Identitätsstiftend für Kiel

Das NDR/Arte-Doku-Drama „1918 – Aufstand der Matrosen“ feiert Welturaufführung beim CineMare-Festival

Schauen wir genau 100 Jahre zurück: Es ist Spätsommer in Kiel. Schon seit dem Frühling sind die Werftarbeiter in Hunger und daher Aufruhr. Jetzt schließen sich die Matrosen an, die nicht „in Ehren untergehen“ wollen, und daher „das Feuer aus den Kesseln“ kehren. Das NDR/Arte-Doku-Drama „1918 – Aufstand der Matrosen“ zeigt, wie die Matrosen sich gegen dieses sinnlose Sterben auflehnten. Es feiert Welturaufführung am 27. Oktober im Metro-Kino beim CineMare-Festival.
Szene aus dem Film: Revolutionäre Matrosen auf dem Kieler Bahnhof. (Foto: Arte/NDR, Georges Pauly)
Regisseur Jens Becker inszenierte das Doku-Drama mit Schauspielern wie Lucas Prisor, Henriette Confurius und Alexander Finkenwirth. Manches darin ist fiktional, manches aber auch dokumentarisch. Man mag dieser Mischform kritisch gegenüberstehen, doch NDR/Arte-Redakteurin Ulrike Dotzer ist sich sicher, dass genau diese Form das Revolutionsdrama „den Zuschauern nachvollziehbar“ macht. Auch Rolf Fischer, Sozialdemokrat und Vorsitzender der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, sieht das so. Die Kieler Revolte oder auch Revolution sei in ihrer Vielschichtigkeit dargestellt, ebenso ihre Protagonisten wie der Arbeiterführer Karl Artelt und der „Bluthund“ Gustav Noske, der von der Berliner SPD ausgesandt war, um in Kiel für Ordnung zu sorgen.
Lucas Prisor spielt den Arbeiterführer Karl Artelt. (Foto: Arte/NDR, Georges Pauly)
Die damaligen Auseinandersetzungen zwischen Radikalen und Gemäßigten scheinen noch heute nachzuwirken. Aber wie auch immer man die Kieler Revolte sehen mag, will der Film bewussst offen halten und dem Urteil des Zuschauers überlassen. So passt auch in den Film, dass Flottillenadmiral Kay-Achim Schönbach, neben Sahra Wagenknecht und Björn Engholm heutiger Kommentator, immer noch behauptet, „einer Meuterei“ könne man „bei allem Verständnis für die Matrosen“ nicht das Wort reden.
Feuer aus den Kesseln – die Matrosen planen den Aufstand. (Foto: Arte/NDR, Georges Pauly)
Doch haben sich die Zeiten und Bewertungen gewandelt, „auch bei der Bundeswehr“, weiß Rolf Fischer. Noch bei der Einweihung des Revoultionsdenkmals im Ratsdienergarten hätten 1982 CDU-Ratsmitglieder ihre Teilnahme verweigert. „Umso mehr muss man heutige Zuschauer mit modernen filmischen Mitteln erreichen“, sagt Ulrike Dotzer, selbst gebürtige Kielerin.
Rolf Fischer ergänzt, es gebe in der Kieler Bevölkerung „eine Sehnsucht nach Identifikation mit diesem weltbewegenden Ereignis – jenseits von historischen Fachvorträgen“. Auch Dotzer meint, der Matrosenaufstand sei „identitätsstiftend für Kiel“.
Ob der Film das leisten kann, bleibt abzuwarten. In der Diskussion ist der Kieler Aufstand, der die November-Revolution und damit einen demokratischen Wandel auslöste, in jedem Fall. Deshalb soll der Film, der drei Tage nach der Uraufführung bei Arte und hernach im NDR gezeigt wird, auch in Schulen vorgeführt werden. (jm)
Welturaufführung am 27.10., 19 Uhr im Metro-Kino im Schloßhof. TV-Premiere am 30.10., 22 Uhr auf Arte und am 4.11., 20.15 Uhr in N3. Infos: www.1918aufstanddermatrosen.de.

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