Kommentar zur Erhöhung des Filmförderungsanteils aus Schleswig-Holstein
von Jessica Kordouni
Mit der Erhöhung der Filmförderungsanteils für die gemeinsame Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) um 233.000 Euro auf eine Millionen Euro setzt Schleswig-Holstein ein wichtiges Zeichen für die Wertigkeit des Films aus dem nördlichsten Bundesland. Ein Schritt, den man gerade in einer Krisensituation nicht erwartet hätte, zumal es lange Jahre nicht möglich schien, die Filmförderung aus Schleswig-Holstein überhaupt finanziell richtig auszustatten.
Dies kann an der Krise liegen, weil viele andere Veranstaltungsformate im Moment nicht möglich sind und man sich bei der Landesregierung mit der Digitalisierung von Kultur einen Weg aus der Misere erhofft. Dies mag auch an dem FFHSH-Geschäftsführer Helge Albers liegen, der die Filmproduktion sowohl als gesellschaftliche Aufgabe sieht als auch klar kommuniziert, dass Filmfirmen eben auch Wirtschaftsunternehmen sind, die in der Wirtschaftsförderung genauso behandelt werden wollen wie alle anderen Unternehmen auch. Für Schleswig-Holstein ist das ein Novum, denn hierzulande begreift man die Kultur und damit auch den Film vor allem als freiwillige Leistung, die man sich leisten kann, aber nicht muss.
In einer digitalen und multimedialen Welt ist das relativ kurzsichtig. Denn was in den letzten Jahren immer wieder übersehen wurde ist, dass die Film- und Videoproduktion zur Wertschöpfung der lokalen Wirtschaft beiträgt und richtig gefördert zu Steuereinnahmen und nicht zu Steuerausgaben führt. Dazu kommt auch noch die gesellschaftliche Komponente, denn der Film – und inzwischen auch die Serie – haben eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Keine Kulturform wird so breit in allen Bevölkerungsschichten rezipiert wie der Film. Das hat Einfluss darauf, wie wir unsere Welt sehen, welche Themen wir in der Gesellschaft diskutieren und auch welche Stereotype und Vorurteile sich in uns manifestieren. Nicht zuletzt dürfen wir nicht vergessen, dass Filme und Videos inzwischen Jugendkultur sind. Youtube-Stars scharen Millionen jugendlicher Fans um sich, und auch die Medienkompetenz im Umgang mit Video/Film ist dabei, den gleichen gesellschaftlichen Stellenwert zu erreichen wie das Schreiben und Lesen von Texten. Das heißt, Film gehört nicht nur in die Kultur-, sondern auch in die Wirtschafts- und Bildungspolitik.
Die Erhöhung der Fördergelder ist also ein Schritt in die richtige Richtung. Sie darf aber nicht der einzige sein. Denn wenn Schleswig-Holstein jetzt nicht konsequent auch die nächsten notwendigen Schritte geht, droht die Wertschöpfung aus den Geldern nur der Stadt Hamburg zugute zu kommen. Warum ist das so?
Helge Albers ist bewusst, dass er immer wieder unter Beweis stellen muss, dass die Steuergelder beim ihm gut angelegt sind. Genau aus diesem Grund betont die FFHSH bei jeder Pressemeldung, wo überall in Schleswig-Holstein gedreht wird und welches Talent aus dem Norden Geld aus dem Fördertopf bekommen hat. Was aber zwischen den Zeilen nicht gesagt wird, ist, dass das Land Schleswig-Holstein von den Hamburger:innen weiterhin als Filmlandschaft begriffen wird und eben nicht als Filmproduktionsland. Das hat zur Folge, dass die Filmcrews von überall herkommen, aber nicht aus Schleswig-Holstein. Und das wiederum hat zur Folge, dass die Subunternehmen und Freiberufler:innen, an denen der Staat durch Gewerbesteuereinnahmen verdient und damit die Fördergelder in mehrfacher Höhe zurückerhält, sich gar nicht in Schleswig-Holstein ansiedeln können. Nicht zuletzt bleibt dann auch noch die Anzahl der Medienproduktionsfirmen, auf die durch die zunehmende Digitalisierung und Medialisierung alle anderen Unternehmen angewiesen sind, auf einen niedrigen Level. In dem Sinne sogar ein doppelter Standort-Nachteil.
Zusammengefasst heißt das konkret: Die Filmpolitik in Schleswig-Holstein wird weiterhin als eine Dienstleistung begriffen, die an die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein „outgesourct“ wurde. Wir geben Geld, dann regelt das die FFHSH. Damit entfallen in großen Teilen die Mitbestimmungsrechte der Filmschaffenden aus Schleswig-Holstein. Damit entfällt auch die politische Gestaltung der Wirtschafts- und Kulturförderung in Sachen Film.
Das soll nicht heißen, dass die FFHSH und die Filmwerkstatt Kiel schlechte Arbeit machen, im Gegenteil. Gerade von Helge Albers halte ich viel, weil er ein sehr gutes Verständnis für moderne Filmproduktion und die Erneuerung des Deutschen Films hat. Es ist aber die Frage zu stellen, ob es originäre Aufgabe einer Filmförderung ist, sich um Faktoren wie Unternehmensansiedelung, Fachkräfteausbildung, Filmbildung in der Schule, Infrastrukturbildung und Kultur- und Wirtschaftsförderung zu kümmern. Das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, waren das noch Aufgaben des Landes und in Teilen der Kommunen.
Andere Bundesländer gehen hier anders vor. Richten wir z.B. einen Blick nach Hessen, wo das Kultur- und Wissenschaftsministerium zusammen mit der dortigen Filmszene Pläne entwickelt, wie dem Fachkräftemangel in Hessen entgegengewirkt werden kann. Hier hat man u.a. eine Gründungsförderung ins Leben gerufen, die Filmproduktionen hilft, die ersten Schritte zu gehen. Auch will man erreichen, dass eine bestimmte Anzahl von Filmen, die von hessischen Filmschaffenden gedreht wurden, im Hessischen Rundfunk ausgestrahlt werden. Besonders interessant finde ich die Zielsetzung, dass Hessen sich vorgenommen hat, mit den Fachkräften vor Ort mindestens drei komplette Filmcrews zusammenstellen zu können. Dies lenkt den Fokus weg vom Allrounder-Filmschaffenden, der in Schleswig-Holstein weiterhin Usus ist, hin zu einer gezielten Aus- und Weiterbildung aller Gewerke, sei es Produktionsleitung, sei es Grip, sei es Tonmeister:in, sei es die Ausbildung von Filmschauspieler:innen. Dass dadurch auch bei den Filmen ein ganz anderer Qualitätsstandard erreicht werden kann und die Film-Unternehmen durch den besseren Zugriff auf die richtigen Leute prosperieren können, kann man sich an einer Hand abzählen. Ähnliche Strategien verfolgen übrigens auch Südtirol, Bayern und Nordrhein-Westfalen, die erkannt haben, dass auch Multimedia-Produktionen wesentlich zur Qualität des Wirtschaftsstandortes beitragen.
Was sollte Schleswig-Holstein jetzt tun?
Das erste, was wir brauchen, ist auf jeden Fall eine gesonderte Förderung für Hochschul-Abschlussfilme. Unser Anspruch kann es nicht sein, bei der Ausbildung nur auf halber Kraft zu fahren. Studierende, z.B. an der FH Kiel, können nicht ansatzweise gleiche Qualitätsstandards erreichen wie Studierende an anderen Hochschulen, wenn sie sich keine gute Schauspieler:innen, Raummieten, Reisen, ja nicht mal simple Versicherungen leisten können. Für die Ausbildung ist es gut, mit wenig auskommen zu müssen, um die Grundlagen des Filmschaffens zu lernen. Doch spätestens beim Sprung in die Professionalität, die am Ende eines Studiums stehen sollte, sollten Studierende nicht daran gehindert werden, einen professionell aussehenden Film für ihren Berufseinstieg zu produzieren. Dazu brauchen sie gute Schauspieler:innen sowie Zugriff auf professionelle Postproduktion. Oder auch die Möglichkeit, ins Ausland zu reisen, um ein tolles Doku-Thema umzusetzen.
Zweitens sollten sich Schleswig-Holstein und Hamburg zusammensetzen und schauen, wie sie außerhalb der üblichen Filmhochschul-Berufe (Regie, Kamera, Drehbuch, Schnitt, Schauspiel usw.) die technischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Gewerke besser aus- und fortbilden können. Seit das unbezahlte Praktikum verschwunden ist, hat sich nämlich der Berufsweg über das Hocharbeiten am Filmset quasi erledigt. Hier sind Zusatzmodule bei der Hochschul- und Berufsausbildung genauso denkbar wie Lehrgänge bei den IHKs. Diese Ausbildungen sind dabei flächendeckend auf beide Bundesländer zu verteilen und sollten sich nicht wie jetzt auf Hamburg konzentrieren.
Drittens brauchen wir ein spezielles Förderprogramm für die Gründung von Unternehmen, die in Schleswig-Holstein angesiedelt sind und die Bereiche Pre-Production, Production und Post-Production in ausgeglichenem Maße abdecken. Nur Unternehmen, die auch in Schleswig-Holstein angesiedelt sind, zahlen auch Steuern an das Land und die Kommunen. Für auswärtige Filmteams hat das den Vorteil, dass sie Ansprechpartner:innen bekommen, die sich mit den Gegebenheiten vor Ort auskennen und im Notfall schnell Abhilfe schaffen können. Zudem ist auch in Hamburg der Platz für Filmdrehs begrenzt. In Lübeck, Kiel, Flensburg und anderswo sind die Potenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Nicht zuletzt entschärft man die Situation vor Ort für Unternehmen, die für Social Media, eine Online-Konferenz oder andere Videoinhalte einen bezahlbaren Dienstleister vor Ort suchen.
Viertens sollten die unterschiedlichen Professionalisierungsgrade zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein berücksichtigt werden. Jede:r Sozialpolitiker:in würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie/er Argumente wie „aus Schleswig-Holstein kommen nicht genug gute Filmschaffende“ hören würde. Wer die Hürden für eine Förderung zu hoch legt, verhindert, dass sich Menschen weiterentwickeln können. Daher wäre es nach der Zusammenlegung der beiden Fördertöpfe jetzt wichtig, mit speziellen Förderprogrammen die Weiterentwicklung der Filmschaffenden aus Schleswig-Holstein voranzutreiben und nicht nur auf Diplome von Filmhochschulen oder Vorgängerprojekten zu gucken. An dieser Stelle ist tatsächlich die FFHSH gefragt, um die teilweise sehr unterschiedlichen Leistungsniveaus der beiden Filmszenen zusammen zu bringen und nicht nur die Rosinen aus Schleswig-Holstein zu picken.
Auch über einen Ort für Film- und Musikproduktionen (Studio) sollte nachgedacht werden, an dem sich sowohl High-Professionals als auch Low-Budget-Produktionen einmieten können. Was, nebenbei bemerkt, noch den netten Nebeneffekt hätte, auch die ebenfalls von Corona getroffene Musikszene in SH zu unterstützen, wie das Bündnis SH-Popkultur bereits angemerkt hat.
Dies sind nur einige Ideen, die dabei helfen können, Filmtalente im Land zu behalten, die Wertschöpfung von Filmproduktionen zu nutzen und schleswig-holsteinspezifische Themen in den Kanon des deutschen Films einzuspielen.
Und noch eine Bemerkung zum Schluss: Originäre Aufgabe des Landes ist auch die Bewahrung des Filmerbes. Und damit sind nicht nur künstlerische und dokumentarische Filme gemeint, sondern auch die vielen Zeitdokumente des 20. Jahrhunderts, die auf privaten Dachböden herumliegen. Kein historisches Dokument kann die Vergangenheit so lebendig abbilden wie der Film. Es wäre schade, wenn Millionen von Filmminuten über die Geschichte von Schleswig-Holstein einfach so verschwinden würden.
Wenn wir hier weiter arbeiten, können die Filmszenen aus Hamburg und Schleswig-Holstein wirklich zusammenwachsen.
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