Zerstörerische Eifersucht

„Fado“ (Jonas Rothlaender, D 2016)

Die Moll-Melodien des portugiesischen Fados erzählen oft davon, etwas Geliebtes verloren zu haben, von unglücklicher Liebe, peinigender Sehnsucht und ungelindertem Schmerz. Diese traurige Vergeblichkeit umspielt, sich immer mehr steigernd, von Anfang an die Liebesgeschichte von Doro und Fabian in Jonas Rothlaenders mehrfach preisgekrönten Debütspielfilm „Fado“. Etwas zu Beginn Unausgesprochenes steht fortwährend zwischen beiden. Es ist die Eifersucht des jungen Arztes, der seiner verlorenen Liebe nach Lissabon nachreist, um eine zweite Chance zu bekommen. Und tatsächlich, die junge Architektin Doro lässt sich nach anfänglichem Zögern wieder auf ihn ein, verfällt seinem jungenhaften, ungelenken Charme.
Das Paar – zugewandt, abgewandt: Luise Heyer als Doro und Golo Euler als Fabian (Fotos: missingfilms.de)
Der Zuschauer, der das Beziehungsdrama aus der Perspektive bzw. Wahrnehmung Fabians miterlebt und visualisiert bekommt, mag am Anfang irritiert sein, weil der Film konsequent die Sichtweise Fabians beibehält. Immer mehr wird dieser zum tragischen Opfer seiner eigenen pathologischen Unterstellungen. Er steigert sich unabwendbar in sein Misstrauen hinein und ist seiner krankhaften, selbstzerstörerischen Fantasie, die die vermeintliche Untreue Doros lebensecht zu belegen scheint, auf fatale Weise ausgeliefert. Der Zuschauer durchschaut erst allmählich Rothlaenders Spiel zwischen Sein und Schein. Die Sympathie bleibt für lange Zeit auf Seiten Fabians, dessen Argwohn aus scheinbaren Beobachtungen herrührt, denen fälschliche Bedeutungen zugeschrieben werden.
Ein Beispiel: Doro und ihr portugiesischer Arbeitskollege verschwinden hinter einem Zaum. Was dahinter geschieht, ist für den vom Rohbau eines Hotels herunter beobachtenden Fabian nicht einzusehen, Filmschnitt nach unten, hinter den Zaun: Doro und ihr Kollege küssen sich verstohlen aber sehnsüchtig. Erst in der nächsten Einstellung, als Fabian unten angekommen hinter den Zaun blickt, kann der Zuschauer das zuvor Gesehene wirklich einordnen und seinen Realitätsgehalt beurteilen.
Immer seltener gelingt es Fabian, sich von seinen irrtümlichen Vorstellungen zu lösen und zu distanzieren. Je mehr er sich seinen Eifersuchtsgespinsten hingibt, umso mehr wächst nicht nur sein Leidensdruck, dem er lange außer hilflosem Stalken nur wenig entgegen zu setzen weiß. Auf der Folie einer ruhigen, unaufdringlichen Erzählweise, die der Banalität des Alltags angemessenen Raum zumisst und der Handlung genügend Zeit, sich aufzuladen, zeigt Rothlaender glaubwürdig, wie sich aus Fabians Aggressivität handgreifliche Gewalt entwickelt, die aber letztlich keinen befreienden Ausweg bietet, sondern nur Opfer zeitigt.
Starkes Bild am Schluss: Fabian in den wilden Wellen …
Fabian fasziniert ein alter Stich, den er erstmals auf einem Flohmarkt in Lissabon entdeckt. Er illustriert die Erinnerung an das Erdbeben von Lissabon von 1755, das die Stadt weitgehend zerstörte und Tausende das Leben kostete. Ein fatales Schicksal. Auch im aktuellen Geschehen scheint das Leben für den eifersüchtigen Filmhelden keinen unspektakulären, geschweige denn guten Ausweg parat zu haben. Was bleibt ihm schließlich anderes übrig, als sich den riesenhaften Monsterwellen am Atlantikstrand zu stellen, dessen beängstigende Ausmaße, akustisch durch ein drohendes Röhren begleitet, schon von Anfang an gleichnishaft als Panikattacken oder Tagträume durch seine bebilderten Gefühlswelten geistern. Ein grandioses Schlussbild für das Ausgeliefertsein an ein unabwendbares Schicksal. (Helmut Schulzeck)
„Fado“, Deutschland, Portugal 2016, 101 Min.; Regie: Jonas Rothlaender, Buch: Jonas Rothlaender, Sebastian Bleyl, Kamera: Alexander Haßkerl, Schnitt: Dietmar Kraus, Darsteller: Golo Euler (Fabian), Luise Heyer (Doro), Albano Jerónimo (Francisco), Pirjo Lonka (Anita), Duarte Grilo (Nuno), Isabel Abreu (Maria).
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