – THE HEART IS A HUNGRY HUNTER
Deutschland 2013, 80 Min., Dokumentarfilm, Regie: Sandra Prechtel
Roland Klick ist Legende. Er drehte mit Stars wie Adorf und Hopper, räumte Bundesfilmpreise ab und manövrierte sich nach nur sechs Filmen auf mysteriöse Weise ins Aus. Die Story eines Film-Maniac, der zwischen den Fronten des deutschen Kinos und seiner eigenen Kompromisslosigkeit zerrieben wurde. In Sandra Prechtels Film zeigt sich Klick in seiner ganzen umwerfenden Geradlinigkeit – und Weggefährten und Mitstreiter erinnern sich.

Sonntag, 23. März, 18:00 Uhr

Werkstattgespräch
Wir laden zu einem Werkstattgespräch über Roland Klick und seine Filme ein. Zu Gast sind die Filmemacher*innen Sandra Prechtel und Linus De Paoli. Sandra Prechtel hat 2013 die Dokumentation „The Heart is a Hungry Hunter“ über Klick gedreht. Der Genrefilm-Regisseur und Festival-Kurator Linus De Paoli lernte Roland Klick in seinem Studium an der dffb kennen. Beide sprechen über ihre Begegnungen mit Roland Klick, seine Filme und ihren Einfluss auf sie persönlich und die deutsche Filmgeschichte.

JIMMY ORPHEUS
BRD 1966, 52 Min., Regie: Roland Klick
Der Film folgt einen Abend lang dem Gelegenheitsarbeiter Kristoff, genannt Jimmy, bei seinem Streifzug durchs nächtliche St. Pauli. Da sind zum einen die nächtlichen Straßen mit all ihren Vergnügungslokalen und Spelunken, durch die sich Jimmy treiben lässt. Und zum anderen ist da ein Mädchen, mit langen Wimpern aus Bierdeckeln und einem Mantelkragen, den sie hochschlägt, bis unter die Augen. Zwei hingestreute Menschen am Rand der Nacht – doch für romantische Liebe scheint es auf dem Pflaster der Stadt keinen Platz zu geben … „Jimmy Orpheus“ markiert in Klicks Werk den Übergang zwischen seinen Kurzfilmen und den abendfüllenden Arbeiten.

Sonntag, 23. März, 20:30 Uhr

SUPERMARKT
BRD 1974, 84 Min., Regie: Roland Klick
Willi ist 18 und lebt auf der Straße. Ohne Orientierung lässt er sich durch die Stadt treiben, immer auf dem Sprung, oft auf der Flucht: vor den Bullen, Dealern, Zuhältern. Er begegnet Menschen wie dem Journalisten Frank, der ihm helfen möchte, oder dem schmierigen Kleinganoven Theo, der ihn auf den Strich schicken will. Als Willi Monika trifft, der es noch schlechter geht als ihm, will er ihr helfen, denn sie will nichts von ihm und er kann ihr was geben. – Mit schonungslosem Blick und viele Gespür für die hässlichen Rückseiten der Großstadt inszeniert Klick seinen schmutzigen Genrefilm in Hamburg. Hauptdarsteller Wierzejewski spielte anschließend noch ein paar kleinere Rollen und wurde später Kneipenwirt in Berlin und Leibwächter – von Rudi Dutschke. – Einführung: Linus de Paoli.

Vorfilm: ZWEI
BRD 1965, 24 Min., Regie: Roland Klick
Ein Tag im Leben eines Büroangestellten und einer alternden Stripteasetänzerin, die beide im gleichen Haus leben.

Mittwoch, 26. März, 20:00 Uhr

DEADLOCK
BRD 1970, 93 Min., Regie: Roland Klick, FSK 16
Deadlock ist ein gottverlassenes Kaff in der mexikanischen Sierra – die Goldminen sind längst stillgelegt. Einzig der ehemalige Verwalter Dump lebt hier noch, ebenso die alternde Hure Corinna mit ihrer geistig zurückgebliebenen Tochter Jessy. Als Dump eines Tages den schwer verletzten Kid in der Gegend findet, kommt Bewegung in die Bewohnerschaft. Denn Kid hat einen Koffer voller Geld dabei, und bald taucht auch sein Kumpane Sunshine auf. Und alle wollen an das Geld … Wie fast immer bei Klick geht es auch in „Deadlock“ um das Geld und jene, die es gerne hätten, aber (noch) nicht haben. Spielen seine späteren Gangsterfilme „Supermarkt“ und „White Star“ in urbanen Settings, verschlägt es Klick für seinen zweiten Langfilm in die Wüste. „Deadlock“ ist ein fast schon abstrakter Acid-Western, die brennende Sonne strahlt von der Leinwand bis in die letzte Reihe des Kinosaals. Die legendäre Krautrockband Can komponierte den Soundtrack zu diesem flirrenden Fiebertraum.

(nach einer Pressemitteilung des Filmfests SH)

 

Titelbild: Plakat zur Retrospektive (Filmfest SH / Kino in der Pumpe), übrige Fotos: Filmgalerie 451