„Wie wäre es mit einer AG Indiefilm“?
„Unsere Filme“ lud zum Diskussionspanel auf dem Filmfest Hamburg 2018
Mittwoch, 3.10., Tag der Deutschen Einheit, das halbe Filmfest Hamburg ist rum. Viele tolle Filme des Weltkinos, davon etliche Gewinner der großen „A“-Festivals liefen bereits über die Leinwände der Hamburger Kinos. Im Festivalzelt gibt es jeden Tag mehrere Panels und Vorträge. Auch für die lokale Independent-Filmszene gibt es Slots mit Vorführungen und Diskussionspanel, wie bereits im letzten Jahr. Das „Unsere Filme“ Screening findet allerdings an diesem Abend nicht in einem der regulären Kinos statt, sondern in der Pony Bar neben dem Abaton und gegenüber dem Festivalzelt. Im Zentrum des Festivals zwar, aber im kleinen Saal mit Stuhlreihen und Bänken. Dem Zuspruch tat dies keinen Abbruch, Moderator und Filmemacher Dennis Albrecht moderiert das Programm vor rappelvoller Bude, 50+ Gäste, mehr ging nicht rein. „Wenn ihr die Möglichkeit habt, lasst das Filmfest wissen, wie voll es hier war. Dann bekommen wir nächstes Jahr vielleicht ein Kino“, verabschiedet Albrecht das Publikum. Der Mann weiß, was er will: Aufmerksamkeit für die Independent-Filme. Dafür engagieren er und Unser Filme und Unsere Serien sich im Hamburger Umfeld, durch Screenings, Get Togethers und Marketing über Social Media.
Was einen Independent-Film ausmacht und mit welchen Problemen die Macher zu kämpfen haben, das sollte am nächsten Abend bei einem Panel im Festivalzelt diskutiert werden. Moderiert von der Journalistin Anne Backaus (Die ZEIT u.a.) waren Sandra Trostel (ihr Dokumentarfilm „All Creatures Are Welcome“ feierte auf dem FFHH Premiere), Kurzfilmer Christian Grundey („Im Park scheint die Sonne und es ist schön“ lief auf dem Unsere-Filme-Screening) sowie die Filmemacher Oliver Eckert und Dennis Albrecht auf die Bühne geladen (im Foto v.l.n.r.). Es folgte eine lebhafte Diskussion, die auch noch im Nachhinein kontroverse Reaktionen zeitigte. So postete Dennis Albrecht als erstes Fazit: „Interessante Runde von Unsere Filme beim Filmfest Hamburg gestern Abend im gut gefüllten Zelt. Darauf kann man aufbauen. Wir werden uns wohl noch öfters zusammensetzen – denn ich bleibe bei meinem Standpunkt, dass erst einmal der Zuschauer sich in seiner Sehgewohnheit verändern muss und offener und experimentierfreudiger werden muss. Aber auch die Filmemacher müssen sich umorientieren! Danke an alle, die da waren, danke an die Talkgäste und das schöne „Come Together“ danach!“
(v.l.) Moderatorin Anne Backaus, Hamburger Independent-Filmemacher Sandra Trostel, Christian Grundey, Oliver Eckert und Dennis Albrecht (Foto: Anja Hattwich)
In einem kurzen Bericht, den uns Dennis Albrecht zur Veröffentlichung zur Verfügung stellt, fasst der Filmemacher und Filmszene-Aktivist den Abend zusammen: „UnsereFilme und das Filmfest Hamburg haben gestern unabhängige Filmemacher zu einem Talk eingeladen. Das Zelt war gut gefüllt und das Ziel war, nach Lösungen zu suchen, wie Filme ohne Auftrag oder ohne kommerzielles Ziel einem Publikum bekannt gemacht werden können.
Das Fernsehen und die Filmförderung kamen in der Diskussion leider nicht gut weg. Von diesen Institutionen waren leider auch keine Vertreter zugegen. Zu viel wird von diesen einflussreichen Apparaten der Fokus auf die Filmwirtschaft gelegt. Der Bildungsauftrag wird kaum noch vom Zuschauer wahrgenommen. Auch die Gäste im Zelt unterstützten die Idee, dass wieder mehr Kulturförderung nötig wäre, um die Vielfalt der unabhängigen Szene zu unterstützen und sichtbar zu machen. Dazu muss aber auch jeder bei sich selbst anfangen und sein Sehverhalten hinterfragen. Die Sender und die Politik werden immer wieder in die Verantwortung genommen, aber jene können stets damit argumentieren, dass sie wüssten, was der Zuschauer sehen möchte, gestützt durch die Quotenstatistiken. Wenn der Filmfan sich aber nicht öffnet und auch Independent-Filme in seinen schon viel zu kurzen Tagesablauf auf irgendeinem Wege zulässt, wird es keine „Lobby“ für diese „kleinen“ Filme geben. Der schönere Name für diese „Lobby“ wäre „Community“: eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt. Dieser Gemeinschaftsgedanke ließ sich im anschließenden „Come Together“ der IndieSzene zumindest erahnen. Nichtkommerzielle Vereine und Institutionen stellten sich vor und boten Hilfe an. Gerade in anschließenden Gesprächen spürte man, dass sich Türen öffneten. Es müsste vielleicht noch öfters solche Veranstaltungen geben. Die Dokumentarfilmer haben sich als als AG Dok zusammengeschlossen. Wie wäre es mit einer „AG Indiefilm“?
Filmemacher und Szene-Aktivist Dennis Albrecht: „Wie wäre es mit einer AG Indiefilm?“ (Foto: Daniel Krönke)
Es wird auf jeden Fall wieder häufiger Screenings, Podiumsdiskussionen und Get-Togethers der Independent-Szene geben. Vielleicht auch mal Workshops? Selbstmarketing und Selbstverleih für Filmemacher! Auch eine kostenlose Filmschule wurde im Talk kurz angedacht. Es gibt noch so viele Möglichkeiten, gerade durch die digitale Welt. Es wird nur noch nicht wirklich ausgenutzt – vielleicht auch, weil jeder nur auf sich schaut. Das gilt es zu ändern.
Was auch zu bedenken bleibt, ist die Unübersichtlichkeit der verfügbaren Medien. Keiner weiß mehr, welcher Film auf welcher Plattform oder in welchem Kino noch mal läuft. Ein digitales Filmprogramm müsste es geben, unterstützt von einem größeren Player wie eben einer Förderung oder eines Senders. Es gibt also viel zu tun und es ist fast ein Kampf gegen Windmühlen. Doch das größte Kapital dieser unabhängigen Filmemacher ist eher der Faktor Zeit. Und dieser Faktor spielt dann vielleicht doch mal eine Rolle, denn das Publikum wird früher oder später online gehen. Mit jeder neuen Digital-Native-Generation müssen sich die Medien erneut (hinter-)fragen, ob es ausschließlich um den Verkauf von Geschichten geht oder ob es nicht doch noch andere Möglichkeiten gibt.“
Wer mehr erfahren möchte oder sich in der Filmszene engagieren möchte, besucht einfach die Webseite www.UnsereFilme.de.