Der Dokumentarfilm „Stumpfe Sense – Scharfer Stahl – Bauern, Industrie und Nationalsozialismus“ von Quinka Stoehr, Kay Ilfrich und Jens Schmidt (D 1990, 95 Min.) erlebt 35 Jahre nach seiner Uraufführung aus aktuellem Anlass eine Wiederentdeckung. Eine Kinotour durch Schleswig-Holstein begann am 4. Januar 2025, Aufführungen sind bis Anfang April (evt. auch darüber hinaus) geplant.
Im Rahmen dieser Kinotour (gefördert über das Landesdemokratiezentrum Schleswig-Holstein im Rahmen des Landesprogramms zur Demokratieförderung und Rechtsextremismusbekämpfung) ist der Film auch in Kiel zu Gast: am 18.01.2025, 17.30 Uhr (Wdh.-Termin 28.01.18.00 Uhr) im STUDIO-Filmtheater am Dreiecksplatz (Wilhelminenstraße 10, 24103 Kie) – mit anschließendem Gespräch/Diskussion mit den Regisseur*innen Quinka Stoehr und Kay Ilfrich und dem Bauern und Autor Matthias Stürwohld (AbL); dabei geht es um die historische und aktuelle Perspektive des Rechtsrucks (auf dem Lande).
Seit im Sommer 2020 schleswig-holsteinische Bauern mit ca. 350 Treckern in der Nacht die Fahne der Landvolkbewegung (weißer Pflug und rotes Schwert auf schwarzem Grund) auf einem Feld mit einstudierter Lichtgestaltung nachgebildet und diese Aktion professionell mit Drohnen aufgenommen und ins Netz gestellt haben, spätestens seitdem ist klar, dass sich etliche Bauern wieder auf die militante Landvolkbewegung der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts beziehen. Ihre Aktion ging viral und führte in der kritischen Öffentlichkeit zu einem Eklat, denn man weiß mittlerweile, die Landvolbewegung war antiparlamentarisch, völkisch und antisemitisch und ging im Nationalsozialismus auf. Aber das störte die betreffenden Bauern wenig, sondern die Fahne bekam „Junge“ und wird nun mittlerweile bundesweit gezeigt, zuletzt auf vielen großen Bauernprotestkundgebungen in Berlin und anderswo oder aber auch in Schlüttsiel bei der Anti-Habeck Demo Anfang 2024.
Der Film rekonstruiert die schleswig-holsteinische Landvolkbewegung Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts und zeigt die Ursachen der Radikalisierung der Bauern. Wie in einem Brennglas werden anhand dieser regionalen Protestbewegung die Entstehungsbedingungen des deutschen Faschismus minutiös beleuchtet. Parallelen zu heute sind erschreckend.
Zeitzeugen im Film sind Margarete Hamkens (Witwe des Landvolkführers Wilhelm Hamkens); Peter Petersen (Erfinder der Landvolkfahne, Symbol der Landvolkbewegung (schwarzer Pflug und rotes Schwert) und später Funktionär im Reichsnährstand, Alfred Sohn-Rethel (Sozialphilosoph) und Pep Bergmann (Mitglied der KPD-Opposition). Die Erinnerungen der Zeitzeugen kommentieren sich gegenseitig und vermitteln ein differenziertes Bild dieser Zeit. Ergänzt werden die lebhaften Erzählungen der Zeitzeugen mit Fotos und Archivmaterial. Dafür haben Stoehr/Schmidt und Ilfrich Film- und Fotoarchive sowie private Fotoalben durchforstet und sind dabei auf zahlreiches Bildmaterial gestoßen, das sie als erste veröffentlicht haben. Der Film ist ein Zeitdokument, mittlerweile sind alle genannten Zeitzeugen schon lange verstorben.
Weiterführende Materialien:
- Liste mit weiteren Aufführungen mit Diskussion (PDF, Stand 09.01.2025)
- Gespräch Quinka Stoehr mit dem Deutschlandfunk zur Landvolkbewegung
- Ausführlicher TAZ-Artikel zum Film
- Holsteinischer Courier, 20.5.2024
- Husumer Nachrichten, August 2024
- Website von Quinka Stoehr: quinkastoehr.de
(nach einer Mitteilung von Quinka Stoehr)