Nach vier grandiosen Festivaltagen im Deutschen Haus und in der Theaterwerkstatt Pilkentafel wurden am 19.11.2022 bei der feierlichen Preisverleihung der Flensburger Kurzfilmtage im Kino 51 Stufen die Preisträger verkündet.

Die Jury, bestehend aus Victor Orozco, Daniel Krönke und Lotta Bohde, hatte während des Festivals vor Ort alle Wettbewerbsbeiträge zusammen mit dem Publikum gesichtet und sich abschließend für folgende Preisträger entschieden:

  • „Fragmente einer jungen Frau“ von Romina Küper in der Kategorie Fiktion
  • „Ancora“ von Jan Stöckel in der Kategorie Non Fiktion
  • „Teufel am Ende des Sommers“ von Klaus Hoefs in der Kategorie Animation
  • „Sirens“ von Ilaria Di Carlo in der Kategorie Wagnis

Auch das Publikum hatte die Möglichkeit, für die Filme abzustimmen. Der Publikumspreis für den dänischen Wettbewerb ging an den Film „Buslinie 35 A“ von Elena Felici. Im deutschsprachigen Wettbewerb erhielt „Sven nicht jetzt wann dann“ von Jens Rosemann die Auszeichnung.

Die Brücke Flensburg e.V. stiftete erneut einen Preis für Filme, die auf Gefahren für die psychische Gesundheit aufmerksam machen und verlieh den „Flensburger Querkopfpreis 2022“ an den Film „Kalb“ von Friedrich Tiedke.

Alle Preisträger erhalten neben einer Trophäe, die von den Holzbildhauer*innen der Werkkunstschule Flensburg gefertigt und im FabLab Ideenreich der HS Flensburg aufbereitet wurde, je 1.000 Preisgeld, gestiftet von ComLIne (Kategorie Wagnis), Rechtsanwalt und Notar Olaf Luther (Kategorie Animation), Forward Filmproduktion (Publikumspreis im deutschen Wettbewerb), SSF (Publikumspreis im dänischen Wettbewerb) und filmkorte e. V. (Kategorie Fiktion und Non Fiktion)

Lobende Erwähnungen gingen an:

  • „Lake of Fire“ vom Künstlerkollektiv Neozoon
  • „Layl (Night)“ von Ahmad Saleh
  • „The Boy who Couldn’t Feel Pain“ von Eugen Merher

Laudationen

Der Preis der Flensburger Kurzfilmtage 2022 in der Kategorie Fiktion wird an „Fragmente einer jungen Frau“ von Romina Küper vergeben.

Der Film zeigt feinfühlig und präzise, wie herausfordernd es für junge Frauen in einer patriarchal geprägten Gesellschaft ist, die eigene weibliche Identität zu finden. Wobei eine Identität vielleicht eben immer fragmentarisch bleibt? Aber muss sie so fragmentarisch sein, dass junge Frauen für jeden Mann eine andere sind? Das Thema Essstörung wird als Teil des Alltags gezeigt. Der Film stellt die Frage danach, was selbstbestimmtes weibliches Begehren sein kann.
Exzellent besetzt wird in sehr sorgfältig komponierten Bildern ein intimes Werk geschaffen, das nicht bei Betroffenheit stehen bleibt, sondern sich vermittelt. „Fragmente einer jungen Frau“ ist eine sehr gut auf den Punkt gebrachte feministische Reflexion.

Der Preis der Flensburger Kurzfilmtage 2022 in der Kategorie Non Fiktion (Dokumentation) wird an „Ancora“ von Jan Stöckel vergeben.

Mit seinem empathischen Blick schafft Jan Stöckel einen berührenden Einblick in die Arbeit einer Fischerfamilie. Mit seiner sensiblen Kameraführung macht er die Fahrt in der südlichen Lagune Venedigs zu einem eindrucksvollen Portrait. Die Erwartungen, die die Zuschauenden vielleicht von vom Wind und Wasser gehärteten Männern auf See haben, werden in der zarten und fragilen Beziehung der drei Männer Großvater, Vater und jungem Sohn gebrochen. Die Zuschauenden bleiben nicht vor der Leinwand sitzen, sondern werden zu Zeugen, vom ersten Biss in die Innereinen eines Seeigels bis zum ersten Tauchgang der jüngsten Generation einer vom Ausssterben bedrohten Familientradition.

Der Preis der Flensburger Kurzfilmtage 2022 in der Kategorie Animation wird an „Teufel am Ende des Sommers“ von Klaus Hoefs vergeben.

Mit seinen einfachen Mitteln und seiner rohen Authentizität besticht „Teufel am Ende des Sommers“. Die wie beim Zuschauen entstehenden Bilder erzählen in ihrer Einfachheit eine poetische Geschichte eines Teufels, der als Gärtner der Kirche arbeitet. Charmant verbinden sich die gezeichneten Bilder mit dem „einfach dahingesungen“ Lied zu einer Geschichte. Mit seinem parodistischen Blick stellt er die klare Trennung von Gut und Böse, Himmel und Hölle in Frage. Die Unmittelbarkeit macht den Film zu einem sehr persönlichen Filmerlebnis.

Der Preis der Flensburger Kurzfilmtage 2022 in der Kategorie Wagnis wird an „Sirens“ von Ilaria Di Carlo vergeben.

In beeindruckenden Bildern, zeigt „Sirens“, die Schönheit der Natur, weiße Wolkenschwaden, die sich Majestätisch aufbäumen, Erdflächen, die in ihrer Vielfarbigkeit wie ein Gemälde in der Landschaft liegen. Diese Schönheit ist aber trügerisch, zeigt sie doch die Brutalität des Tagebaus, die Wolken sind der Qualm von Kühltürmen, die Erdschichten nur Abraumhalden. Und so wird es dann schrecklich schön.
Anders als diese Laudatio kommt der Film jedoch ganz ohne Worte aus und spricht doch laut und deutlich. Ein sehr kunstvoller, gut komponierter Film. Subtil und ohne einen moralischen Zeigefinger ist er auch ein ästhetischer Beitrag im Kampf gegen Klimawandel.

Lobende Erwähnung für „Lake of Fire“ von Neozoon

Wenn wir auch keinen weiteren Preis verteilen könnten, wollen wir trotzdem einen Film lobend erwähnen: „Lake of Fire“ von Neozoon macht großen Spaß mit seinen zu einer dynamischen Gesamtkomposition verwobenen Bildern. Die Montage des gefundenen Materials bringt den religiösen Fanatismus in seinen Unsterblichkeitsphantasien einerseits und unseren „sich untertan machendem“ Umgang mit den Ressourcen dieser Erde anderseits in einen Zusammenhang, der die Fragilität unsere Existenz herausstellt.

Begründungen der Jury für die Vergabe des Querkopfpreises

Wir sind heute hier, um den Querkopfpreis zu verleihen, mit dem wir Filme auszeichnen möchten, die die Lebenswelten von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Belastungen thematisieren und so zum Abbau von Vorurteilen und Stigmata beitragen. Bevor wir unseren diesjährigen Preis verleihen, möchten wir gern zwei Filme lobend erwähnen. Der eine ist der Film „Nacht“ von Ahmad Saleh, der uns mit seiner Geschichte über Hoffnung und Verzweiflung inmitten von Krieg und Zerstörung sehr berührt hat.
Der zweite Film handelt von einer jungen Frau, die mit allen Mitteln dazu bereit ist, einen Freund dazu zu bringen, sich wieder selbst zu spüren. Diese Geschichte über Freundschaft hat uns nicht zuletzt durch ihre atmosphärische Art des Erzählens nachhaltig beeindruckt: „The Boy Who Couldn’t Feel Pain von Eugen Merher.

Laudatio für den Film „Kalb“ von Friedrich Tiedke

Bei unserer Arbeit bei der Brücke begegnen uns täglich junge Erwachsene, die während ihres Erwachsenwerdens auf Hürden stoßen, die sie psychisch belasten und herausfordern. Uns ist wichtig, dabei die Haltung zu vermitteln: Krisen sind ganz normal. Jeder Mensch kommt in seinem Leben an einen Punkt, an dem er/sie mal nicht mehr weiterweiß. Max Frisch hat mal gesagt: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“

Viele Themen, die in dieser Lebensphase jungen Menschen und auch der sympathischen Hauptfigur in unserem Gewinnerfilm begegnen, kommen euch dabei sicher vertraut vor:

  • die Suche nach Orientierung und Identität
  • Wer möchte ich sein und wie möchte ich leben? Was gibt mir Sinn und Halt?
  • Nach welchen Werten möchte ich leben und arbeiten?
  • Welche Menschen sind mir wichtig und wie kann ich die Beziehung zu diesen lieben Menschen gut gestalten und wahren und dabei ich selbst bleiben oder werden?

Der Film, an den wir dieses Jahr den Querkopfpreis verleihen, verpackt diese Themen liebevoll und ungeschminkt in einer Geschichte um eine junge Frau und Tochter und ein kleines weihnachtliches Wunder in Form eines Kalbs. Denn es lohnt sich, für seine Ziele und Werte einzustehen und dabei über sich hinauszuwachsen, auch wenn man vielleicht an seine Grenzen kommt. Deshalb möchten wir diesen Preis gern an den Film „Kalb“ von Friedrich Tiedtke verleihen.

(nach einer Pressemitteilung von film|korte e.V.)

 

Titelfoto: Jury und Preisträger*innen: Von links: Daniel Krönke, Lotta Bohde, Jan Stöckel, Elena Felici, Victor Orozco, Klaus Hoefs (Foto: film/korte e.V.)
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