Kieler Filmemacher Dennis Stormer über Kino, Jugend und seinen Film „Youth Topia“
Von Ruth Bender
Mit „Full of Fire“ gewann Dennis Stormer beim Filmfest Schleswig-Holstein 2022 den Langfilmpreis. Jetzt ist der Kieler Filmemacher wieder im Rennen, diesmal mit „Youth Topia“, der nicht nur visuell eindrucksvoll zwei Welten konfrontiert: Jugendliche und Erwachsene. Hier spricht Dennis Stormer über jugendliche Energie und Verlorenheit – und die Lust am Kino.
Das Schwimmen zwischen den Möglichkeiten, zwischen individueller Freiheit und dem Druck, den Sprung in die Gesellschaft zu schaffen, hat Dennis Stormer schon länger beschäftigt. Zuletzt im Film „Full of Fire“ (2022), als er die schwedische Musikerin Moa auf ihrer Entscheidungsreise zwischen Muttersein und Musik-Karriere begleitete.
„Ich habe viel in meiner Generation herumgeschaut“, sagt der Kieler Filmemacher, der in New York und an der Filmhochschule Ludwigsburg studiert hat. „Viele haben ihre Zwanziger unter dem Druck erlebt, den perfekten Beruf zu finden. Wir hatten die Möglichkeit, aus allem zu wählen – und plötzlich ist man 30 und immer noch im Dazwischen.“ Und dann kommt die Erkenntnis, dass die Jugend „ja nie so toll, frei und unbekümmert ist, wie es medial wiedergegeben wird oder nostalgisch erscheint“.
„Youth Topia“ erzählt von jugendlicher Energie und Erwachsenwerden
Irgendwann ploppte dann die Frage auf: Was wäre, wenn uns ein „Algorithmus“ die Entscheidung abnehmen, jedem seinen Platz in der Gesellschaft zuweisen und eine ganze Generation endlich „erwachsen“ machen würde? So wie es der jungen Wanja passiert in Dennis Stormers Film „Youth Topia“, der beim Filmfest Schleswig-Holstein am Freitag, 31. März, beim Langfilmwettbewerb ins Rennen geht. Und am 17. August bundesweit im Kino startet.
Zusammen mit der Schweizer Produzentin und Co-Autorin Marisa Meier, die den Film auch in Kiel vorstellt, hat Stormer das Drehbuch geschrieben. Eine Utopie im richtigen Leben, in der die Menschen nach Eignung eingepasst werden, während für die „Langzeitjugendlichen“ die Wiesen weiter lila glühen und der Nachthimmel quietschorange. Hyperreal wie im Rausch oder im Computerspiel.
Solche wie Wanjas Freunde, die sich in einer alten Scheune in den Kleberrausch schnüffeln und kompromisslos das wilde Leben zelebrieren. Während die Freundin vom „Algorithmus“ aus der Landkommune in den erwachsenen Businessanzug und ein hippes Architekturbüro katapultiert wird – und bald über den Abriss der Scheune entscheiden muss …
Das Kino war für Dennis Stormer der Antrieb zum Filmemachen
Film hat Dennis Stormer immer schon fasziniert, genauso wie Musik, Theater und Comics. Disziplin, erzählt er, habe er als Waldorfschüler vor allem im kreativen Bereich entwickelt. Das Kino aber hat seine eigene Bedeutung. „Im Kino habe ich meine politische und moralische Bildung erhalten“, sagt der 32-Jährige, „das war auch mein Antrieb zum Filmemachen damals; heute ist es eher ein Spielplatz.“
In „Youth Topia“ entsteht so aus von Infrarot-Aufnahmen inspirierten Sequenzen, verwegenen Formatwechseln von Cinemascope bis zu wackligen Handyfilmen eine eigene, stark stilisierte Bildsprache. „Meine Filme sind immer Experimente“, sagt Stormer, „und das Suchen nach Stilmitteln und neuen technischen Möglichkeiten.“ Die Chats und Bilder aus Social Media, die die Schauspielerinnen und Schauspieler am Set gedreht haben, sind ganz selbstverständlich da hinein geschwappt: „Das schafft einen ständigen Bezug zur Realität.“
Dennis Stormer ist froh, dass er nach dem Abschluss in Ludwigsburg seine „Base“ mittlerweile wieder in Kiel hat: „Und wenn ein Projekt anliegt, dann ziehe ich dem eben hinterher.“ Nach Stockholm für „Full of Fire“ oder in die Schweiz, wo „Youth Topia“ gedreht wurde.
Gerade ist er in Madrid, wo er an einem neuen Projekt getüftelt hat, und auf dem Sprung nach Gran Canaria, um sich ein mögliches Aufforstungsprojekt anzuschauen: „Vielleicht wird daraus ja irgendwann ein Dokumentarfilm …“ Und auch, wenn er hofft, dass das von den Pandemiejahren stark gebeutelte Kino eine Zukunft hat, sagt er: „Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es nicht unmittelbarere Wege gibt, die Menschen anzusprechen.“
Stormer engagiert sich daher auch als Umweltaktivist. Ein Widerspruch? „Eigentlich geht es doch in beiden Fällen um Kommunikation“, sagt er. „Beim Film kann man tiefer einsteigen, Grundsatzfragen diskutieren. Aber über den Aktivismus kann man ganz direkt reagieren.“
(der Artikel erschien erstmals am 31.3.2023 in den „Kieler Nachrichten“, S. 21)