Wie Filmschaffende finanziell die Corona-Krise überstehen können

Sonder-Newsletter der FilmUnion in verdi vom 24. März 2020

Es ist eine Zäsur, wie sie noch niemand von uns allen erlebt hat: der Corona-Virus stellt das Leben weltweit auf den Kopf. Dieser Newsletter ist anders als sonst. Wir schauen auf die vergangenen, bizarren Tage und vor allem bringen wir eine gute Nachricht: Seit gestern Nacht gibt es – auf Initiative von verdi – erstmals in der Geschichte der Filmbranche einen Tarifvertrag für Filmschaffende in Kurzarbeit. Er regelt ab sofort die Aufstockung auf die volle Tarifgage. Wir können Euch gar nicht sagen, wie erleichtert wir sind. Denn der Gesundheitsschutz hat ohne Wenn und Aber allerhöchsten Rang vor wirtschaftlichen Überlegungen, mit dem Kurzarbeitstarifvertrag ist ein solidarischer Schulterschluss gelungen.

Kurzarbeit: Was ist das überhaupt, was bringt der neue Tarifvertrag – und worauf muss ich achten? Aufstockung des Kurzarbeitsgeldes auf die Tarifgage sofort tariflich geregelt

verdi hat in einer blitzschnellen Aktion die Produzentenallianz an den (virtuellen) Verhandlungstisch geholt, um an der Seite des BFFS mit der PA über einen – für die Branche völlig neuen – Tarifvertrag zur Kurzarbeit FFS KuG zu verhandeln. Es musste so schnell gehen, weil wir wussten, dass viele von Euch in den vergangenen Tagen bereits von Euren Produktionsfirmen zu einer Erklärung aufgefordert wurdet und Angebote zur Kurzarbeit zur Unterschrift vorgelegt bekommen habt, mit der Ihr akzeptieren solltet, dass ihr mit Kurzarbeit, und damit mit den gesetzlich geregelten 60 Prozent Eures vertraglich zugesicherten Nettogehalts, einverstanden seid. Wir wollten mehr: Eine Aufstockung auf die Tarifgage. Denn darunter geht es für Projektbeschäftigte einfach nicht.
Der neue Tarifvertrag Kurzarbeit legt nun genau dies zwingend bindend für die Tarifpartner vor: Die tarifgebundenen Produktionsfirmen verpflichten sich für die auf Produktionsdauer beschäftigten Film- und Fernsehschaffenden zu einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes (das gesetzlich geregelt bei 60 bzw. 67 Prozent liegt) auf die vollen Tarifgagen, die jedoch bei den monatlichen Beitragsbemessungsgrenzen für die Arbeitslosenversicherung gedeckelt werden. Für Schauspieler*innen gilt abweichend davon, weil es für sie keine Tarifgagen gibt, dass auf die individuell vereinbarten Gagen, die jedoch gedeckelt bei 90 Prozent der Beitragsbemessungsgrenzen, der Aufstockungsbetrag berechnet und ausgezahlt wird. Die Tarifregelungen gelten zwingend für alle Kurzarbeitsmaßnahmen an Filmsets bei tarifgebundenen Produktionen direkt nach Unterzeichnung des Tarifvertrages ab dem 25. März und ist frühestens kündbar zum 30. Juni 2020. Vorher vereinbarte Kurzarbeit ab dem 1. März kann nur mit Einverständnis der Produktionsunternehmen unter die Regeln des Tarifvertrages fallen und damit verbessert werden. Details findet Ihr auf die Seite www.filmunion.verdi.de.

Tarifverträge gelten nicht für alle

Gebunden an die Tarifvereinbarung sind einerseits konkret die Arbeitgeber in dem Verband, der einen Tarifvertrag unterschreibt (hier Produzentenallianz) und andererseits die Mitglieder der unterzeichnenden Gewerkschaft(en) – hier: verdi und BFFS. Tarifverträge gelten also weder automatisch für alle Filmproduktionen noch für alle Filmschaffenden. Abseits der Tarifpartner zu stehen, bedeutet im Grundsatz, nicht unmittelbar von der Vereinbarung zu profitieren, sondern weiterhin auf eine bessere Regelung als die gesetzliche zu hoffen. Wir beraten gerne und zeigen den Weg zum stärkeren Sozialschutz in dieser Krisen-Phase für euch auf.

Kurzarbeit: Was ist das überhaupt?

Das in anderen Branchen seit Jahrzehnten bekannte Instrument der Kurzarbeit (KuG) dient dazu, Kündigungen zu vermeiden. Aber: Es kommt auf die Konditionen an! Das Prinzip ist: Die Gemeinschaft der Einzahler in die Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen) hilft im Notfall Unternehmen mit der Kurzarbeit eine Krise zu überstehen. Der Arbeitgeber muss dafür bei der Agentur für Arbeit die Kurzarbeit beantragen – entweder wird die Kurzarbeit über einen Tarifvertrag geregelt oder in Betrieben mit Betriebsrat benötigt er dafür die Zustimmung des Betriebsrats, ohne Betriebsrat braucht er die Zustimmung jedes/jeder einzelnen Beschäftigten. Gesetzlich abgesichert ist, dass die Agentur für Arbeit 60 Prozent bzw. 67 Prozent des Gehalts bezahlt. Arbeitgeber können diesen Betrag aufstocken – und der neue Tarifvertrag regelt genau das: Der Arbeitgeberverband der Filmproduktionen – die Produzentenallianz – hat für seine tarifgebundenen Mitglieder rechtlich bindend unterschrieben, die Gagen und Gehälter in der Kurzarbeit aus eigenen Mitteln der Produktionsfirmen auf Tarifgage aufzustocken.

Unsere dringende Empfehlung

Wir empfehlen, dass ihr Euch unbedingt – wie bei allen Verträgen – beraten lasst, bevor ihr Euer schriftliches Einverständnis zur Kurzarbeit gebt. Gleichzeitig warnen wir vor unseriösen Angeboten. Offenbar versucht ein in der Szene allseits bekannter Anwalt, die Verunsicherung in der Szene auszunutzen und fordert von jedem Mitglied eines Filmteams ihm 100 Euro zu zahlen, damit er sie vertritt. Das Instrument der Kurzarbeit liegt nun dank des Tarifvertrages zur Kurzarbeit bereit – und es ließ und lässt sich tariflich auch für nicht tarifgebundene Filmproduktionen zugunsten der Beschäftigten schärfen. Ein Anwalt, der zu Klagen (mit ungewissem Ausgang) rät, um Mandanten und vor allem erstmal eigene Honorare zu gewinnen, ist aus unserer Sicht nicht nur standesrechtlich fragwürdig sondern mit falschen Versprechungen auch unseriös. Solltet ihr mit solchen Praktiken in Kontakt kommen, meldet euch bei ver.di, wir helfen euch bei der Einschätzung solcher anwaltlichen Angebote.
Ihr wisst es ja selbst: Wer in der Gewerkschaft und damit Teil einer zwei Millionen Menschen starken Solidargemeinschaft ist, erhält Rechtsberatung und im Ernstfall Rechtsschutz. Immer. Und zwar ohne abgesehen – von einem meist niedrigeren Mitgliedsbeitrag als 100 Euro nun in der Krise – extra dafür zu bezahlen.

Weiterdrehen – geht das?

Viele von Euch hatten in der letzten Zeit damit zu kämpfen, dass trotz der sich verschärfenden Corona-Situation die Dreharbeiten weiterliefen. Die Produktionsfirmen verweisen auf Haftungsfragen und auf Verträge mit Sendern und Filmförderungen. Allgemeinverfügungen wie in Köln halfen – wenn überhaupt – kaum, weil damit nur Drehgenehmigungen im öffentlichen Raum eingeschränkt waren. Rechtlich gelten private Motive oder Studios als Betriebsstätte – auch jetzt noch, seit im gesamten Bundesgebiet das Kontaktverbot gilt. Theoretisch kann es also noch Dreharbeiten geben, die – wie jeder andere Betrieb ohne Kundenkontakt – weiterlaufen. Für alle Beteiligten ist das eine Zumutung. Wir alle lieben Filme, aber Krimis, Komödien und Kinderserien sind – anders als informationsbasierte bzw. Nachrichtensendungen, anders als Krankenhäuser oder die Lebensmittelversorgung – nicht systemrelevant. Die Arbeit am Set ist personalintensiv und wie sollen die Abstands- und Hygienevorgaben eingehalten werden? Wir alle wissen: Es ist unmöglich. Und spätestens, seit mit der bundesweit geltenden Auflage beschlossen wurde, dass auch Friseurläden schließen müssen, müssten die Letzten begriffen haben, dass z.B. Gewerke wie Maske und Kostüm beim besten Willen nicht sicher arbeiten können, selbst wenn sie mit Mundschutz und Handschuhen ausgestattet sind. „šSocial distancing“˜ ist am Set unmöglich. Wir appellieren deshalb eindringlich an die Film-Produktionsfirmen, die Pausetaste zu drücken. Das Instrument der Kurzarbeit, der TV KuG und auch das Entgegenkommen der Sender und der Filmförderungen in der Krise erlauben genau dies. Und wir ermutigen Euch als Filmschaffende, Euch künftig stärker miteinander zu verbünden und gewerkeübergreifend miteinander solidarisch zu handeln.

Was Beschäftigte in Zeiten von Corona wissen müssen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bietet eine laufend aktualisierte Seite mit derzeit 23 Fragen und Antworten für Beschäftigte in der Corona-Krise: von Home Office über Dienstreisen und Kinderbetreuung bis zu Überstunden und Minijobs: www.dgb.de/themen/++co++fdb5ec24-5946-11ea-8e68-52540088cada.

Was Freie jetzt wissen müssen: Rettungsschirme für Soloselbstständige

Für alle unter Euch, die als Solo-Selbstständige kein Zugriff auf das Kurzarbeitergeld haben, ist es wichtig zu wissen, welche Soforthilfemaßnahmen die Regierung geschaffen hat und wie Ihr sie beantragen könnt. Im Kern finden sich diese in verschiedenen Pandemie-Überbrückungs-Paketen nicht rückzahlbare Einmalzahlungen, leichterer Zugang zu einer erweiterten Grundsicherung, Kündigungsschutz bei Mietrückständen und Notfallkits für Eltern. Die Details würden diesen Newsletter sprengen. ver.di-Mitglieder erhalten dazu heute eine ausführliche Infomail aus dem verdi-Referat Selbstständige.
Alle Aktualisierungen sowie Tipps zum Umgang mit der Krise, etwa zur Senkung Steuern und Sozialversicherungskosten finden sich in der FAQ, die auf unserer Website https://selbststaendige.verdi.de//beratung/corona-infopool verlinkt ist. Bitte steuert auch dazu auch die laufend aktualisierte Seite https://rundfunk.verdi.de/ an – hier findet Ihr speziell für Freie im Rundfunk/bei Sendern bzw. im redaktionellen Bereich weiterführende Informationen zu den Soforthilfeprogrammen der Bundesländer und zu bundesweiten Hilfen. Hilfreich ist dazu auch der ausführliche Service-Artikel von meedia.de.

Weitere Infos

Auch wenn sich die Ereignisse täglich ändern, verweisen wir auf die Tipps und Infos für Filmschaffende vom 17. März:
https://filmunion.verdi.de/und-action/nachrichten/++co++6279eb6c-682c-11ea-b681-001a4a160100.

You’ll never walk alone!

verdi arbeitet unter Hochdruck, um ihren Mitgliedern in dieser Zeit bestmöglich zur Seite zur Seite zu stehen. Auch wenn die Gewerkschaftshäuser und Geschäftsstellen für den Publikumsverkehr gesperrt sind, auch wenn Betriebsversammlungen, Gremiensitzungen und Veranstaltungen erst mal nicht stattfinden können: Wir als Eure hauptamtlichen Gewerkschaftssekretär_innen stehen an Eurer Seite und sind für Euch per mail und telefonisch erreichbar. Unsere Festnetznummern sind auf die Handynummern umgeleitet. Die Kontakte findet für den Film- und Fernsehbereich findet Ihr hier: https://filmunion.verdi.de/ueber-uns/kontakt.
Soweit erst mal, alles Gute, seid gewerkeübergreifend solidarisch und vor allem: bleibt gesund!
Eure FilmUnion in verdi
Text und Redaktion: Tina Fritsche
V.i.S.d.P.: Matthias von Fintel, Geschäftsführer
connexx.av GmbH, c/o ver.di
Paula-Thiede-Ufer 10
10179 Berlin
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