Seit 2020 engagiert sich der Verband der deutschen Filmkritik an der Seite von anderen Verbänden, Institutionen und Netzwerken in der gemeinschaftlichen Initiative Zukunft Kino+Film für die Filmkultur in Deutschland. Ausgehend von den Frankfurter Positionen und im Zusammenschluss diverser Perspektiven ist hieraus ein Vorschlag für eine Vereinfachung der vielgliedrigen Filmförderung auf Bundes- wie auf Länderebene entstanden. Im Mittelpunkt des Konzepts steht eine Zweiteilung der Förderung: In der einen Förderlinie sollen ausschließlich künstlerische Kriterien zum Tragen kommen, in der anderen ausschließlich wirtschaftliche Kriterien. Durch eine je hälftige Aufteilung der Etats auf diese beiden Förderlinien soll dabei die künstlerische Dimension des Kinos deutlich gestärkt werden.

Alle Details hierzu finden sich im Konzept „Für einen Neuanfang im deutschen Film“ (PDF) (unten im Wortlaut).

(nach einer Pressemitteilung des VdFk – Verband der deutschen Filmkritik e.V.)

 


 

FÜR EINEN NEUANFANG IM DEUTSCHEN FILM

Die Initiative Zukunft Kino+Film stellt ihr Konzept für eine grundlegende Reform der Filmförderung vor

VORWORT

Seit ihrer Gründung 2020 engagiert sich die „Initiative Zukunft Kino und Film“ (IZK +F) für die Filmkultur in Deutschland und die Verbesserung der Produktions- und Rezeptionsbedingungen des deutschen Films. Wir, ein Verbund von zurzeit neun Verbänden und Institutionen, einem repräsentativen Querschnitt der Filmbranche, bemühen uns um konstruktiven Dialog und Austausch mit allen Institutionen und Akteur*innen der deutschen Filmszene. In unsere Forderungen und Vorschläge fließen diverse Impulse aus diesem Austausch ein, ausgehend von den Frankfurter Positionen, an denen 2018 über 100 Branchenteilnehmer*innen mitgewirkt haben.

In weiten Teilen der Branche hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass für das deutsche Filmfördersystem ein grundlegender Neubeginn nötig ist. Die offenkundige ökonomische und künstlerische Existenzkrise des deutschen Films, auch schon vor der Pandemie, verlangt nach neuen Strategien und Mechanismen – und dies so schnell wie möglich.

Nach umfassenden Gesprächen und Beratungen schlagen wir hierfür ein grundsätzlich verändertes deutsches Filmfördersystem vor.

Drei Leitgedanken tragen dieses Papier:

  • Wir engagieren uns für eine größere Vielfalt im deutschen Kino und in der in Deutschland sichtbaren Filmkultur. Mit Vielfalt meinen wir sowohl eine Vielfalt der Herkünfte, der beteiligten Menschen vor und hinter der Kamera als auch eine Vielfalt der Stoffe, der Dramaturgien, der Längen, Formate und Gattungen sowie der Ästhetiken.
  • Wir halten es für sinnvoll und notwendig, dass die in der Förderung greifenden künstlerischen und wirtschaftlichen Kriterien unzweideutig voneinander unterschieden werden. Bei der Bewertung und Entscheidung über Förderanträge sollen diese Kriterien nicht gegeneinander ausgespielt werden können.
  • Bei der Förderung von Kinofilmen sollten Einflüsse durch Fernsehsender und Streaming-Dienste auf ein Minimum begrenzt werden. Sie dürfen den Kinofilm nicht verwässern.

Die bisherigen Förderungen auf Bundesebene sind vielgestaltig (DFFF, FFA, BKM, KJF, GMPF). Wir schlagen hierzu eine vereinfachte und niedrigschwellige zweigliedrige Alternative vor, bei der Best Practices aus allen Förderungen übernommen werden sollen.

MODELL FUR DIE FILMFÖRDERUNG DES BUNDES

Das folgende Modell sollte analog auch bei den Förderungen der Länder gelten.

Die Filmförderung auf Bundesebene soll künftig in zwei Förderbereiche unterteilt werden, die mit je 50% des Fördervolumens ausgestattet werden und allen Vorhaben offen stehen:

  • eine Förderung nach künstlerischen Kriterien (KK) und
  • eine Förderung nach wirtschaftlichen Kriterien (WK)

Die Mittelvergabe nach KK erfolgt:

  • überwiegend selektiv durch Jurys (KK-S)
  • zu einem kleineren Anteil automatisch (KK-A)

Die Mittelvergabe nach WK erfolgt:

  • überwiegend automatisch (WK-A)
  • zu einem kleineren Anteil selektiv durch Jurys (WK-S)

Innerhalb dieser vier Förderlinien (KK-S, KK-A, WK-A, WK-S) gibt es jeweils Kategorien für:

  • Entwicklung
  • Produktion
  • Verwertung (Kinos, Verleih, Home Entertainment)

In allen zwölf Fördertöpfen werden anteilige Mittel reserviert für:

  • Talent (Nachwuchs & Quereinsteiger*innen)
  • Innovation

ERLÄUTERUNGEN

Die Filmförderung erfolgt bisher nach unterschiedlichen Kriterien und Maßstäben, die mit Erwartungen an die Projekte und ihren künstlerischen und/ oder wirtschaftlichen Erfolg verknüpft sind. Bei einem Großteil der Fördertöpfe werden diese Kriterien und Maßstäbe vermengt: Nur wenn eine Kombination unterschiedlicher Faktoren erfüllt wird, werden Fördergelder bewilligt.

Um die Chancen zu erhöhen, dass sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich erfolgreiche Filme in Deutschland entstehen und verwertet werden, soll die Filmförderung künftig in zwei Förderbereiche mit grundsätzlich unterschiedlichen Vergabekriterien unterteilt werden. Anhand dieser Kriterien wird in jedem Fördertopf entschieden, welche Projekte förderwürdig sind und in welcher Höhe. Jedes Vorhaben kann grundsätzlich in beiden Bereichen eingereicht werden. Nicht die Filme sollen kategorisiert, sondern der Vergabeprozess klarer, nachvollziehbarer und transparenter werden.

Die künstlerischen Kriterien sind schwer quantifizierbar und werden daher überwiegend durch Jurys beraten, kommuniziert und entschieden. Wesentliche Kriterien hierfür sind u.a. bisherige künstlerische Erfolge der Antragsteller*innen und beteiligter Gewerke sowie Originalität, Qualität und Eigensinn von Stoff, Figuren, Struktur, Dialogen, visuellen und auditiven Konzepten.

Die wirtschaftlichen Kriterien sind überwiegend quantifizierbar und werden deshalb überwiegend automatisch bewertet. Darunter fallen u.a. Standortfaktoren wie Beschäftigungseffekte, Drehtage, sichtbare touristische Motive im Bild sowie Budgethöhe, Verleihgarantien und Vorabverkäufe, vorherige (relative und absolute) wirtschaftliche Erfolge der Antragsteller*innen, Bekanntheit der Drehbuchvorlage oder von Projektbeteiligten.

Die beiden Förderbereiche stehen allen Vorhaben offen, ganz gleich, ob sie sich in der Eigenbetrachtung als eher kommerziell oder künstlerisch definieren.

Entscheidend für die Förderung ist ausschließlich, ob sie die Kriterien des jeweiligen Förderbereiches und Fördertopfes erfüllen. Anträge können in beiden Bereichen zeitgleich oder auch nacheinander gestellt werden.

AKZENT AUF TALENT UND IN NOVATION

In allen zwölf Fördertöpfen soll ein Schwerpunkt auf gut ausgestattete und formatoffene Talent- und Innovationsförderung gelegt werden.

Gefördert werden sollen Filme, die neue Maßstäbe setzen, künstlerische Experimente wagen, die Filmsprache weiterentwickeln, Formate sprengen und mit ihrer Innovationskraft die Zukunft des Bewegtbilds auch auf internationaler Ebene prägen können. Diese nach eigenen Kriterien vergebene Förderung soll einen Beitrag leisten für die Vielfalt, sie soll niedrigschwellig beantragbar sein, stark vereinfachte bürokratische Antragsmodalitäten aufweisen, schnell und in kurzen Intervallen (oder laufend) beschieden werden.

Sie soll einen Akzent setzen auf die Förderung kreativer Kernteams am Anfang ihrer Laufbahn: Regie bis einschließlich 3. Langfilm, Drehbuch bis einschließlich 3. Langfilm, Produktion bis einschließlich 6. Langfilm. Zudem soll sie die strukturelle Benachteiligung einzelner Gattungen beenden, wie sie aktuell insbesondere beim Kurz-, mittellangen und Animationsfilm zu beobachten ist. So fehlt beim Kurz- und mittellangen Film eine Entwicklungs- und Verleihförderung. Die Förderbeträge insbesondere für kurze Animationsfilme sind angesichts der hohen Entwicklungs- und Produktionskosten unzureichend.

DIE FÖRDERKATEGORIEN

ENTWICKLUNG

Die Entwicklungsförderung muss doppelt gestärkt werden: pro Film und insgesamt. Die Förderung pro Film muss so hoch sein, dass die tatsächlichen Kosten der Entwicklung aller Beteiligter bis zur Drehreife darüber abgedeckt werden.

Außerdem müssen insgesamt genügend Mittel für die Entwicklungsförderung bereitstehen, damit mehr Filme entwickelt als produziert werden. Diese Förderung soll mehrstufig ausgestaltet sein (siehe Modell Zürcher Filmstiftung) und eine flexible Nutzung des bewilligten Zuschusses in Rücksprache mit der Jury ermöglichen, um der Unberechenbarkeit des Entwicklungsprozesses Rechnung zu tragen. Im Bereich der Entwicklung kann und sollte entschieden werden, ob ein Vorhaben reif ist, produziert zu werden. Durch eine auskömmliche Entwicklungsförderung wird auch der Druck auf Produktionsfirmen abgeschafft, Entwicklungskosten über die Produktionsförderung wieder einspielen zu müssen. Feedbackgespräche nach Ablehnungen mit der Möglichkeit zur erneuten Einreichung sollen fester Bestandteil dieser Förderung sein.

Im Rahmen des Akzents auf formatoffene Talent- und Innovationsförderung erhalten Vorhaben jeglicher Länge Zugang zur Entwicklungsförderung.

  • Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der künstlerischen Bedeutung und Strahlkraft des deutschen Kinos sind im Bereich der Entwicklungsförderung zum Beispiel:
  • Mentoring-Programme für Talente fördern
  • Antrag auch ohne Treatment ermöglichen, wenn andere geeignete Unterlagen vorgelegt werden
  • Möglichkeit zur persönlichen Vorstellung von Vorhaben vor dem Vergabe-Ausschuss sowie direktes Feedback nach Ablehnungen sollte Teil der Vergabepraxis werden

PRODUKTION

Die Produktionsförderung wird deutlich entlastet durch die Stärkung der Entwicklungsförderung – und geschärft durch die Aufteilung in die zwei Förderbereiche KK und WK. Die Produktionsförderung nach wirtschaftlichen Kriterien soll dabei verstärkt automatisiert vergeben werden.

Verbesserungen der Produktionsförderung:

  • vereinfachte Antragstellung (siehe Regionaleffekte)
  • schnellere Finanzierungen durch weniger Förderer mit höheren Beträgen pro Projekt
  • vereinfachte Finanzierung durch eine Ankaufsverpflichtung der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in angemessener Höhe sowie Investitionsverpflichtungen der Streamer für Kinofilme (siehe unten)

Regionaleffekte

Die strukturellen Verbesserungen für die Kinofilmproduktion hängen entscheidend von der Rolle der Länderförderungen ab. Die mehrfache Verpflichtung zur Erfüllung von Regionaleffekten verteuert die Produktion, zwingt zu künstlerischen Zugeständnissen und schadet der Umwelt. Das FFG muss dringend den Fördertourismus verhindern, indem zum Beispiel eine auf Bundesebene geförderte Produktion maximal von einer einzigen Länderförderung zur Erbringung von Regionaleffekten verpflichtet werden darf. In diesem Zusammenhang regen wir die Einführung von Instrumenten an, die einzelne Produktionsfirmen vom Zwang zur Erfüllung von Regionaleffekten (und deren Nachweis) entbinden.

Referenzförderung

Im Rahmen der Produktionsförderung kommt der Referenzförderung für erfolgreich ausgewertete Filme eine besondere Rolle zu. Sie ist innerhalb der WK und der KK neu zu gestalten. Referenzmittel können aus beiden Töpfen erhalten und kumuliert werden. Die Trennung nach WK und KK hat zur Folge, dass sowohl künstlerischer als auch wirtschaftlicher Erfolg honoriert wird. Die Mittel sollen anteilig an Produktionsfirmen, Regisseur*innen und Drehbuchautor*innen für ihre nächsten Projekte vergeben werden.

Für die WK-Referenzförderung im Bereich Langfilm schlagen wir vor:

  • Abschaffung der Eingangsschwellen
  • eine Berechnung des wirtschaftlichen Erfolgs nach relativen Maßstäben, abhängig von Auswertungsergebnissen im Verhältnis zu Budgethöhen
  • Einbeziehung der Publikumszahlen von alternativen Abspielorten
  • Einbeziehung des Auslandserfolgs

Für die KK-Referenzförderung im Bereich Langfilm schlagen wir vor:

  • Abschaffung der Eingangsschwellen
  • eine deutlich erweiterte Liste der berücksichtigten Festivalteilnahmen, Nominierungen und Preise

Talent- und Innovationsförderung

Im Rahmen des Akzents auf formatoffene Talent- und Innovationsförderung erhalten Vorhaben jeglicher Länge Zugang zur Produktionsförderung. Dieser Zugang beseitigt die aktuellen Barrieren wie die Deckelung der Fördersummen einzelner Vorhaben und das viel zu geringe Fördervolumen vor allem für Kurz-, mittellange und Animationsfilme (vgl. aktuelle Produktionsförderung für Kurzfilme bei BKM und KJF).

Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der künstlerischen Bedeutung und Strahlkraft des deutschen Kinos in der Produktionsförderung sind – analog zur Entwicklungsförderung – zum Beispiel:

  • Mentoringprogramm für Talente fördern
  • Antrag auch ohne Drehbuch möglich machen, wenn andere Unterlagen aussagekräftiger für das jeweilige Vorhaben sind (z.B. Moodboards, Beispielszenen)
  • Möglichkeit zur persönlichen Vorstellung von Vorhaben vor dem Vergabeausschuss sowie direktes Feedback nach Ablehnungen sollte Teil der Vergabepraxis werden

Tax lncentives

Sollte es in Deutschland zur Einführung von Tax lncentives kommen, so fordern wir hier eine Chancengleichheit für alle Produzent*innen herzustellen und auf Mindestausgaben sowie Eingangsschwellen zu verzichten.

Zur Chancengleichheit gehört auch, darauf zu achten, dass kleinere oder mittelgroße Produktionsfirmen erst in die Lage versetzt werden müssen, die zu erwartende Steuergutschrift zwischenzufinanzieren. Wir fordern daher, dass die Steuergutschriften entweder noch vor Produktionsbeginn ausgezahlt werden (oder spätestens während des Drehs, wie beim DFFF üblich) oder eine zinsfreie Zwischenfinanzierung ermöglicht wird.

Dezidiert eingeschlossen werden sollen mittellange und kurze Filme sowie Filme aller Gattungen. Hierfür ist entscheidend, dass kein Zwang zur klassischen Herausbringung im Kino bestehen darf, sofern Filme stattdessen auf eine Festivalauswertung zielen. Wir regen zudem an, dass sogenannte Uplifts eine höhere Steuergutschrift ermöglichen, wenn ökologische, kulturelle und soziale Faktoren dafür sprechen, zum Beispiel:

  • für erste, zweite und dritte Langfilme der beteiligten Personen in Regie, Drehbuch und/oder Produktion
  • für Filme, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen
  • für Filme mit Budgets unter 1 Million
  • für Filme unter Beteiligung von Menschen aus bisher strukturell benachteiligten Gruppen
  • für vorherige künstlerische Erfolge der beteiligten Personen in Regie, Drehbuch und/oder Produktion
  • für Projekte, deren Arbeitsbedingungen über soziale Mindeststandards hinaus gehen
  • für den Rechteverbleib bei von Sendern und Streaming-Anbietern unabhängigen Produktionsfirmen mit Sitz in Deutschland

Internationalisierung

Wir fordern eine Abkehr von national geprägten Regelungen im Fördersystem hin zu einer weiteren Öffnung und Internationalisierung der Mechanismen, die sowohl der internationalen Dimension der deutschen Gesellschaft und der Filmkultur Rechnung tragen.

Die Produktionsförderung der BKM sollte etwa für minoritäre Koproduktionen geöffnet werden.

Investitionsverpflichtung

Die in Deutschland tätigen Streaming-Anbieter sollen nach französischem Modell zu einer Investition von 250/o ihres in Deutschland erzielten Umsatzes in europäische Filmproduktionen verpflichtet werden. Besonders wichtig ist dabei eine Festschreibung des Anteils an deutschen Kinoproduktionen mit einem Rechterückfall an die von Sendern und Streaming-Anbietern unabhängigen Produktionsfirmen.

AUSWERTUNG

Aufbauend auf den strukturellen Verbesserungen von Entwicklungs- und Produktionsförderung kommt der Auswertungsförderung künftig eine größere Rolle zu. Sie soll es Kinos und Verleihen langfristig ermöglichen, neues Publikum zu gewinnen und zu binden. Ebenso wie das durch die Corona-Pandemie verloren gegangene Publikum kann auch ein neues und zukünftiges Publikum nur durch ein vielfältiges, einzigartiges und innovatives Programm (wieder-) gewonnen werden. Das Engagement von Kinos für Filmkultur und Filmbildung sollte noch stärker unterstützt werden. Die Förderung von Verleihunternehmen nach künstlerischen Kriterien sollte zudem ausgebaut werden.

Wie bei Entwicklung und Produktion sollte auch in der Auswertung und den dafür vergebenen Preisen (z.B. Kinoprogrammpreise, Verleih-Preise) das Engagement der Akteur*innen für formatoffene Talent- und Innovationsförderung finanziell unterstützt werden. Gefördert werden sollen Verleihe, Festivals und Kinos, die in ihren Programmen Filme sichtbar machen, die neue Maßstäbe setzen, künstlerische Experimente wagen, die Filmsprache weiterentwickeln und mit ihrer Innovationskraft die Zukunft des Bewegtbilds prägen können.

Internationalität

Die Bedeutung internationaler Filme – insbesondere derer, die nicht aus Europa und nicht aus den USA stammen – für die Filmkultur in Deutschland findet bislang keinen Niederschlag in den Förderbedingungen für Kinos und Verleihe.

Die Förderung von Kinos unter Auflage eines prozentualen Einsatzes deutscher und europäischer Filme greift zu kurz, weil hiermit nicht nur US-amerikanische Filme gedeckelt werden, sondern genauso Filme aus allen anderen außereuropäischen Ländern. Für eine inklusive Filmkultur in Deutschland ist daher bei der Kinoförderung eine Quote nicht-US-amerikanischer Filme zielführender.

Um die Vielfalt des Weltkinos zum deutschen Publikum zu bringen, sollte die Verleihförderung für Filme ohne deutsche Beteiligung geöffnet werden.

Die begründeten Anträge sind daraufhin zu prüfen, ob eine Verleihförderung eine größere Chancengleichheit der Filme herstellen kann. Insbesondere Filme aus Ländern, die in Deutschland wenig Sichtbarkeit im Kino erfahren, sind zu fördern.

Filmfestivals

Die Förderung von Filmfestivals auf Bundesebene ist bisher bei der BKM angesiedelt unter dem Budgettitel „Einzelmaßnahmen deutscher Film“ und wird nach intransparenten oder zum Teil schwer nachvollziehbaren Kriterien (wie etwa der Anzahl deutscher Filme im jeweiligen Programm) an eine kleine Zahl von Festivals vergeben. Der gewachsenen Bedeutung von Filmfestivals für die Filmkultur und Filmbildung in Deutschland sollte gebührend Rechnung getragen werden durch die Einführung einer eigenständigen Festivalförderung.

Ankaufsverpflichtung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Teil der Auswertung deutscher Kinofilme ist deren Präsenz im öffentlich-­rechtlichen Fernsehen, das historisch und bis heute vom Kinofilm immens profitiert hat. Der Bedeutung der Kinofilme tragen allerdings weder die Koproduktionsanteile, noch die Sendeplätze und erst recht nicht die Anzahl der Ankäufe und Höhen der gezahlten Summen Rechnung. Für die zukünftig neu zu gestaltende Beziehung von öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Kinofilm fordern wir daher eine Abkehr vom bisherigen System, das die öffentlich­rechtlichen Sender frühzeitig in den Prozess der Entwicklung von Filmen einbezieht und deren Kapazitäten bindet. Stattdessen fordern wir eine Ankaufsverpflichtung, die in angemessener Höhe des Filmetats der jeweiligen Sender festgeschrieben wird. Diese Höhe muss die bisherigen Koproduktionsanteile übersteigen. Eine Orientierung zur Ausgestaltung der Ankaufsverpflichtung kann dabei das österreichische Modell bieten.

INSTITUTION / ÜBERGREIFENDES

Amtszeitbegrenzungen und Transparenz

Die Bemühungen der für den deutschen Film maßgeblichen Filmförderinstitutionen um Transparenz und demokratische Legitimation sollen verstärkt werden. Amtszeitbeschränkungen, wie sie für Gremien bereits oftmals selbstverständlich sind, müssen hierbei auch für alle Leitungsfunktionen, Vorstände, lntendant*innen, Beirät*innen und Aufsichtsrät*innen eingeführt werden, um regelmäßige Erneuerung und Perspektivwechsel zu ermöglichen.

Einen entscheidenden Beitrag zur Transparenz und zur Verbesserung der Chancengleichheit aller Filmschaffenden können Förderinstitutionen durch zwei einfache Mittel leisten: die Möglichkeit der persönlichen Vorstellung der Projekte vor den Auswahlgremien sowie die Kommunikation der Entscheidungsgründe. Hierzu sollen alle Förderinstitutionen verpflichtet werden.

Harmonisierung der Antragstellung

Um die unnötige Verschwendung von kreativen Ressourcen zu vermeiden, fordern wir die Vereinheitlichung der Antrags- und Abrechnungsmodalitäten bei Bund und Ländern. Die Einreichung bei allen Förderstellen soll über ein zentrales Portal erfolgen. Antragsteller*innen können dabei auf bestehende Daten zurückgreifen und sie gegebenenfalls aktualisieren. Die mehrfache Prüfung einer Projektabrechnung sollte entfallen.

Zur Vereinfachung der Finanzierung von Filmvorhaben sollte die Anzahl beteiligter Förderungsinstitutionen beschränkt werden und deren finanzielle Beteiligung pro Film erhöht werden. Der Turnus von Einreichterminen und Vergabesitzungen sollte erhöht werden und in der Regel einmal pro Quartal stattfinden.

Filmbildung

Zu einem ganzheitlichen Blick auf Filmkultur in Deutschland gehört eine Beschäftigung mit dem Publikum. Die Vielfalt der Filmkultur benötigt einen Resonanzraum und kann nur fruchtbar im Austausch mit den Zuschauer*innen wachsen. Hierfür ist die Qualität und Nachhaltigkeit der Filmbildung entscheidend. Sie darf sich nicht dem Erwerb von Medienkompetenz und dem Illustrieren von Themen im Lehrplan unterordnen. Sie muss in ihrer Programmgestaltung frei von kommerziellen Interessen sein und aus dem gesamten Spektrum von Gattungen, Genres und Formaten des globalen filmkulturellen Schaffens schöpfen.

Kommunale, regionale und bundesweite Fördertöpfe für Projekte der kulturellen Filmbildung müssen analog zu den anderen Künsten (Theater, Musik, Bildende Kunst, Tanz usw.) ausgestattet und in der kulturellen Bildung verankert werden. In der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften muss die Beschäftigung mit Film entsprechend berücksichtigt bzw. gestärkt werden.

In den Kulturämtern der Kommunen sowie in der Kulturförderung von Land und Bund muss die Filmbildung mit entsprechenden Ansprechpersonen vertreten sein. Filmkulturelle Institutionen – (kommunale) Kinos, Filmmuseen, Archive usw. – benötigen unbefristete Stellen und Budgets für Bildungsprojekte, die ganzjährig durchgehende Angebote ermöglichen.

Soziale Nachhaltigkeit, Ökologie und Diversität

Die Vergabe öffentlicher Gelder sollte unter anderem darauf zielen, soziale Missstände zu bekämpfen. Daher braucht es Maßnahmen, die ohne Eingriff in die Kunstfreiheit Bedingungen schaffen für Diversität, Inklusion, Gendergerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen sowie soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Zum Beispiel:

  • die Einhaltung sozialer Mindeststandards als Bestandteil der Fördervoraussetzungen
  • zusätzliche Fördermittel bei besonderem Engagement in den Bereichen Ökologie, Diversität, Inklusion, Parität, sozialer Fairness, dem Einsatz moderner Arbeitsformen wie Jobsharing sowie für Aus­ Weiterbildungsinitiativen

Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen eine signifikante Budgetanhebung erforderlich machen. Keinesfalls dürfen sie zu Lasten der Herstellung des Filmvorhabens gehen. Notwendige und gewünschte Auflagen wie ökologische Standards und Diversität müssen sich mit dem kreativen Prozess und der Praxis der Filmherstellung nachvollziehbar vereinigen lassen.

Initiative Zukunft Kino+Film:

  • AG Animationsfilm
  • AG Kurzfilm
  • Bundesverband kommunale Filmarbeit Bundesverband Regie
  • CrewUnited
  • Hauptverband Cinephilie
  • Verband der deutschen Filmkritik
  • Zukunft deutscher Film
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