Eine Stellungnahme der AG DOK – Berufsverband Dokumentarfilm

Wir haben mit großer Verärgerung zur Kenntnis genommen, dass sich der rbb aus der Finanzierung des Berlinale Dokumentarfilmpreises zurückzieht. Diese Auszeichnung für den besten Dokumentarfilm der Berlinale wurde 2017 eingeführt. Seit 2020 stiftet der rbb das Preisgeld in Höhe von 40.000 Euro, das an Regie und Produktion der ausgezeichneten Filme geht. Die ehemalige Programmdirektorin des rbb, Martina Zöllner, würdigte noch im Februar die nominierten Produktionen des Jahres 2024: „Dokumentarfilme sind Zeitzeugnisse gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen, oft große Erzählungen schwer zugänglicher Lebensrealitäten und immer auch Werke von künstlerischer Eigenart. Ihre Wahrhaftigkeit kann uns den Atem nehmen. Der Berlinale Dokumentarfilmpreis dient dazu, dieses ‚Erlebnis Dokumentarfilm‘ möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, die ein Thema oder einen Stoff vielleicht nur als Nachricht oder Artikel kennen.“

Das Engagement des rbb war also nicht nur getragen von einem klaren Bekenntnis zur Relevanz von dokumentarischen Produktionen, sondern auch von einem ebenso klaren Verständnis von den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: nämlich Meinungsbildung zu ermöglichen durch diverse Perspektiven, und einer breiten Bevölkerungsschicht Teilhabe zu gewährleisten an relevanten Diskursen unserer Gegenwart.

Kaum eine Gattung erfüllt diesen Anspruch mehr als das Dokumentarische. Wenn nun die neue Programmchefin Katrin Günther als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Streichung des Preisgelds für diese Auszeichnung verkündet, ist das nicht nur eine Sparmaßnahme, sondern ein höchst symbolischer Akt. Die damit erzielte Einsparung ist vergleichsweise gering, sie lässt aber vermuten, dass der Stellenwert des Dokumentarischen im Haus gesunken ist und weiter sinken wird.

Vor allem aber hinterlässt der Rückzug des rbb einen unangenehmen Nachgeschmack, weil er wirkt wie eine verzögerte Reaktion auf den Skandal um den diesjährigen Berlinale Dokumentarfilm-Preisträger NO OTHER LAND, der die Verdrängung von Palästinensern im Westjordanland dokumentiert. In unserer von politischen Krisen aufgeheizten Gegenwart werden solche Filme auch als politische Statements gelesen und benutzt. Aber die Wahrnehmung der Welt aus dokumentarischer Perspektive ist oft per se politisch, weil sie Position bezieht. Über solche Filme können und sollen wir streiten. Aber den Diskurs darüber müssen wir als freiheitlich verfasste Gesellschaft nicht nur aushalten, sondern ihn auch ermöglichen.

Das Signal, das der rbb mit der Streichung in die Branche sendet, ist fatal, denn es bedeutet möglicherweise auch, dass hier eine nachträgliche Distanzierung stattfindet vom Urteil einer unabhängigen Jury – anstatt die Notwendigkeit anzuerkennen, dass wir mehr denn je dokumentarische Filme brauchen, die uns die Welt erfahrbar machen und den Finger in die Wunden legen, wo nötig.

(nach einer Pressemitteilung der AG DOK)

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