Die schräge Frau, die ich gerne mag
„Frauenbilder“ von Helmut Schulzeck erstaufgeführt
„Frauenbilder“ titelt ein Filmabend mit drei Kurzfilmen des Kieler Filmemachers Helmut Schulzeck im Kieler Kino in der Pumpe. Abgesehen von dem älteren Film „Manchmal denk’ ich jetzt auf deutsch“ über kenianische Einwanderinnen (Youtube-Clip), ist die Protagonistin darin herrlich neben der Spur – und sie heißt Maria Debora Wolf (MDW).
Mit MDW hatte Schulzeck schon zwei „Mockumentaries“ gedreht: „www.betreuteloecher.de“ (2002) und „Löcher im Kopf“ (2014, Youtube-Clip). Beide zeigten Co-Autorin Wolf als eine Verschoben und Verschrobene. Im Nachgang beider Filme war noch mehr Stoff für „Was ich gerne mag“.
Die Frau (sie heißt hier Gaby Reichert, der Geschichtslehrerin Gabi Teichert aus Alexander Kluges „Die Patriotin“ nicht unverwandt), die Schulzeck und – trotz oder gerade wegen ihrer Schrägheit – auch der Zuschauer sofort gerne mag, erläutert in sechs Episoden und einem Prolog, was sie gerne mag: Alltägliches bis Schräges, Rotationen im Paternoster bis zur Trommel im Waschsalon.
MDW improvisiert in allen Episoden, redet sich, wie man so sagt, um Kopf und Kragen, weiß immer, aber nimmer, was und wo sie ist – wir als Zuschauer genauso. Das ist so absurd wie schon in der Episode „Paternoster“, wo sie, die im realen Leben Pastorentochter, über das Auf und Ab zwischen Himmel und Hölle sinniert, schließlich volkstümlich davon singt. In „Schwarzarbeit“ ist sie mit den Herren der Bauarbeitsschöpfung am Werk, trinkt mit ihnen (Malz-) Bier und raucht, bis das Fundament für die Gartenterrasse gelegt ist – vorbei am Finanzamt. In „Hundespaziergang“ ist sie die eloquente Hüterin des Kleinviehs, in der „Kleideranprobe“ weiß sie genau, was nicht mehr modisch ist oder noch nie war, in „Waschsalon“ um die Unterwäsche älterer Herren, und in „Zimmer mieten“ erweist sie sich als der Tramp, den einst Charlie Chaplin mimte.
Was kann man gerne mögen, wenn nicht den Alltag mit all seinen Langweiligkeiten? Frau Reichert begibt sich mitten hinein, versinkt darin wortreich, verzaubert ihn und uns. Schulzecks Porträts zeigen eine Frau, die ganz gewöhnlich ist und doch sehr anders. Vielleicht ist sie eine Künstlerin des Alltags? Oder wie die Protagonistin aus „www.betreuteloecher.de“ eine Psychopathin? Beides liegt nah beieinander, das Irre und das Gewöhnliche. Und eben in beidem überzeugen die kompilierten Kurzfilme: Dass sie das Gewöhnliche als ungemein Einziges zeigen.
MDW als Heide Simonis in „Heide“ (Foto: Schulzeck)
Aber MDW, Schulzecks Schauspielmuse, kann noch mehr: In „Heide“ mimt sie die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis. Oder ihr Double, das noch das Gesicht hat, das Heide vermeintlich verloren? Sie winkt, wo keiner mehr ihr Winken sieht, außer die stoischen Wachmänner (als einer solcher durfte ich posieren, der auch den Schnitt für „Was ich gerne mag“ besorgte und manchen Erzählertext). Das Kurzfilmpsychogramm gerät ebenso humorvoll wie tragikomisch zu einem Film, der bewusst rätselhaft bleibt. Muss man „Heide“, längst von der öffentlichen Bühne verschwunden, hier wieder auf sie gehoben, kennen, um sie zu verstehen? Gerade nicht! Wer Heide noch kennt, wird das eher – und fälschlich – als „Mockumentary“ sehen. Wer nicht, als einen Film über einen Menschen, der/die verloren ist im Selbstbildnis der Existenz. Und da, meine Herren, wird es fast schon philosophisch … Und eine Frau zu der, die ich gerne mag. (jm)
Frauenbilder – Drei Filme von Helmut Schulzeck
- „Was ich gerne mag“ (zus. mit Maria Debora Wolf), 2016, 46 Min., Erstaufführung
- „Heide“, 2016, 11 Min., Erstaufführung
- „Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“, 2014, 33 Min., Kieler Erstaufführung
Sonntag, 15. Januar 2017, 17 Uhr, und Mittwoch, 18. Januar 2017, 18.30 Uhr, Kino in der Pumpe (Haßstr. 22, 24103 Kiel)