Den Eklat um antisemitische Bekundungen zum Abschluss der Berlinale nimmt Lars Henrik Gass, Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, die vom 1. bis 6. Mai 2024 zum 70. Mal stattfinden, zum Anlass, das Thema in einem exklusiven Gastbeitrag für Blickpunkt Film grundlegend zu hinterfragen. Während der Druck durch die Politisierung internationaler Kulturveranstaltungen wächst, sieht er gleichzeitig ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt.
Mit der Politisierung internationaler Kulturveranstaltungen wächst der Druck auf die Veranstalter. Gleichzeitig steht die Glaubwürdigkeit der Veranstaltungen selbst in Frage.
Nachdem bereits die IDFA, das Dokumentarfilm-Festival in Amsterdam, Angriffsziel von pro-palästinensischen Aktivisten geworden war und generell im Lichte von teils sehr aggressiven Formen politisch motivierter Störungen auf Kulturveranstaltungen, traf die Festivalleitung der Berlinale Vorkehrungen, um Team, Gäste und Publikum vor verbaler und nonverbaler Gewalt zu schützen.
Dies geschah einerseits durch einen Verhaltenskodex, der sich in jede erdenkliche Richtung abzusichern versuchte, andererseits durch eine Deeskalations-Schulung für das Team im Vorfeld. Der Plan ist leider nicht ganz aufgegangen. Es kam auch auf der Berlinale zu israelbezogenem Antisemitismus.
Die Sache ist noch nicht vollends aufgearbeitet. Die CDU-Bundestagsfraktion hat mehr als 70 Fragen an Kulturstaatsministerin Claudia Roth gerichtet, die Aufklärung bringen sollen. Die Anhörung im Kulturausschuss des Bundestags hat die erhoffte Aufklärung jedenfalls nicht erbracht. Nach solchen Vorkommnissen, die bereits auf der vergangenen documenta in Kassel ihr Vorspiel hatten, ist die Betroffenheit ebenso groß wie die allgemeine Regungslosigkeit vor den Veranstaltungen.
(Artikel erschien zuerst auf Blickpunkt:Film)