Musikalisches Tischlein-Deck-Dich
Die Musikwerkstatt der Kieler Gelehrtenschule präsentiert eine multimediale Klanginstallation
Im März 2014 war das 9. Konzert der Musikwerkstatt „Op.tosys“ an der Kieler Gelehrtenschule eigentlich das letzte, weil ihr langjähriger Leiter Thomas Nagel in den Ruhestand ging. Doch die Idee, Musik mittels des Computerprogramms „Op.tosys“ (Operation to System) aus Zahlenfolgen zu generieren und multimedial zu präsentieren, lebt fort. Der „Unruheständler“ Nagel, sein Kollege Tim Bruhse sowie die jungen Mitarbeiter (inzwischen auch über die KGS hinaus) legen unter dem Motto „Tischmusik“ nach.
In vier Klang-Objekt-Installationen spiegeln „begehbare Musik“ und Skulpturen „elementare menschliche Erfahrungen“: „Nonsense – Spaß und Witz“, „Spirit“, also das Transzendente, „Nightmare – Angst“ und „Beauty“ das „erhaben Schöne“. Im fünften Raum werden diese „komplett entkörperlicht“, indem man sich per Virtual-Reality-Headset durch das gerade mit allen so genannt realen Sinnen Erlebte bewegen kann. „Das Zentrum ist immer ein Tisch, wie eine Art Landschaft, rundherum der Klang“, so beschreibt Nagel das außergewöhnliche Konzept. Neben der Musik wird es auch Texte zu hören oder lesen geben, etwa im „Nonsense“-Raum Gedichte von Christian Morgenstern.
Die unterschiedlichen audiovisuellen Quellen sind dabei zunächst unabhängig voneinander, und doch scheinen sie untereinander „Verabredungen“ zu treffen. Dieser seltsame Effekt von „Zusammenhangserlebnissen“, die im Zuhörer und gleichzeitig Zuschauer „als Ent-Sprache ent-stehen“, wie Nagel das mit Bezug auf phänomenologische Philosophie nennt, wird auf die Spitze eines multimedialen „Hör-Spiels“ getrieben. Mit Hilfe von Game-Processing-Software wie „Unity“ fließen die Medien und Eindrücke im fünften Raum schließlich vollends zusammen – „als Übergang zum Theater und (fast) alle Sinne umfassenden Gesamtkunstwerk“. Nagel und Bruhse verweisen ferner auf den „utopischen Aspekt dieser Haus-Musik“, die „eine neue Musikkultur jenseits des hergebrachten Konzepts Konzert“ entwickeln könne.
Blicken mit ihrer „Tischmusik“ in die Zukunft der multimedialen Musik: Thomas Nagel (links) und Tim Bruhse. (Foto: jm)
Allerlei produktions- und rezeptionsästhetische Theorie steht also im Hintergrund des „musikalischen Tischlein-Deck-Dich“. Doch wenn die beiden schon mal ein Auge und Ohr auf eine „scary“ Mumie aus dem „Nightmare“-Raum und ein Lichtschwert, das auf Bewegungen mit Klang- und Lichtspiel reagiert, gewähren, ist alle Theorie grau. Bunter wird’s ganz sicher im individuellen Erlebnis der „Tischmusik“, das man sich nicht entgehen lassen sollte. (jm)
Freitag, 15. Dezember 2017, 18 Uhr in der KGS.