Diskussion um Bernd Fiedlers Kommentar zum Wettbewerb „Nur 48 Stunden“
Wir dokumentieren hier Antworten auf Bernd Fiedlers Kommentar zum Wettbewerb „Nur 48 Stunden“.
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Bernd Fiedlers Kommentar zum „Nur 48-Stunden“-Wettbewerb in Schleswig-Holstein ist an Destruktivität und Arroganz kaum zu überbieten. Mir drängt sich das Gefühl auf, dass der Autor dieser abwertenden Zeilen das Konzept der Veranstaltung nicht in Gänze durchdrungen hat, so oft wie er von Hollywood(chen) und Cannes schreibt. Kiel Cannes? Kiel will aber nicht – weil es darum gar nicht geht.
In nur 48 Stunden einen kompletten Kurzfilm zu drehen – das ist eine Mammutaufgabe. Dass dabei nur in den wenigsten Fällen ein nach allen (vermeintlichen) Regeln der Filmkunst haltbares Meisterwerk herausspringt, ist auch überhaupt nicht der Sinn der Sache.
Ich bin seit Jahren beeindruckt über die kreative Energie, die der Wettbewerb mit sich bringt. Pünktlich zur Abgabe am Sonntag, 18 Uhr, trifft sich am Offenen Kanal ein bunter Haufen aus völlig erschöpften, übernächtigten Menschen, die 48 Stunden lang unermüdlich (mit viel Kaffee) eine Idee, die ihnen am Herzen lag, unter schwierigsten Rahmenbedingungen umgesetzt haben. Die wohl am häufigsten getätigte Aussage (neben „Ich muss jetzt erstmal Schlaf nachholen“) ist wohl „Warum tue ich mir das an?“
Aus meiner Sicht lautet die Antwort: Weil es Spaß macht. Weil es ein großartiger Rahmen ist – für Film-Neulinge wie auch für die „alten Hasen“ – sich auszuprobieren, zu spielen, auch fernab all der gängigen Regeln, sich jedes Jahr aufs Neue zu übertreffen, unter Extrembedingungen im Team zu funktionieren und sich hinterher darüber zu freuen, dass man trotz aller Widrigkeiten, die dieser Rahmen zwangsläufig mit sich bringt, etwas erschaffen hat, das funktioniert.
Beim Finale ist die vorherrschende Stimmung: Freude. Wie schön das ist! Neben dem einen oder anderen (wohl eher dem einen), der mit Unheil verkündender Miene mit einer kleinen Handkamera in der Ecke steht und seinen Unbill über diese Veranstaltung schier ausdünstet, trifft sich dort ein Haufen lebensfroher, freudiger, positiver Menschen aller Altersklassen. Der Umgangston ist überwiegend geprägt durch Konstruktivität und gegenseitiger Wertschätzung. Ich habe dort in den letzten Jahren sehr wenig Konkurrenzdenken, sondern eher aufrichtigen Enthusiasmus und Interesse für die Beiträge der anderen Mitwirkenden wahrgenommen. Kaum Gegeneinander, viel Miteinander.
Perspektivwechsel.
Danke für Herrn Fiedlers kleinen Exkurs aus dem Elfenbeinturm der festgefahrenen Vorstellungen, wie Film zu funktionieren hat. Als Zuschauerin sehe ich das allerdings völlig anders. Film soll unterhalten! Film soll mich zum Lachen bringen, zum Weinen. Zum Mitfiebern, zum Staunen, zum Nachdenken. Mich berühren, mich beeindrucken. Das funktioniert aber nicht zwangsläufig nach einem seit der Kaiserzeit festgelegten Schema. Das funktioniert (für mich) durch Kreativität. Durch frische Ideen, durch Ausprobieren, durch Mut, neue Wege und gute Geschichten (die auch nicht nach Schema F funktionieren, denn so einfach ist die Welt zum Glück nicht).
Ich fühlte mich beim diesjährigen 48-er durch viele der Beiträge sehr gut unterhalten. Ich habe gelacht, war beeindruckt, wurde inspiriert. Danke dafür an alle Beteiligten. Ich freue mich aufs nächste Jahr und würde jenen, denen die Veranstaltung den Blutdruck in die Höhe treibt und die Zornesröte ins Gesicht schießen lässt, empfehlen, doch auf dem heimischen Sofa zu bleiben. Gesundheit geht vor. (Mellie Broska)
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„Für fast alle der hier gezeigten Filme trifft dieses fantasielose Denken zu. Von realen Konflikten, guter Poesie und echten Gefühlen kaum eine Spur. Voll entplottet, Mann. Plot-Schrott. Sorgen haben die Leute! Mit ihren seltsamen Spülfilmchen. Na ja, Kiel eben, nicht oben. Kotz sei Dank. Ich spiel’ Film. Etwas länger schon. Und manchmal schäme ich mich so richtig für meinen Beruf. Wann? Rat mal „¦ (Bernd Fiedler)“
Als „ziemlich erfahrener Medienschaffender“, wie der Autor des Kommentars sich nennt, sollte man sich vielleicht einmal bewusst machen, worum es bei einem Wettbewerb wie „Nur 48 Stunden“ geht: In 48 Stunden einen Film konzipieren, drehen, schneiden und abgeben?! Dazu noch die ganzen zeitraubenden Extras wie Maske, Musikauswahl, Tonanpassung, Soundeffekte, Colour Grading, eventuell sogar Special Effects?
Klingt nach Stress. Ist es auch. Klingt auch nicht so, als wenn da jedes Gewerk genügend Zeit hätte, seinem Job gerecht zu werden. Frust? Na klar. Reibereien? Auch das manchmal. Ein Resultat, mit dem alle gleichermaßen glücklich sind? Selten. Warum also macht man bei so etwas wie einem „Nur 48 Stunden“-Wettbewerb mit?
Sicher nicht, weil man erwartet, hier ein Hollywoodreifes Filmwerk abzuliefern. Das ist jedem klar, der bei dem Wettbewerb mitmacht. Man ist meistens schon glücklich, wenn man es geschafft hat, alle Szenen abzudrehen und am Sonntagabend bis 17:59 Uhr einen fertigen, halbwegs funktionierenden Film im OK abzugeben. Die eigenen Ansprüche sind also bereits auf ein Minimum reduziert.
Nein, „Nur 48 Stunden“ ist weder Hollywood noch Cannes. Hat auch niemals irgendwer behauptet. Es ist vielmehr eine Fingerübung. Ein Grenzen Austesten: Was können wir in der kurzen Zeit schaffen? Wie viel Druck halten wir aus? Wie funktionieren wir als Team? Es ist die Chance, sich unter Adrenalin auszuprobieren. Wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Dazu kommt der Ansporn, seine eigene Vorjahresleistung zu überbieten. Sich Jahr für Jahr weiter zu professionalisieren. Abläufe ein bisschen reibungsloser zu gestalten. Als Team stärker zusammenzuwachsen. Und dann die Freude, wenn man es ins Finale schafft und seinen Film einem Publikum zeigen darf, wohlwissend, dass derselbe Film bei vielen anderen Festivals durchgefallen wäre, da die besonderen Bedingungen des 48-Stunden-Drehs anderswo natürlich keine Berücksichtigung finden.
Doch die größte Freude von allen (weshalb die Stimmung auch jedes Jahr wieder so grandios ist) ist zugleich die eigentliche Magie des Wettbewerbs: Es ist das Wiedersehen unter Freunden und Gleichgesinnten, wie es in solch einer Form (trotz des Filmfests SH) nur einmal im Jahr stattfindet: Nämlich immer am Vorabend zu Himmelfahrt im Metro Kino, Kiel.
Den Teams, die hier teilnehmen, geht es vor allem um eins: Spaß. Freude am Machen. Sich ausprobieren dürfen. Regionales Netzwerken. Und noch einmal: Spaß.
Wer vom 48-Stunden-Wettbewerb auf die derzeitige Lage der hiesigen Medienproduktion schließt, hat weder das Event, noch die hiesige Medienproduktion durchblickt. Natürlich können wir Filmemacher auch anders. Machen wir auch laufend. Aber dafür gibt es andere Festivals, andere Produktionen. Und wenn dann beim 48-Stunden-Wettbewerb ein kleines Juwel das Tageslicht erblickt, wie der diesjährige 1. Platz und Publikumsliebling „Siegried & Rolf“ von Lasse Bruhn, dann ist das doppelter Grund zur Freude. Denn dass das Gesamtpaket so stimmig und überzeugend ist, ist bei einem Wettbewerb wie „Nur 48 Stunden“ eher die Ausnahme. Das weiß eigentlich jeder. Die Jury weiß es. Die Moderatoren wissen es. Die Filmemacher auch. Das eingefleischte 48-Stunden-Publikum ist sich ebenfalls darüber bewusst.
Nur an einem scheint das irgendwie vorbeigegangen zu sein. Sein Kommentar? Überflüssig. (Jackie Gillies)
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